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Recht auf Rausch

Clarissa Meher/ Astrid Prange13. Dezember 2013

Experiment am Rio de la Plata: Als erstes Land weltweit legalisiert Uruguay den kontrollierten Anbau und Handel mit Marihuana. Regierungen rund um den Globus beobachten das Vorhaben mit großem Interesse.

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Uruguay erlaubt Marihuana-Handel (Foto: PABLO PORCIUNCULA/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/Afp/Pablo Porciuncula

"Legalize it" - Legalisiert Cannabis! So singen und predigen es Reggaesänger rund um den Globus seit Jahrzehnten. In Uruguay scheint sich dieser Traum vieler Marihuana-Konsumenten zu verwirklichen. Als weltweit erstes Land hat der südamerikanische Staat am Dienstag (10.12.2013) in einer historischen Abstimmung im Senat nicht nur den Konsum sondern auch den Anbau und Handel von Cannabis legalisiert - aber auch reglementiert.

Nach dem Gesetzentwurf soll der Ankauf von monatlich bis zu 40 Gramm Marihuana in Apotheken freigegeben werden. Privatpersonen soll gestattet werden, bis zu sechs Cannabis-Pflanzen zu züchten. Darüber hinaus ist vorgesehen, Marihuana-Clubs mit 15 bis 45 Mitgliedern zu erlauben. Diese dürfen bis zu 99 Pflanzen pflegen.

Anbau und Handel sollen von einer staatlichen Kommission kontrolliert werden. Dadurch soll unter anderem ausgeschlossen werden, dass Marihuana aus illegalem Anbau in den Handel geschleust wird. Die Konsumenten müssen sich in einem Register eintragen. Minderjährigen und Ausländern bleibt der Konsum verboten. Der Start des legalen Verkaufs wird erst für Mitte 2014 erwartet und soll von zahlreichen Aufklärungskampagnen der Regierung begleitet werden.

Legalisierung soll Gewalt reduzieren

"Der jahrzehntelange Kampf gegen Drogen hat Milliarden von Dollar verschlungen, Millionen Menschen das Leben gekostet und Gesellschaften verwundet", konstatiert Ricardo Sennes, Politikwissenschaftler an der katholischen Universität von Sao Paulo. "Das Resultat war der Anstieg des Drogenkonsums und die wachsende Macht der Kartelle". Uruguay gehöre zu den Ländern, die es wagten, die traditionelle Strategie der Drogenbekämpfung zu verändern, so Sennes.

Abstimmung im Senat von Uruguay (Foto: MIGUEL ROJO/AFP/Getty Images)
Historische Abstimmung: Am 10.12.2013 stimmte der Senat in Uruguay der Legalisierung zuBild: Getty Images/Afp/Miguel Rojo

In Uruguay wurde die Initiative von Staatspräsident José Mujica höchst persönlich unterstützt und vorangetrieben. Mujica hofft, dass die Legalisierung von Cannabis Gewalt und Beschaffungskriminalität rund um den Drogenhandel eindämmen kann. "Das jetzige Modell führt zu einem regelrechten Sittenverfall in der Gesellschaft - bis zu dem Punkt, an dem ein Leben nichts mehr wert ist", hatte der Staatspräsident noch kurz vor der ersten Abstimmung über die Initiative im August im Parlament erklärt.

Der Präsident von Uruguay José Mujica beim Staatsbesuch in Deutschland
Revolutionär: Uruguays Staatspräsident José Mujica stieß die Initiative anBild: DW/E.Romero-Castillo

Die Idee, die mit dem Drogenhandel verbundene Gewalt und Kriminalität durch Legalisierung zu bekämpfen, stammt aus einer Initiative der globalen Kommission zur Drogenpolitik. Die Organisation, der unter anderem auch der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan und ehemalige Präsidenten Brasiliens, Kolumbiens und Mexikos angehören, kämpft seit Jahren für moderatere Mittel im Kampf gegen die organisierte Drogenkriminalität.

Uruguay als Vorbild für andere Länder?

International stößt das Projekt, wie auch im eigenen Land, auf geteilte Meinungen. Tom Koenigs ist Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag. Er glaubt, dass Uruguay mit dem Vorhaben weltweit als Vorbild dienen könnte. Koenigs war für die UN in Guatemala und Afghanistan tätig und lernte dort die Probleme in den Erzeugerländern kennen.

"Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass der Konsum nach der Legalisierung nicht ansteigt, sondern teilweise sogar geringer wird", erklärt Koenigs im Gespräch mit der DW. In Portugal beispielsweise sei der Drogenkonsum unter Jugendlichen um 2,5 Prozent gesunken, seit der Besitz im Jahr 2001 legalisiert wurde.

In den als besonders liberal geltenden Niederlanden werden Konsum und Verkauf toleriert. Der Anbau der Pflanze ist aber nicht legal. In Deutschland ist eine Legalisierung von Marihuana nicht geplant. "Wir werden die aktuellen drogenpolitischen Entwicklungen in Uruguay und anderen lateinamerikanischen Staaten aufmerksam beobachten", erklärt Mechthild Dyckmanns, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, in einer Stellungnahme gegenüber der DW.

Uruguays Bevölkerung bleibt skeptisch

In Uruguay selbst ist der Konsum von Marihuana bereits seit 40 Jahren legal, rund 18.700 Personen konsumieren nach offiziellen Angaben täglich Cannabis. Lediglich Verkauf, Vertrieb und Anbau waren verboten. Die Bevölkerung allerdings steht der Legalisierung skeptisch gegenüber. Nach den jüngsten Meinungsumfragen vor der Abstimmung im Senat sprachen sich 58 Prozent der Befragten gegen und 27 Prozent für das neue Gesetz aus.

Uruguays Drogenbeaiftragter Julio Calzada (Foto: EPA/IVAN FRANCO)
Uruguays Drogenbeauftragter Julio Calzada hofft auf weniger BeschaffungskriminalitätBild: picture-alliance/dpa

Für den internationalen Kampf gegen Drogen will Uruguay kein Vorbild sein. Im Interview mit der spanischen Nachrichtenagentur Efe betonte der Chef der nationalen Drogenkommission Julio Calzada kürzlich, dass Uruguay lediglich die Kriminalität im eigenen Land vermindern wolle.