Murren im Mittelstand
20. Mai 2010Als sich die Finanzkrise im letzten Jahr zur veritablen Wirtschaftskrise auswuchs, spürte man das auch in der Chefetage der VEM Sachsenwerke Dresden. "Innerhalb von wenigen Tagen hatten wir im Januar 2009 mit Abkündigungen von verschiedenen Turbinenbauern in Höhe von 50 Millionen Euro zu kämpfen", erinnert sich Geschäftsführer Gerhard Freymuth an den Anfang der Krise. Ausgerechnet in der Zukunftsbranche Windkraft brachen für den Hersteller elektrischer Antriebe die Aufträge weg. Die Sachsen blieben zudem auf Beständen sitzen, die sich aufgrund der langen Lieferzeiten in den Hallen anstauten. "Das war natürlich ein Fiasko", fasst Freymuth die damalige Situation zusammen.
Aufträge weg, Jobs in Gefahr
Eigentlich hatte der Geschäftsführer für 2009 mit einem Umsatz von 170 Millionen Euro gerechnet. Am Ende wurden es 101 Millionen – und das mit Mühe und Not. Nur einer breiten Produktpalette vom Schiffbau bis zur Windkraft hatten es die Sachsen zu verdanken, dass sie die Krise nicht mit voller Wucht traf. Gleichwohl: Dem Nachfrageeinbruch folgte der Jobabbau. Wenn auch zunächst bei den Zulieferern. "Das hat gleich schon in den ersten zwei Monaten 70 Arbeitsplätze hier im Erzgebirge gekostet", so Freymuth. Aber auch die VEM Sachsenwerke müssen beim Personal sparen: In diesem Jahr seien die ersten 50 zeitlich befristeten Verträge ausgelaufen, so der Geschäftsführer: "Und ich muss auch sagen in Anbetracht der verhaltenen Wirtschaftslage in den übrigen Branchen, also Walzwerkindustrie, Stahlindustrie, Öl- und Gas, werden wir weitere 50 Zeitarbeitsverträge leider, leider auslaufen lassen müssen - es geht nicht anders."
Rettungsanker Kurzarbeit
Um die gröbsten Verluste zu verdauen, setzen auch die VEM Sachsenwerke auf Kurzarbeit. Im Werk in Dresden arbeiten von ca. 600 Beschäftigen über 20 Prozent kurz. "Ein gewisses Stirnrunzeln ist sicherlich dabei, jeder macht sich Gedanken um seinen Arbeitsplatz", sagt Uwe Hübner, der im Werk für die Fertigungsendkontrolle zuständig ist. Die Kurzarbeit als Instrument, um Arbeitsplätze zu erhalten, hält aber auch der Facharbeiter für unerlässlich: "Das ist auf jeden Fall besser als permanent mit der Angst zu leben: Morgen ist dein Arbeitsplatz überflüssig."
Gerhard Freymuth findet ebenfalls nur lobende Worte für die vom Bund aufgelegte Kurzarbeit-Regelung. Diese sei ein Segen für die Wirtschaft, so der Unternehmer, und bewahre Beschäftige wie Firmen vor Kündigungen. Weniger zufrieden zeigt sich der 61Jährige mit dem extra für den Mittelstand aufgelegten Deutschlandfonds. Von den Krediten und Bürgerschaften käme kaum etwas an. "Auch wir in der Firmengruppe hatten große Probleme und haben Bürgschaften angefordert - nur es war eine blanke Katastrophe", so Freymuth. Er fährt fort: "Eine Zusage von einem Politiker über eine Bürgschaft, die ist null und nichtig, wenn die Beamtenschaft nicht mitzieht." Der Beamtenapparat brauche mitunter ein halbes bis ein ganzes Jahr, um sich mit den angeforderten Bürgschaften zu befassen - "um dann das ganze Verfahren von vorn zu beginnen, weil möglicherweise ein paar EU-Regeln neu aufgetaucht sind."
Kein Cash mehr
Vielleicht liegt es auch am Verfahrensweg, das bisher gerade ein Zehntel der insgesamt 115 Milliarden Euro aus dem Deutschlandfonds abgerufen wurde. Auf ihrem Weg durch die Krise werden sich die VEM Sachsenwerke jedenfalls vor allem auf ihr unternehmerisches Geschick und die Qualität ihrer Produkte verlassen müssen. Geld hingegen werde es wohl auch von den Privatbanken bis auf Weiteres nicht geben, so Gerhard Freymuth: "Es ist derzeit keine Bank bereit, auch nur ein Prozent Restrisiko zu tragen. Ein unternehmerisches Risiko seitens der Banken wird überhaupt nicht in Betracht gezogen. Heute sind wir wieder soweit, dass man beweisen muss, dass man eigentlich keinen Kredit braucht, um einen zu bekommen."
Autor: Sven Näbrich
Redaktion: Monika Lohmüller