1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Calventi: "Sie können ihr ganz normales Leben führen"

28. November 2013
https://p.dw.com/p/1AQCk
(c) Mohamed El Sauaf Zusehen ist der Botschafter der Dominikanischen Republik in Deutschland, Gabriel Rafael Ant José Calventi Gavino, kurz Rafael Calventi, in der dominikanischen Botschaft Berlin im Oktober 2013.
Rafael Calventi, Botschafter der Dominikanischen Republik in DeutschlandBild: Mohamed El Sauaf

Juliana Deguis Pierre, geboren in der Dominikanischen Republik, wollte ihre dominikanische Staatsbürgerschaft vor dem dortigen Verfassungsgericht einklagen. Doch sie unterlag. Die Begründung dafür lautete, dass ihre Eltern zum Zeitpunkt ihrer Geburt illegale Einwanderer waren. Nach offiziellen Angaben leben schätzungsweise 13.677 Menschen in der Dominikanischen Republik, die dort als Kinder von illegalen Haitianern zur Welt gekommen sind. Im Interview mit der DW erklärt der Botschafter der Dominikanischen Republik, Rafael Calventi, welche Lösungen die Regierung für sie vorsieht.

DW: Herr Botschafter, es heißt, dass in der Dominikanischen Republik Menschen ihre Staatsangehörigkeit verlieren, deren Eltern sich bei ihrer Geburt illegal im Land aufhielten. Warum hat das Verfassungsgericht so entschieden?

Rafael Calventi: Seit die dominikanische Verfassung 1929 in Kraft getreten ist, gilt das Jus Solis, also das Geburtsortsprinzip. Menschen, die in der Dominikanischen Republik geboren werden, erhalten damit automatisch die dominikanische Staatsbürgerschaft. Davon ausgeschlossen waren aber laut unserer Verfassung schon immer Kinder, die von Eltern abstammten, die sich zum Zeitpunkt der Geburt illegal in unserem Land aufhielten. Diese Rechtslage ist mehrfach durch unser Verfassungsgericht bestätigt worden. Das Urteil Nummer 168-13 vom 23.09.2013, das nun in die Kritik geraten ist, mahnt also lediglich die Anwendung geltenden Rechts an.

Wird die Dominikanische Republik nun die betroffenen Menschen und ihre Eltern ausweisen? Werden also Menschen in ein Land abgeschoben, in dem sie nie gelebt haben und dessen Staatsbürgerschaft sie nicht haben?

Die Dominikanische Regierung hat offiziell erklärt, dass die Betroffenen nicht abgeschoben und ihre Menschrechte respektiert werden. Sowohl die illegalen Einwanderer als auch ihre hier geborenen Kinder erhalten einen Identitätsausweis. Damit können sie, wie jede andere erwachsene Person auch, über die legalen Wege die dominikanische Staatsangehörigkeit beantragen. Der Identitätsausweis räumt ihnen außerdem weitreichende Rechte in der Dominikanischen Republik ein. Die wichtigsten sind vielleicht eine unbegrenzte Arbeitserlaubnis, kostenlose medizinische Betreuung in allen Krankenhäusern des dominikanischen Staates und der kostenlose Besuch staatlicher Schulen. Sie können letztendlich ihr ganz normales Leben führen wie jeder Dominikaner.

Und wie groß ist ihre Chance auf einen dominikanischen Pass?

Alle haben die Möglichkeit, die dominikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Im Vergleich zu anderen Staaten ist das dominikanische Gesetz zur Vergabe der Staatsangehörigkeit sehr großzügig.

Fühlen sich die rund 600.000 haitianischen Migranten in der Dominikanischen Republik also zu Unrecht diskriminiert?

Weder unsere Regierung noch die dominikanische Gesellschaft diskriminieren Menschen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Die Tatsache, dass die haitianischen Einwanderer und ihre Kinder, unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, in vielerlei Hinsicht die gleichen Rechte genießen wie dominikanische Staatsbürger, bestätigt dies. Nur ein Beispiel: 13 Prozent aller Kinder, die in der Dominikanischen Republik in staatlichen Krankenhäusern zur Welt kommen, werden von haitianischen Müttern geboren. Viele davon leben nicht legal im Land. Diese Geburten allein verursachen dem Staat jährliche Ausgaben in Höhe von drei Milliarden Dominikanischen Pesos, also etwa 70 Millionen US-Dollar.

Sollte einem Haitianer einmal aus irgendeinem Grund eines seiner Rechte verweigert werden, steht ihm das dominikanische Justizsystem offen, damit er seine Rechte einklagen kann.

Betrachten wir es einmal von der anderen Seite und erinnern wir uns an die Freundschaft und Solidarität der Dominikaner mit dem haitianischen Volk, die sich unmittelbar nach dem verheerenden Erdbeben 2010 gezeigt haben. Tatsächlich waren wir die Ersten, die unseren Nachbarn zur Hilfe geeilt sind. Wir haben tausende Verletzte in unseren Krankenhäusern behandelt und das gesamte dominikanische Volk hat sich bei den Hilfsmaßnahmen engagiert.

Wir hatten berichtet, dass Staatspräsident Danilo Medina angekündigt hat, eine Lösung für die Immigranten in der Dominikanischen Republik zu suchen. Können Sie erklären, wie diese Lösung aussehen könnte?

Vor allem gehört die beschriebene Maßnahme dazu, alle von dem Urteil Betroffenen mit offiziellen Identitätsdokumenten auszustatten - genau wie es in allen Ländern der zivilisierten Welt geschieht. Dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden, wurde uns von mehreren Seiten bestätigt: Sowohl der Botschafter der Vereinten Nationen in Santo Domingo, Lorenzo Jiménez de Luis, als auch der Vorsitzende der Delegation der Europäischen Union, Alberto Navarro, haben ihr Vertrauen in die Initiative unseres Staatspräsidenten Danilo Medina ausgedrückt, mit der er das Problem der Menschen ohne gültige Dokumente im Sinne der Menschenrechte - also wie es das Verfassungsurteil vorsieht - lösen wird.

Das Interview führte Rodrigo Abdelmalack.