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Die Sprachkünstlerin

4. April 2011

Nur wer eine Zweitsprache schon als Kleinkind lernt, wird sie später auf dem Niveau eines Muttersprachlers beherrschen. Das sagen zumindest die Forscher. Doch Ratka Sozovska aus Mazedonien beweist das Gegenteil.

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Porträt der Dozentin Ratka Sozovska aus Mazedonien (Foto: DW)
Bild: DW

"In jeder Sprache sitzen andere Augen", schreibt Herta Müller. Die Nobelpreisträgerin für Literatur erkannte mit 15 Jahren - als sie Rumänisch lernte -, dass jede Sprache einer anderen Mentalität entspricht. Die Mazedoniern Ratka Sozovska fühlt sich sprachlich in sechs Mentalitäten zu Hause. Sie spricht Mazedonisch, Deutsch und Spanisch, Serbisch, Englisch und Griechisch.

"Schon als Kind haben mich Sprachen begeistert und ich hab gerne Menschen zugehört, die eine Fremdsprache gesprochen haben", erzählt Ratka Sozovska. Deutsch hat ihr dabei immer besonders gut gefallen, ohne dass sie genau begründen kann, warum. Sie lernte Deutsch am Gymnasium und nahm zusätzlich Privatunterricht. "Irgendwann war die Begeisterung dann so groß, dass ich mich entschieden habe, Deutsch zu studieren."

Seitenwechsel: unterrichten statt lernen

Nach zwei Jahren Germanistik-Studium in Skopje ging sie nach Deutschland, um das deutsche Leben jenseits der Grammatikbücher kennenzulernen. 21 Jahre war sie da alt und lebte als Au-Pair-Mädchen in einer deutschen Familie. Mit deren Hilfe entwickelte sie ein Gefühl für die Details der deutschen Sprache, ihre Aussprache verfeinerte Ratka, indem sie genau hinhörte, wenn der Fernseher lief. Das ist jetzt zehn Jahre her. Seit zwei Jahren unterrichtet Ratka selber Deutsch als Fremdsprache an der Universität Siegen. Das Angebot kam völlig überraschend.

Szene aus dem Unterricht: Ratka Sozovska gibt drei Studenten Anweisungen und zeigt auf ein Wörterbuch (Foto: DW)
Ratka mit den Studenten Vanessa, Mohit und Eneida (von links)Bild: DW

"Während des Studiums wurde ich von einem Professor gefragt, ob ich bereit wäre, seine Tutorin für das Seminar 'Einführung in die deutsche Sprache' zu sein, und das war natürlich eine große Freude", erzählt Ratka. Kurz darauf machte sie ihren Magisterabschluss mit der Note "sehr gut". Daraufhin wurde ihr angeboten, im Bereich "Sprachwissenschaft des Deutschen" zu promovieren und gleichzeitig als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache zu arbeiten.

Sprachenliebe: Freunde in der Fremde finden

Ein Vorteil in ihrem Job als Dozentin ist, dass sie sich wegen ihrer eigenen Erfahrungen sehr gut in die Studenten hinein versetzen kann. Sie hat Deutsch genau wie sie gelernt, sich in Deutschland ein Leben aufgebaut und weiß, welche Herausforderungen und Schwierigkeiten dabei aufkommen. Ratka hilft ihren Studenten deshalb regelmäßig bei Bewerbungen, gibt ihnen Tipps für den Alltag in Deutschland und erzählt von ihren eigenen Lernerfahrungen. "Sie versteht eben, wie schwierig es für uns ist, Deutsch zu lernen.", sagt die 30-jährige Mexikanerin Vanessa Pape. "Sie erklärt alles besonders klar und deutlich. Ich habe bei ihr in diesem Semester mehr gelernt als in einem ganzen Jahr bei anderen Lehrerinnen!"

Ratka Sozovska steht vor einer Seminargruppe (Foto: DW)
Lebenshilfe gibt es gratis dazuBild: DW

Wie Ratka Sozovska es geschafft hat, als Erwachsene perfekt Deutsch zu lernen, lässt sich wissenschaftlich wohl kaum ergründen. Dass sie ein Talent für Sprachen hat, ist offensichtlich. Neben den sechs Sprachen, die sie bereits spricht, lernt sie zurzeit noch Niederländisch und Portugiesisch. Auch an Hebräisch und Arabisch möchte sie sich irgendwann versuchen. Durch ihre Sprachkenntnisse konnte sie in Deutschland Freunde aus der ganzen Welt finden. Einsam ist sie deshalb nie, aber sie vermisst ihre Familie aus Mazedonien. Deshalb fliegt sie mindestens zwei Mal im Jahr nach Skopje. Dort kann sie auch für ihre Doktorarbeit in Sprachwissenschaft recherchieren: ein Sprachvergleich zwischen ihrer Muttersprache Mazedonisch und ihrer liebsten Fremdsprache Deutsch.

Autorinnen: Irem Özgökceler und Alexandra Scherle

Redaktion: Sabine Oelze