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Rassismus-Debatte: Eko rappt für Verständigung

Torsten Landsberg
26. Juli 2018

Der Rücktritt Mesut Özils aus der deutschen Nationalmannschaft löste eine Rassismus-Debatte aus. Schon vorher nahm Rapper Eko Fresh nach einem US-Vorbild mit "Aber" ein kluges Stück über die zerrissene Gesellschaft auf.

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Eko Fresh beim Birlikte - Zusammenstehen Festival 2015 in Köln
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Eine leere Fabrikhalle, ein Tisch, zwei Stühle. Das karge Setting ergänzt ein träger Beat, über den ein "biodeutscher" AfD-Wähler in Bomberjacke seinem Gegenüber die Leviten liest: "Man versucht grad, meinem Volke seine Wurzeln zu entzieh'n". Aus seinem Gesicht quillt Verachtung für den Deutschen mit Migrationshintergrund - Lederjacke, Vollbart -, der ihm gleich entgegnen wird, er werde von "Ungläubigen" als "Hinterwäldler-Türke" gesehen.

Beide Teile des Rollenspiels werden von Eko Fresh gerappt, der in der dritten Strophe selbst auftritt und die beiden unversöhnlichen Pole in die Pflicht nimmt. Es gebe immer nur schwarz und weiß: Antifa oder Nazischwein hier, Diktatur oder Staatsstreich dort: "Ich muss mich nicht entscheiden, ich muss nur ich selber sein."

"Ich bin kein XY, aber ..."

Der Kölner Rapper greift mit dem von Samy Deluxe produzierten Stück auf, was in den vergangenen Jahren in der Flüchtlingsdebatte zum geflügelten Wort wurde: "Ich bin kein XY, aber ..." - gefolgt von Ressentiments, die man über die andere Seite hat, wer auch immer das gerade ist. Rund 1,2 Millionen Klicks hat "Aber" seit seinem Erscheinen am 20. Juli auf YouTube gesammelt; in Medien und Sozialen Netzwerken wird die Single gleichermaßen gelobt.

Eko Fresh ist lange ein verkannter Künstler gewesen, woran er selbst seinen Anteil hatte: Nach ersten Erfolgen Anfang der Nuller Jahre wandte er sich allzu schnell dem musikalischen Kommerzpop zu, was gerade die auf vermeintliche Authentizität Wert legende Hip-Hop-Szene skeptisch beäugte. Dabei griff Eko später die Identitätsfrage des Deutschtürken regelmäßig auf, inszenierte sich ironisch als "German Dream" und "König von Deutschland".

"Aber" ist nun eine kluge Reaktion auf die Diskussionen um Mesut Özil nach dem WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft. Der Mittelfeldstar war nach der WM von DFB-Offiziellen in Interviews als einziger Spieler namentlich genannt und damit als Sündenbock für das Scheitern freigegeben worden. Vorausgegangen war ein gemeinsames Foto Özils mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der WM, auch Nationalspieler Ilkay Gündogan hatte an dem Treffen teilgenommen. Özil schwieg zu dem Foto, ehe er am 22. Juli per Erklärung auf Twitter seinen Rücktritt erklärte und eine Rassismus-Debatte auslöste.

Demokratie vs. Despot 

In vielen Medien war Özil für das Foto angemessen kritisiert worden, andere berichteten zugespitzter und bereiteten den Nährboden für rassistische Anfeindungen. Ob Özil mit dem in seiner Rücktrittserklärung geäußerten Rassimus-Vorwurf von der Kritik an seinem Foto mit Erdogan ablenken will? Darauf geht "Aber" nicht ein - der Song erschien bereits vor Özils Entscheidung. Die Erdogan-Thematik spart Eko im Rollenspiel seines Songs indes nicht aus.

"Du genießt in meinem Land die Demokratie / Aber Zuhause dann verhilfst du 'nem Despoten zum Sieg", sagt der eine, "Wartet ab, bis mein Präsident Euch zeigt / Wer Eier hat, und dann wird die Macht wieder gerecht verteilt", der andere. Die Aussage der dritten Strophe: Wir sind zu weit entfernt von anderen Lebenswelten und fürchten, was wir nicht kennen. Statt uns in Klischees zu verrennen und weiter auseinander zu driften, sollten wir vielleicht einfach mal miteinander reden: "Zusammen in einem Land zu wohn' ist schwer, aber Ihr macht das schon", schließt Eko.

Mesut Özil auf der Auswechselbank bei der WM 2018, die Hand am Kopf.
Mesut Özil nach dem WM-aus der deutschen Mannschaft. Es sollte sein letzter Auftritt als deutscher Nationalspieler sein.Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Eko Fresh adaptiert mit dem Song und der Kulisse die Vorlage "I'm Not Racist" des US-Rappers Joyner Lucas, das seit November 2017 mehr als 82 Millionen Aufrufe bei YouTube hat. Hier fordert ein beleibter Weißer, auf dessen Cap der Schriftzug "Make America Great Again" prangt, seinen schwarzen Kontrahenten heraus, der Dreadlocks und Goldkette trägt.

"Talkin 'bout slavery like you was around back then", unterstellt er ihm stellvertretend für die gesamte schwarze Community eine Opferhaltung und verlangt, die Prioritäten neu zu ordnen. Sie würden dicke Autos fahren, während er sich den Arsch abarbeite und bei der Bank trotzdem keinen Kredit erhalte. "I'm not a racist, I'm just prepared for this type of war", kündigt er an - Krieg, Verteilungskampf, das Ende.

"Nigga" als Form des Protests

Die Schwarzen würden sich ständig als "Nigga" bezeichnen, aber wenn er den Begriff nutze, würden alle darauf reagieren, lamentiert der Weiße. Lucas greift hier ein tiefes Verständnisproblem auf, ist der Gebrauch des Wortes "Nigger" in den ghettoisierten Stadtteilen der USA sowie im Rap der späten 1980er und frühen 90er Jahre eben als Protest etabliert worden: Wenn wir uns selbst so bezeichnen, können uns die anderen damit nicht mehr verletzen und unterdrücken.

Der schwarze Gegenpart hält dem weißen Wutbürger entgegen, womit er jeden Tag konfrontiert ist: Die Hautfarbe verbaue ihm Jobchancen und lasse ihn vor der Polizei stets wie einen Verdächtigen wirken. Er verdeutlicht, dass beide Seiten von der wohlhabenden Bevölkerungsschicht abgehängt werden: "It’s like we livin‘ in the same buildin', but split into two floors." Das Video zum rund siebenminütigen Song endet etwas kitschiger als nötig mit einer Umarmung der sich eben noch feindlich gesonnenen Antagonisten.

Repolitisierung des Rap

Lucas schrieb "I'm Not Racist" als Reaktion auf die zunehmende Spaltung des Landes nach Donald Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen. Auch der einstige Rap-Superstar Eminem widmete sich mit "The Storm" dem US-Präsidenten: "What we got in office now's a kamikaze that'll probably cause a nuclear Holocaust".

Songs wie diese zeigen, dass die längst zu einem Milliardengeschäft ausgewachsene Hip-Hop-Kultur in der Lage ist, sich zu repolitisieren. Der häufig für seine Oberflächlichkeit kritisierte und darauf zu Unrecht reduzierte Rap ist in seinen Ursprüngen eine kulturelle Protestform gewesen. Und Jahrzehnte später waren es Rapper wie Common, die in ihren Texten vom damaligen Senator Barack Obama als US-Präsident träumten - lange, bevor daran in der Realität zu denken war. Die Aufmerksamkeit bekommen dennoch meist andere.

Dem deutschsprachigen Rap geht es ganz ähnlich. Kommerziell erfolgreich ist, was Belanglosigkeiten wiedergibt, dicke Autos, Geldbündel, am besten ergänzt durch plumpe Provokation. Auch um Rap in Deutschland gab es zuletzt eine Rassismus- und Antisemitismus-Debatte. Eko Fresh ist es nun gelungen, zu einer gesellschaftlichen Diskussion einen konstruktiven Rap-Beitrag beizusteuern.