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Ralph Siegel: "Lächerliches Peanuts-Geschäft"

Das Interview führte Julia Elvers-Guyot22. Januar 2007

Er machte sich mit diversen Kompositionen für den Eurovision Song Contest einen Namen - und hält nicht viel von der Musikverbreitung über das Internet: der Musiker, Schlagerkomponist und Produzent Ralph Siegel.

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Ralph Siegel
Ralph SiegelBild: picture-alliance/ ZB

DW-WORLD.DE: Herr Siegel, was halten Sie als Urgestein vom Wandel der Vertriebswege vom Schallplatten- und CD-Verkauf zum kostenlosen Musikdownload übers Internet?

Ralph Siegel: Das ist eine ganz große Katastrophe. Wenn man früher eine CD haben wollte, dann musste man sie eben kaufen. Jetzt zahlt man 99 Cent, und die muss man sich als Künstler auch noch mit dem Betreiber teilen - da bleibt eigentlich nichts mehr übrig. Es wird immer schwieriger, ein Produkt auf den Markt zu bringen, weil die Marketingkosten irrsinnig hoch sind. Die Downloaderei ist da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, das reicht nicht. Wenn der normale Vertriebsweg der CD, die du in die Hand nimmst, verloren geht, dann wird das Geschäft auf kurz oder lang nur noch auf ein paar große Acts hinauslaufen - oder auf reine Internetplattformen, wo irgendwelche Leute was ins Internet stellen und dann hoffen, dass sie ein paar Euro wieder zurück kriegen. Das wird nicht ausreichen, um diesen Musikmarkt weiter oben zu halten.

Aber der Trend lässt sich doch nicht mehr aufhalten!

Das ist vollkommen richtig, aber es ist ein Negativtrend, der meiner Ansicht nach grauenhaft ist. Natürlich ist es wunderbar, wenn heute jeder sagen kann: ich komponiere ein Lied, stelle es ins Internet und mal sehen, was damit passiert. Aber das ist dann ein Hobbyberuf geworden, die Professionalität wird verwässert. Sie können heute 100.000 Lieder ins Internet stellen, auch von neuen Komponisten, aber keiner weiß mehr, was wo ist. Und es wird auch keiner mehr gefördert! Das Internet allein ist keine Förderung, denn nachdem ein Künstler im Internet steht, muss ja - und das ist glaube ich das allerwichtigste - mit ihm gearbeitet werden. Er muss neue Wege lernen, es muss wieder ein Berufsbild für einen Künstler geben, der anfängt, diesen Beruf zu erlernen. Und wenn da immer nur kleine Umsätze und kleine Beträge generiert werden, wird sich kein Mensch damit beschäftigen, Künstler wirklich auszubilden, auf einen Weg zu führen, der dann 10 oder 20 Jahre geht. Das hat die Industrie ja gemacht, das kann sie aber nur machen, wenn sie die Möglichkeit hat, Geld zu verdienen. Aber dieses Peanuts-Geschäft jetzt ist geradezu lächerlich.

Junge Künstler wie Will.i.am von Black Eyed Peas oder die Band Shiny Toy Guns behaupten, dass sie sehr gut davon leben können.

Wenn das ein paar können, ist es ja wunderbar. Natürlich gibt es immer ein paar Gute, ein paar, für die das dann erfreulich ist, aber "on the long run" wird’s das nicht sein. Ich glaube es nicht. Das ist genau wie die vielen Zeitungen, die aufmachen und wieder zu machen. Ich halte das für sehr gefährlich. Es muss immer wieder weltweit eine Professionalität gegeben sein. Bis so eine kleine Internetperformance um die Welt geht - das ist ein weiter Weg. Und da reicht der Internetshop nicht, sondern da muss auch was für die Künstler getan werden, da muss ein Management aufgezogen werden, da muss eine richtige Struktur rein, und das geht nicht über das Internet alleine. Das ist ein Weg, etwas zu vorführen, das ist ein guter Weg, für etwas zu werben, aber das ist nicht alles.

Welche Vorteile haben die alten Vertriebswege, für die Sie werben, denn außerdem?

Das große Problem ist, dass das Internet nicht so menschelt und nicht lebt. Die Reibung, die man manchmal in Gesprächen hat, bei der Zusammenarbeit hier auf der MIDEM oder die man auch in vielen privaten Bereichen immer wieder erlebt: das menschelt mehr, und das braucht Musik immer wieder. Kreativität kann man nicht immer nur durch den Äther jagen und nicht nur alleine in seinem Zimmer machen. Ich kenne das, ich sitze seit 20 Jahren immer wieder am Computer, aber ich freue mich dann doch, wenn ich mit meinen Künstlern im Studio oder draußen "on the road“ gehe und mit ihnen Kontakt habe. Das Menschliche, der menschliche Aspekt ist doch immer wieder ein sehr wichtiger. Und der fehlt mir im Internet.