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Politik

"Ich werde weiterkämpfen, egal, was es kostet"

Nicolás Guzmán
14. September 2019

Seit Mittwoch sitzt der oppositionelle Journalist und Anwalt Roberto Quiñones in Kuba im Gefängnis. In einem DW-Interview kurz vor der Festnahme hatte er bereits geahnt, bald hinter Gittern zu landen.

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Screenshot der Website cubanet.org
Meldung über die Verhaftung von Roberto Quiñones auf dem unabhängigen Portal Cubanet. Bild: cubanet.org

"Sie können jeden Augenblick kommen und mich abholen", sagte der kubanische Journalist und Anwalt Roberto Jesús Quiñones im Gespräch mit DW am vergangenen Mittwochvormittag. Genau wie er es vorhergesagt hatte, wurde Quiñones am Nachmittag desselben Tages von der kubanischen Polizei festgenommen.

Erst eine Woche zuvor hatte die "One Free Press Coalition", der auch die Deutsche Welle angehört, Quiñones als einen von zehn der derzeit meistgefährdeten Journalisten aufgelistet. Er habe von Kollegen davon erfahren, so Quiñones im Gespräch mit DW. "Mein Internetanschluss wird fast täglich blockiert."

Deutsche Welle: Señor Quiñones, was wirft ihnen die kubanische Justiz vor?

Roberto Quiñones: Mir wird vorgeworfen, dass ich mich der Inhaftierung am Stadtgericht von Guantánamo am 22. April dieses Jahres widersetzt hätte. Ich war an diesem Tag am Eingang zum Gerichtsgebäude und sprach mit der Tochter eines evangelischen Priesters. Er gehört einer Gruppe von Pastoren an, die dafür bestraft werden sollen, ihre Kinder zu Hause erziehen zu wollen. Ich kam kaum dazu, meine Fragen zu stellen, als sich schon Polizeibeamte uns näherten. Sie wollten mich direkt festnehmen. Ich bin Anwalt und weiß, dass ich kein Verbrechen begangen habe. Auf meine Frage nach dem Grund für die Verhaftung, beugte der Beamte sofort meine Arme hinter meinem Rücken und legte mir Handschellen an. Ich fiel auf den Boden und sie schleiften mich dann zum Streifenwagen. Auf der Fahrt zur Dienststelle wurde ich im Auto so hart geschlagen, dass ich blutend ankam. Ich musste medizinisch behandelt werden. Die Polizei sagt, ich hätte mich der Verhaftung widersetzt. Daraufhin bin ich von einem Gericht zu einem Jahr Freiheitsentzug verurteilt worden. (Anmerkung der Redaktion: Das Urteil wurde am Mittwoch, 11.09.2019, wenige Stunden nach diesem Interview, durch die erneute Verhaftung vollstreckt.)

Haben Sie keine Angst vor dem Gefängnis?

Ich habe Angst vor der Gewalt, die sie mir wegen dieser Art von Widerspruch antun können. Aber ich habe ein reines Gewissen. Ich habe viel gebetet und bitte Gott jeden Tag um Kraft. Ich habe Angst, das ist wahr, aber ich spüre auch die Kraft der anderen Menschen, die mich in diesen Momenten begleiten.

Sie hatten die Möglichkeit, eine Geldstrafe zu zahlen, um den Fall zu beenden. Warum haben Sie nicht zugestimmt?

Alle Anklagepunkte gegen mich sind falsch und herabwürdigend. Und da keine entlastenden Beweise zugelassen sind, betrachte ich diese Anklage als eine Verletzung dessen, was in der kubanischen Strafgesetzgebung festgelegt ist.

Wie denkt ihre Familie über diese Situation?

Das ist sehr schwer für sie. Ich habe zwei Söhne, die in den Vereinigten Staaten leben und sich große Sorgen machen. Meine Familie ist aber auch gespalten. Es gibt einige Brüder und andere Verwandte, die mich kritisieren und mir raten, mich an die Regeln der Regierung zu halten. Für mich ist es aber einer Frage der eigenen Würde und ich kann nur meinem eigenen Gewissen folgen, auch wenn es mir schmerzt, Menschen, die ich liebe, zu enttäuschen.

Haben Sie nie erwogen, Kuba zu verlassen, um einer Verhaftung zu entgehen?

Ich möchte erwähnen, dass ich seit 1994 bei der US-amerikanischen Botschaft in Havanna um politisches Asyl bitte. Leider hatte ich nicht das Glück angehört zu werden. Ich habe dann weiter als Anwalt Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten verteidigt. Bis heute habe ich von der US-Botschaft keine Antwort bekommen. Mit meinen 61 Jahren habe ich aber auch kein Interesse mehr, mein Land zu verlassen. Ich werde weiter für meine Ideale in Kuba kämpfen, egal, was es kostet.

Was bedeutet es, in Kuba ein oppositioneller Journalist zu sein?

Angst um das eigene Leben zu haben. Wenn einem Unterdrückung widerfährt, dann passt man sich psychologisch dem an und leidet unter dem, was kommen könnte. Ich habe in der Vergangenheit Angst gespürt und ich habe auch jetzt Angst. Meine Frau sagt, ich sei paranoid, aber ich muss es sein, da ich unter einem außerordentlichen Druck stehe. Ich werde zum Beispiel spätabends am Telefon bedroht. Das alles hat mich zu einem ängstlicheren Menschen gemacht. Denn hier kann alles passieren.

Wie würden Sie die Situation der Presse in Ihrem Land beschreiben?

Mir scheint, dass die kubanische Regierung sehr nervös auf die unabhängige Presse im Land reagiert. Viele junge Leute haben sich uns angeschlossen, und das beunruhigt die Behörden. Viele Journalisten sind es auch leid, für die offiziellen Medien zu arbeiten, wo die Berichterstattung sich am Kurs des Zentralkomitees der kommunistischen Partei orientiert. Der unabhängige Journalismus rebelliert dagegen, und deshalb bekämpfen sie uns.

Haben sie eine Botschaft für Journalisten in einer ähnlichen Situation wie Sie?

Ich möchte meinen Kollegen sagen, dass wir auf uns gegenseitig Acht geben müssen und insbesondere auf die jungen Kollegen, denn auf ihnen liegt die Hoffnung für die Zukunft dieses Landes. Sie müssen vorbereitet sein, denn es ist nicht einfach, ein unabhängiger Journalist in Kuba zu sein.

Das Interview führte Nicolás Guzmán.