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"Die Werte der Aufklärung verteidigen"

Nikolas Fischer (dw/dpa/kna/epd)15. November 2015

Fassungsloses Entsetzen - nach den Anschlägen in Paris hält die Welt den Atem an. Mittlerweile hat sie die Worte wiedergefunden: Auch Kulturschaffende zeigen sich entschlossen, sich nicht unterkriegen lassen zu wollen.

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Frankreich Paris Terroranschläge Trauer
Bild: Getty Images/AFP/M. Medina

Mindestens 89 unschuldige Menschen haben die IS-Attentäter am Freitagabend allein in der Pariser Konzerthalle "Bataclan" getötet. Große Musik-Veranstaltungen vor terroristischen Anschlägen zu schützen, sei eigentlich unmöglich, glaubt der deutsche Konzertveranstalter Marek Lieberberg: "Wir können uns nicht mit bloßen Händen oder Metalldetektoren gegen Kalaschnikows oder Bomben zur Wehr setzen." Der Kulturbetrieb sei der falsche Adressat für Sicherheitsfragen. Lieberberg sieht hier die Sicherheitsbehörden und die Gesellschaft gefordert: "Für eine terroristische Situation ist keiner von uns gewappnet - in keinem Bereich des öffentlichen Lebens."

Bei dem Anschlag in der Konzerthalle ist auch ein Crew-Mitglied der kalifornischen Rockband "Eagles of Death Metal" ums Leben gekommen: Der britische Merchandising-Manager Nick Alexander war auch mit den Bands "Sum 41", "Panic! at the Disco" und den "Black Keys" auf Tour. Im Musikmagazin "Rolling Stone" erinnert sich "Black Keys"-Drummer Patrick Carney an einen "harten Arbeiter" und ein "echtes Sweetheart". Die Beileidsbekundungen auf Facebook nehmen kein Ende. Die "Eagles of Death Metal" haben ihre Europa-Tournee, die sie auch nach Deutschland führen sollte, vollständig abgesagt.

Terrorismus und Flüchtlingskrise

Am Samstag trafen sich deutsche Kulturschaffende in der Akademie der Künste in Berlin zu einer "Langen Nacht zu Flucht und Asyl". Durch die Anschläge in Paris bekam das Thema eine neue Schärfe. In Europa geht die diffuse Angst um, im Rahmen der Flüchtlingskrise könnten auch islamistische Attentäter einfacher in die Länder einreisen, in denen sie Anschläge planen.

Die deutsch-argentinische Regisseurin Jeanine Meerapfel
Jeanine MeerapfelBild: DW/P. Kouparanis

"Wir können nicht als Antwort auf Terror Zäune bauen", sagte Jeanine Meerapfel, die Präsidentin der Akademie der Künste. "Wir dürfen nicht vergessen, dass Menschen in Not sind. Das wäre der falsche Weg." Europa müsse sich zusammentun und gemeinsame Lösungen finden - auch für das Flüchtlingsproblem.

"Als Europäer sind wir in der Regel alle Kinder der Aufklärung. Die gilt es zu verteidigen", sagte Meerapfels Amtsvorgänger, der deutsche Karikaturist und Grafikdesigner Klaus Staeck. "Wehe dem, wir kommen auf die Idee, da Abstriche zu machen." Die Terroristen, die mit pseudo-religiösem Hintergrund handelten, würden unsere freiheitliche Ordnung strikt ablehnen. Was ihnen fehle, sei "die Anerkennung des anderen als jemand, der anders sein darf als ich", glaubt der deutsche Schauspieler und Regisseur Hanns Zischler. "Die Anerkennung dieser schieren Tatsache muss in unsere Köpfe, in unser Verhalten und in unser Leben", so Zischler in der Akademie der Künste.

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Der deutsch-irakische Schriftsteller Abbas Khider befürchtet, dass in Europa lebende Migranten jetzt Probleme bekommen: "Weil man vielleicht denkt, Muslime, Araber, alle machen mit, alle sind gefährlich." Bereits nach dem 11. September 2001 sei das deutlich geworden. Die aktuelle Stimmung sei "ziemlich extrem". Er habe das Gefühl, "alle sind irgendwie links oder rechts." Eine "goldene Mitte" zu finden, sei zurzeit sehr schwierig.

Nach dem Terror von Paris - einer der Anschlagsorte war das Stade de France, in dem sich Frankreichs Staatspräsident Hollande aufhielt - stand auch die Frage nach einer möglichen Absage der Fußball-EM 2016 in Frankreich im Raum. "Wenn wir diese Frage stellen würden, würden wir den Terroristen einen Gefallen tun", sagte jedoch Jacques Lambert, Chef des Organisationskomitees, dem französischen Sender RTL. "Die Sicherheit im Stadion funktioniert gut, das Risiko besteht eher auf der Straße und bei spontanen Zusammenkünften."

Man müsse damit rechnen, dass "die EM ein ganz wichtiges Ziel für die Dschihadisten" wird, sagte der Islamwissenschaftler Guido Steinberg dem Bremer "Kurier am Sonntag". Massenveranstaltungen wie die Fußball-Europameisterschaft ließen sich aber durchaus schützen. Allerdings werde das Großereignis "unter sehr viel drastischeren Sicherheitsvorkehrungen stattfinden, als wir das bisher kennen", so Steinberg.

Arabischer Frühling und die Herausforderungen
Guido SteinbergBild: DW/S. Amri

Anschläge in Deutschland

Der Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik schließt auch Terrorakte in Deutschland nicht aus: "Ich gehe fest davon aus, dass es auch hier zu Planungen kommt. Ob sie erfolgreich sind, kann man nicht sagen." In Deutschland sei die Dschihadisten-Szene aber schwächer als in Frankreich.

Auch wenn Anschläge bisher verhindert werden konnten: In Deutschland habe es bereits mehrere vergleichbare Situationen gegeben, rief Klaus Staeck in der Akademie der Künste in Erinnerung. Auch "restriktive Gesetze" könnten letztlich nicht den Schutz bringen, den man gerne hätte.