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Rap im Biergarten

Matthias Klaus 24. November 2012

Die Jungen hören HipHop, die Alten schauen den Musikantenstadl. So mag das mal gewesen sein. Doch seit Bands wie das fränkische 'Kellerkommando' die Volksmusik revolutionieren, kracht es gehörig im Akkordeon.

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Der deutsche Band Kellerkommando. quelle: http://kellerkommando.com/
Bild: kellerkommando.com

"Wir verbinden die Popmusik von gestern mit der Popmusik von heute und machen daraus die Popmusik von morgen." Selbstbewusst beschreibt Akkordeonist und Sänger David Saam den musikalischen Kosmos der Band. "Subversive Tradition" - so könnte man das nennen, was das Kellerkommando da macht. Denn bei dem fränkischen Septett ist das Wort "Keller" zum einen die fränkische Bezeichnung für Biergarten, zum anderen aber auch das Symbol für Subversivität und Untergrund.

Und da wären dann auch die beiden Pole der musikalischen Welt von Kellerkommando: Volksmusik in Form von traditionellen Liedern in fränkischer Mundart auf der einen Seite und allerlei Jugendkultur auf der anderen, sei es nun Pop, Jazz, Ska oder HipHop, aufs Trefflichste verkörpert durch Ali A$. Der Münchener Rapper mit pakistanischen Wurzeln bildet einen mit unter recht krassen Gegensatz zu Akkordeon, Trompete und Posaune und hievt so manches alte Bierzeltlied mit seinen Strophen ins 21. Jahrhundert.

Fränkische Basis

Eigentlich macht das Kellerkommando wirklich Volksmusik. Das Repertoire besteht zu 90 Prozent aus Liedern, die in Franken gesungen werden, auf der Kirmes, im Biergarten, im Festzelt oder daheim. Und die sind oft alles andere als "heile Welt"-selig.

Trompeter Stefan Schalanda (Foto: Suzanne Cords)
Trompeter Stefan Schalanda gibt sich volkstümlichBild: DW

Natürlich gab und gibt es im fränkischen Liedgut Liebeslieder, aber es geht mit Themen wie Feiern oder Sex auch derb zur Sache. Die Texte sind oft schon über 100 Jahre alt und trotzdem auch heute noch aktuell. Wenn es da zum Beispiel heißt: "Halt dein Maul und babbel nicht so dumm, draußen läuft der Schutzmann rum", dann ist dieses alte Lied über die Angst vor der Obrigkeit ein willkommener Anlass, einen aktuellen Rap zum Thema Überwachungsstaat einzubauen. Dieses Prinzip funktioniert natürlich auch mit Schlagern aus dem letzten Jahrhundert. "Du bist verrückt, mein Kind, du musst nach Berlin", liefert eine vorzügliche Basis, um per Rap herzhaft über den aktuellen Hauptstadt-Hype herzuziehen.

Akkordeon und HipHop

In einem Kindertheater-Ensemble lernten sich die Gründer des Kellerkommandos kennen, Akkordeonist David Saam und Bassist Sebastian Schubert. David arbeitete schon länger an der Modernisierung von traditionellen Mundartstücken, und Sebastian produzierte nebenbei HipHop-Tracks.

Diese musikalischen Welten zu fusionieren war anfangs eher eine Spaß-Idee. Doch die Ergebnisse waren so überzeugend, dass die beiden sich entschlossen, eine Band zu gründen, mit der man das Konzept live umsetzen konnte. Und die musikalische Mischung kommt an, wie zahlreiche umjubelte Festivalauftritte beweisen.

Inzwischen hat das Kellerkommando den "Creole"-Weltmusikpreis gewonnen und über die "Volkswagen Sound Foundation" einen Vertrag mit einer großen Plattenfirma ergattern können. Eine EP ist bereits erschienen, das erste Album wird in Kürze erwartet.

Mitsingen mit Augenzwinkern

Wenn sich vor 20 Jahren eine Rockband alter Volks- oder Wanderlieder annahm, wurden die zumeist parodiert, zersungen oder anderweitig musikalisch zerlegt. Heute singt das Kellerkommando zusammen mit seinem Publikum einträchtig "Ein Prosit der Gemütlichkeit".

CD-Cover : Kellerkommando: Mondscheinbrüder. Quelle: http://kellerkommando.com/
Die aktuelle EP "Mondscheinbrüder"

Längst geht es nicht mehr darum, sich von der spießigen Elterngeneration abzugrenzen oder die Tradition zu verteufeln. Eher könnte man von einer Wiederaneignung sprechen. Die Band spielt einen Funk-Rhythmus, die Haltung ist eindeutig Rock'n Roll; und das gemeinsam gesungene Lied funktioniert gut, weil es jeder kennt. Es ist schon erstaunlich, wie sich da Bierzelt mit Rap und Punk zu einer großen Party vereinen und wie alle beim Mitsingen ein Lächeln auf den Lippen haben.

Lieder für Punk und Oma

Ob auf Folk-Festivals oder Stadtfesten, vor einem Punk- oder einem Metal-Publikum: Die Fusion von Tradition und Pop vermag Menschen quer durch die Kulturen und Generationen zu begeistern. Für die einen ist das dann HipHop mit Mitsing-Refrain und für die anderen vielleicht eine Möglichkeit, mal die Musik ihrer Enkel kennenzulernen.

Sicher ist nur eins: Zu diesem Sound lässt sich gemeinsam feiern, vom vierjährigen Kind bis zur achtzigjährigen Oma sind alle dabei, und die Volksmusik hat ihre verbindende Funktion endlich zurückerobert.