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Doping-Beichte

Wim Abbink30. Juni 2007

Als erster Radprofi hat Jörg Jaksche in einer spektakulären Doping-Beichte die "Mauer des Schweigens" durchbrochen und dabei mehrere Fahrer und Teamchefs belastet. Auch der Weltverband (UCI) gerät ins Zwielicht.

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Jörg Jaksche 2004 beim Klassiker Paris-Nizza
Jörg Jaksche (in Gelb) auf dem Weg zu seinem größten Triumph: dem Sieg beim Klassiker Paris-Nizza 2004Bild: AP

Radprofi Jörg Jaksche hat in seiner Karriere jahrelang gedopt. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sagte der 30-Jährige außerdem, er wolle sich nun den Sportverbänden und deutschen Ermittlungsbehörden als Kronzeuge zur Verfügung stellen. Zudem gestand er als erster Rennfahrer, dass er sich als Kunde des spanischen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes von 2005 an verbotenen Eigenbluttherapien unterzogen habe, um seine Leistung zu steigern.

"Ich glaube, dass es wichtig ist für die Zukunft dieses Sports, dass einer mal sagt: Okay, so läuft das hier", sagte Jaksche - eine Woche vor Beginn des wichtigsten Radrennens der Welt, der Tour de France. In den Rennställen Polti, Team Telekom, Once, CSC und Liberty Seguros, für die der Ansbacher seit 1997 fuhr, sei das Doping teilweise aktiv von der Mannschaftsführung betrieben worden. "Natürlich hat mir niemand den Arm für die Spritze festgehalten, aber die Teamleiter, die sich früher an dir bereichert haben, die dir die Sachen besorgt haben, ausgerechnet die tun plötzlich so, als würden sie alle für einen sauberen Radsport eintreten", sagt er.

Blutplasma-Beutel
Blutplasma aus dem Beständen des Dopingarztes Eufemanio FuentesBild: AP

"Nichts hat sich geändert"

"Es ist pervers, aber das Doping-System ist gerecht, weil alle dopen. Radsport ohne Doping ist nur gerecht, wenn wirklich niemand mehr dopt", sagte Jaksche. "Mir hat ein Fahrer erzählt, dass es wegen der Trainingskontrollen Deals geben soll zwischen ein paar Mannschaften und dem Weltradsportverband. Da muss man annehmen, dass es kein generelles Umdenken gibt. Nichts hat sich geändert."

Mit Bjarne Riis (jetzt Teamchef bei CSC), der vor Wochen ein umfassendes Doping-Geständnis abgelegt hatte, habe er sich "über Cortekoide" ausgetauscht, so Jaksche, zum Doping gebracht hätte ihn bereits in seiner ersten Profisaison der damalige Chef des Polti-Teams, Gianluigi Stanga. "Wenn du in deiner ersten Tour unter die ersten 20 fährst, musst du für deine Medizin nichts bezahlen", soll ihm der heutige Chef von Erik Zabels und Alessandro Petacchis Milram-Team 1998 mit auf den Weg gegeben haben. Stanga nannte die Vorwürfe in einer Stellungnahme gegenüber dem "Spiegel" absurd.

Gianluigi Stanga
Weist jede Kritik entrüstet von sich: Gianluigi StangaBild: picture-alliance/dpa

Von der Tour de Suisse im Juni 1997 an habe Jaksche Epo genommen, ein im Leistungssport verbotenes Hormon, das die Produktion von roten Blutkörperchen stark anregt. Schon im zweiten Profijahr habe es keine Skrupel mehr gegeben. "Die Logik ist: Du passt dein Leistungsniveau dem Rest an, weil jeder es tut. Im Radsport lebst du in einer Parallelwelt."

Codename "Bella"

Wegen zunehmender Kontrollen, sei die Gefahr immer größer geworden, beim Doping mit Epo erwischt zu werden, sagte Jaksche weiter. Deshalb habe er mit Fuentes zusammengearbeitet, der ein logistisch hochanspruchsvolles Programm für Eigenblutdoping installiert habe. Die von der Guardia Civil nach der Razzia bei Fuentes am 23. Juni 2006 sichergestellten drei 0,5 Liter-Behälter mit dem Codenamen "Bella" gehören ihm, sagte Jaksche: "Bella hieß meine vor drei Jahren gestorbene Labradorhündin." Neben Jan Ullrich ist Jaksche der zweite deutsche Profi auf der Fuentes-Kunden-Liste.

Nachdem Jaksche für die Saison 1999 ins Team Telekom gewechselt war, an die Seite von Jan Ullrich, sei er von den Ärzten der Freiburger Uni-Klinik mit Medikamenten versorgt worden. Walter Godefroot, der belgische Rennstallchef, sei über das Doping informiert gewesen, sagte der Franke: "Die Mannschaftsleitung wusste alles. Es war ein fest installiertes System." Laut Jaksche ging es Godefroot nicht darum, auszuschließen, dass jemand dopt, sondern, dass er ungeschickt dopt. Der Belgier, jetzt Berater für das kasachische Team Astana, bestreitet dies: Über seine Anwälte ließ er wissen, er sei bei Doping für "Null-Toleranz".

Walter Godefroot
Walter Godefroot plädiert nach eigenen Angaben für 'Null-Toleranz'Bild: picture-alliance/dpa

Kronzeugen-Regelung

Jaksche will sich nun den Sportverbänden und deutschen Ermittlungsbehörden als Kronzeuge zur Verfügung stellen. Er will von der in den Statuten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA festgelegten Kronzeugen-Regelung auf eine Straf-Reduzierung von einem Jahr Sperre durch den Weltverband UCI profitieren. Er wolle seine Karriere 2008 fortsetzen, erklärte Jaksche im "Spiegel".

Jaksche, der Arztsohn aus Franken, lebt seit sieben Jahren in Kitzbühel in Österreich und ist im Nachbarland auch lizenziert. Er steht seit April unter Vertrag beim italienisch-russischen Zweitliga-Team Tinkoff, für das er trotz Suspendierung im Mai sporadisch weiter Rennen fährt und sogar zuletzt die Lothringen-Rundfahrt in Frankreich gewann. Seine größten Erfolge als Radprofi feierte er 2004 mit dem Sieg beim Klassiker Paris-Nizza und der Mittelmeer-Rundfahrt. Vor den deutschen Straßen-Meisterschaften an diesem Sonntag (1.7.) in Wiesbaden war der 30-Jährige am Donnerstag suspendiert worden.