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Umstrittene Rüstungsexporte

Sven Pöhle5. Februar 2014

Die SPD hat im Wahlkampf mehr Transparenz und eine strenge Handhabung bei Rüstungsexporten versprochen. Trotzdem verteidigt sie einen umstrittenen Waffenhandel mit Saudi-Arabien.

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Symbolbild Sicherheitspolitik (Foto: Marcus Bormann/Fotalia.com)
Bild: Markus Bormann - Fotolia.com

"Alles, was schwimmt, geht." - Die Aussage des ehemaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) zu Waffenexporten hat wieder an Aktualität gewonnen. In einem bevorstehenden Waffengeschäft will Deutschland über 100 Schnellboote an Saudi-Arabien liefern.

Die Opposition lässt den Genscher-Spruch nicht gelten. Linkspartei und Grüne lehnen das Geschäft ab. "In den Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung steht ganz klar, dass man keine Rüstungsexporte in Staaten genehmigt, in denen Menschenrechte massiv verletzt werden", sagt die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agniezska Brugger. "Dazu gehört Saudi-Arabien sehr klar." Besonders enttäuschend sei das Verhalten der Sozialdemokraten: "Die SPD macht sich in meinen Augen völlig unglaubwürdig, wenn sie diesen Deal jetzt noch verteidigt", sagt Brugger.

Rüstungsexportpolitik: Kehrtwende bei der SPD?

Als Anfang 2013 Details über den Handel an die Öffentlichkeit gelangten, hatte ihn die SPD deutlich kritisiert - zu dem Zeitpunkt saß sie noch in der Opposition. Auch im vergangenen Bundestagswahlkampf hatte sich die SPD für eine strengere Rüstungsexportpolitik ausgesprochen.

Zuletzt hatte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) angekündigt, den Verkauf von Waffen ins Ausland einschränken zu wollen. Keine Waffen an Bürgerkriegsländer und Unrechtsregime, umriss Gabriel in einem Interview mit dem "Stern" seine Position.

Deutsche Patrouillenboote stehen vor Bremer Lürssen-Werft (Foto: Ingo Wagner/dpa)
Die Bremer Lürssen-Werft soll Schnellboote nach Saudi-Arabien liefernBild: picture-alliance/dpa

Gabriel: Waffengeschäft ist nicht gleich Waffengeschäft

Als Regierungspartei trägt die SPD das geplante Geschäft nun aber mit. Die Patrouillenboote könne Saudi-Arabien nicht als Unterdrückungsinstrumente einsetzen, rechtfertigte Gabriel das Exportgeschäft. Das Königreich wolle die Boote zum Schutz seiner Tanker und Erdölplattformen einsetzen. Dabei handele es sich um legitime staatliche Aufgaben Saudi-Arabiens, die auch im deutschen Interesse seien, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.

"Die Entscheidung über die Boote hat die alte Bundesregierung im Bundessicherheitsrat getroffen. Dieser Beschluss gilt", ergänzt Gabriels Parteifreund, der stellvertretende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Er gehe aber davon aus, dass bei vergleichbaren Fällen in Zukunft stärker die Aussagen des Koalitionsvertrags und auch von Gabriel selbst eingehalten werden.

Dazu hätte Gabriel durchaus Möglichkeiten: Der Wirtschaftsminister ist auch Mitglied des Bundessicherheitsrats, der Rüstungsexporte genehmigen muss. In diesem hat allerdings die Union die Mehrheit. Das Wirtschaftsministerium ist zudem federführend in einem Interministeriellen Ausschuss, der aus Wirtschafts-, Finanz-, Außen- und Entwicklungsministerium besteht und über die Vergabe sogenannter Hermesbürgschaften entscheidet. Dabei handelt es sich um eine Garantie gegen Zahlungsausfall, mit der die Bundesregierung deutsche Unternehmen bei Exportgeschäften absichern kann. Bei den Patrouillenbooten für Saudi-Arabien will die Bundesregierung mit 1,4 Milliarden Euro bürgen.

Sigmar Gabriel spricht am 30.1.2014 im Deutschen Bundestag (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Sigmar Gabriel, Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-VorsitzenderBild: picture-alliance/dpa

Christian Mölling, Rüstungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), erwartet auch von Großen Koalition keine Kehrtwende bei den Rüstungsexporten: "Das wäre ein fundamentaler Politikwechsel. Das widerspricht nicht nur der Politik der letzten Bundesregierung, sondern vieler Bundesregierungen vorher, die eigentlich relativ konstant Waffen und Material nach Saudi-Arabien geliefert haben." Einen Deal wie mit Saudi-Arabien zu stoppen, hätte wirtschaftliche und politische Konsequenzen: Wenn Deutschland bestehende Verträge nicht einhalte, müsste die Bundesregierung zudem Strafe zahlen, so Mölling.

Mehr Transparenz für den Hort der Verschwiegenheit

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD mehr Transparenz bei der Erteilung von Rüstungsexportgenehmigungen durch die Regierung vereinbart. Demzufolge soll das Parlament umgehend informiert werden, sobald der Bundessicherheitsrat einen Handel abschließend genehmigt hat.

Den Vorsitz in diesem Gremium hat Bundeskanzlerin Angela Merkel. Neben ihr und Gabriel sitzen in dem Kabinettausschuss auch die Minister für Auswärtiges, Inneres, Verteidigung, Finanzen, Justiz und Entwicklungszusammenarbeit sowie der Chef des Kanzleramts. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates ist vertraulich, Berichte und Protokolle sind geheim. Die Regierung beruft sich unter anderem auf außenpolitische Gründe und das Geschäftsgeheimnis der Exporteure. Deren geplanten Geschäfte könnten platzen, wenn sie zu früh bekannt würden. Einzig im jährlich erscheinenden Rüstungsexportbericht informiert die Bundesregierung über bereits abgeschlossene Waffengeschäfte.

Der Bundestag selbst hat keinen Einfluss auf das Verfahren zur Genehmigung von Waffenexporten. "Ich würde ja dem Parlament das Recht geben, eine Entscheidung des Bundessicherheitsrates anzuhalten", sagte Gabriel dem "Stern". Dies sei aber gegenüber der Union nicht durchzusetzen.

Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger (Foto: S. Kaminski/Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion)
Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Agnieszka BruggerBild: S. Kaminski/Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

"Ich bin skeptisch, dass die Rechte des Bundestages bezüglich der Exportpolitik in dieser Legislaturperiode gestärkt werden", sagt die Grünen-Politikerin Agniezska Brugger. Unabhängig vom politischen Willen der Regierungsparteien könnte im Frühjahr aber dennoch eine Änderung in diesem Bereich erfolgen: Das Bundesverfassungsgericht prüft am 15. April, wie genau die Bundesregierung das Parlament über sensible Kriegswaffenexporte informieren muss.