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Rassentrennung an Schulen

Christina Bergmann4. September 2007

Vor 50 Jahren führte es zum Skandal, dass neun afroamerikanische Schüler eine vorher rein weiße Schule betreten wollten. Heute tritt die Trennung nach Rassen in Schulen wieder häufiger auf als 1968.

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Eine kleine Gruppe dunkelhäutiger Schüler geht auf ein Gebäude zu, weiße Schüler beobachten sie dabei, Soldaten halten sich bereit (schwarz-weiß Bild von 1957). Quelle: AP
Afroamerikanische Schüler mussten 1957 in der Schule von Soldaten beschützt werdenBild: AP

Am 4. September 1957 wollten neun schwarze Jugendliche das neue Schuljahr in der Central High School von Little Rock beginnen - eine Schule, die bis dahin nur weiße Kinder besuchten. Bereits 1954 hatte der Oberste Gerichtshof in den USA entschieden, dass Rassentrennung in Schulen gegen die Verfassung verstößt. Doch die Bundesstaaten ließen sich Zeit, diese Direktive umzusetzen. Der Gouverneur von Arkansas rief die Nationalgarde, um die Mädchen und Jungen daran zu hindern, die Schule zu betreten. Diese Maßnahme wurde zum Symbol des Widerstands gegen die Bemühungen der Regierung in Washington, die Rassentrennung aufzuheben.

Als die Teenager nach zwei Wochen die Schule schließlich betreten durften, wurden sie bespuckt, angerempelt und niedergebrüllt - vor der Schule versammelte sich ein wütender Mob. Der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower schritt persönlich ein: Er unterstellte die Nationalgarde von Arkansas seinem Befehl und schickte Soldaten nach Little Rock. Mit Gewehren und aufgesetzten Bajonetten eskortierten sie die Jugendlichen in die Schule und sorgten auch dort für ihren Schutz - so gut es ging.

Fortschritte in den 60er und 70er Jahren

Rassentrennung galt damals vielen Amerikanern als richtig und selbstverständlich. "Aber", erklärt Wade Henderson, Präsident der US-Bürgerrechtsorganisation Leadership Conference on Civil Rights, "vor 50 Jahren hatten wir eine Exekutive, die es vielleicht nicht unbedingt gut fand, dass sie diese Gesetze durchsetzen musste". Trotzdem hätten sie dies mit Vehemenz getan, um den Ansprüchen an ihre Ämter gerecht zu werden.

Vom symbolischen Akt in Little Rock bis zur tatsächlichen Umsetzung der Gleichbehandlung verging viel Zeit. 1964 trat das Bürgerrechtsgesetz in Kraft, das Diskriminierung aufgrund der Rasse bei Ausbildung, Beruf und in der Öffentlichkeit verbot. In den 70er Jahren wurden Kinder sogar mit Bussen in weiter entfernte Schulen gefahren, um gemischte Klassen zu schaffen. Viele Gerichtsurteile unterstützten die Gleichbehandlung von schwarzen und weißen Kindern. Das erfolgreichste Jahr für integrative Klassen war 1980, trotzdem besuchten noch 33 Prozent aller schwarzen Schüler rein schwarze Klassen.

Weiterhin stille Unterstützung der Rassentrennung

Dann ging der Trend wieder in die andere Richtung. Durch eine konservativere Besetzung von Richterposten sei dort Unterstützung weggefallen, erläutert Professor Myron Orfield, Leiter des Institutes für Rasse und Armut an der Universität von Minnesota. "Heutzutage gibt es mehr Rassentrennung in den Schulen als 1968." Nahezu jeder Fortschritt, der in der Zeit zwischen Little Rock und den frühen 70er Jahren erreicht wurde, sei wieder zunichte gemacht worden.

Ein weiterer Grund dafür, dass es immer weniger gemischte Schulen gibt, ist die Schulfinanzierung über die Grundsteuer. Je reicher die Bewohner eines Bezirks sind, umso mehr Geld ist für die Schulen da. Und Wohngegenden sind in den meisten Teilen der USA strikt nach Rassen getrennt. Werden Schulbezirke neu gegründet, bleibt es bei dem Prinzip. "Viele Weiße unterstützen im Stillen noch immer die Rassentrennung", meint John A. Powell, Leiter des Kirwan Institut für Rasse und Volkszugehörigkeit der Ohio State University. Es sei öffentlich nicht angebracht, für Rassentrennung zu argumentieren.

Schulgrenzen bewusster ziehen

Schlechte Schulbildung aber ist der Beginn eines Teufelskreises: Schlechte Lehrer, weniger Unterrichtsmaterial und größere Klassen führen zu frühen Schulabbrüchen und schlechteren Noten. Dies wiederum zieht schlechtere Ausbildung, weniger angesehene Berufe und geringeres Einkommen nach sich - oder auch Kriminalität. Minderheiten haben weniger Zugang zu politisch einflussreichen Positionen, was dazu führt, dass sie nicht ausreichend repräsentiert sind - was an der Schul- und Wohnungsbaupraxis nichts ändert. Der Kreis schließt sich.

Obwohl die gesetzlichen Zwänge nach und nach weggefallen sind, beschlossen landesweit rund 1000 Schulbezirke, weiterhin dafür zu sorgen, dass ihre Schüler aus verschiedenen Rassen kommen. Im Juni 2007 entschied der oberste Gerichtshof, dass Rasse nicht als Grund für die Aufnahme oder Ablehnung an einer Schule dienen kann. Entscheidend sei nicht, dass die Mehrheit der Richter gegen Rasse als Auswahlfaktor bei der Schülerauswahl war, meint Orfield, sondern dass einer von ihnen schrieb, dass Schulen sehr wohl etwas gegen eine de facto Rassentrennung tun dürfen. Schulgrenzen können bewusst gezogen werden, Faktoren wie das Einkommen der Eltern, können berücksichtigt werden. Der Afroamerikaner Henderson sieht hoffnungsvoll in die Zukunft: "Ich glaube, dass selbst die Schüler, die hier nicht die besten Bildungsmöglichkeiten haben, dennoch in den USA eine bessere Ausbildung bekommen als es anderswo möglich ist."

Symbolisch ein großer Schritt

Von einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder die gleichen Chancen haben, sind die USA also weit entfernt. Immerhin könnte es zum ersten Mal ein Schwarzer ins Weiße Haus schaffen. Das will aber nicht unbedingt etwas heißen. "Wenn Amerikaner eine Frau, einen Schwarzen oder einen Latino unterstützen", sagt Powell, "machen sie aus ihm oder ihr gerne eine Ausnahme." Sie würden sagen: Ich mag sie, weil sie eben nicht wie andere Frauen ist, oder weil er das Etikett Latino nicht vor sich herträgt. Barack Obama habe bisher wenig über das Thema Rassendiskriminierung gesprochen, bemerkt Powell. Eine Präsidentschaft Obamas würde nicht alle Probleme lösen, "aber symbolisch und grundsätzlich wäre es ein großer Schritt."

Die Aufhebung der Rassentrennung in Little Rock wurde bis Februar 2007 gerichtlich überwacht. Dann entschied ein Richter, dass die Rassentrennung in der Schule tatsächlich aufgehoben ist. Mittlerweile sind 53 Prozent der Schüler an der Central High School schwarz.