Rechte hörbar einfordern | Regionen | DW | 25.04.2015
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Regionen

Rechte hörbar einfordern

Welchen Beitrag können Medien in der Entwicklungszusammenarbeit leisten? Ute Schaeffer, ehemalige Leiterin Medienentwicklung, zeigt auf: Zugang zu Information war noch nie wichtiger als im digitalen Zeitalter.

Zunächst eine gute Nachricht - für Journalisten wie für ihre "Kunden": Es gibt heute mehr Menschen, die Informationen nutzen. Es gibt mehr Produzenten, mehr Informationsangebote. Kurzum: Informationen beeinflussen heute in einem neuen Maß die soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung von ganzen Regionen und ihren Gesellschaften. Ohne die Sozialen Medien wäre die Arabellion wohl nicht geschehen. Das Erstarken der Zivilgesellschaft in der Ukraine seit 2004 in einem autoritären und zensierten politischen System war möglich, weil Menschen sich über das Netz austauschen und bestärken konnten.

Deshalb ist der Auftrag der DW Akademie, Medien zu entwickeln, heute wichtiger und zugleich schwieriger denn je. Es gibt keine informationsfreien Räume mehr auf der Welt. Informationen stehen heute (fast) überall jederzeit und unmittelbar zur Verfügung. Zu Recht ist Medienentwicklung deshalb inzwischen ein zentrales entwicklungspolitisches Handlungsfeld. Dem stellt sich die DW Akademie mit einem innovativen und interdisziplinären Ansatz.

Wenn Medien über Krieg und Frieden entscheiden

Radio-Workshop der DW Akademie und des Ghana Community Radio Network

Welche Themen sind wirklich wichtig? Was bewegt die Bevölkerung? Teilnehmerin der DW Akademie bei einem Workshop zu Bürgerjournalismus in Ghana

Moderne Medienentwicklung setzt nicht nur auf Journalisten. Dieser Ansatz basiert auf zwei Grundüberzeugungen. Erstens: Nur wenn Menschen Zugang zu Informationen haben, können sie auch ihre anderen Grundrechte politisch hörbar einfordern. Der Zugang zu Information entscheidet über Bildung, über Wissen, letztlich über die persönliche Freiheit. Medien entscheiden manchmal sogar über Krieg oder Frieden, wie in der Ukraine, in Syrien oder im Irak.

Zweitens: Angesichts der rasanten Entwicklung der Medien reicht es nicht mehr, nur Journalisten besser zu machen. Will man das Recht auf freie Meinungsäußerung nachhaltig stärken, muss der Ansatz breiter sein. Denn ob Medien ein Motor für mehr Entwicklung sind oder Entwicklung bremsen, hängt von einigen Schlüsselfaktoren ab:

  • Unter welchen Rahmenbedingungen können Journalisten arbeiten?
  • Nach welchen Kriterien und professionellen Standards werden Inhalte produziert?
  • Haben alle gesellschaftlichen Gruppen Zugang zu Medien?
  • Können Menschen mit der Flut an Information umgehen und sie nutzen?

Für unsere rund 50 Länder, in denen wir uns engagieren, müssen wir viele dieser Fragen mit einem Nein beantworten: So haben Frauen auf dem Land in Burkina Faso, Kirgisistan oder Bangladesch kaum eine Stimme in den Medien. Ihre Themen kommen nicht vor - und damit gleich eine ganze Reihe anderer wichtiger Themen auch nicht: Bildungs- und Gesundheitsthemen zum Beispiel. Tabuthemen werden in vielen Ländern, in denen wir arbeiten, umgangen: Das gilt für die anhaltende Gewalt in Kolumbien genauso wie für die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit in Guatemala. Schwule und Lesben in Uganda werden politisch drangsaliert - sie selbst aus den Medien herausgehalten oder über die Medien regelrecht verfolgt. Manchmal ist es Zensur, häufiger politische Einseitigkeit der Redaktionen, Korruption oder die berühmte "Schere im Kopf", die dazu führt.

Besuch Presserat Myanmar

Medienstrukturen stärken: Mitglieder des vorläufigen Presserates Myanmar auf Studienreise in Berlin

Erfolgreiche und moderne Medienentwicklung, wie sie die DW Akademie betreibt, setzt deshalb auf einen breiteren strategischen Ansatz: Dieser schließt beispielsweise die Arbeit an den politischen Rahmenbedingungen ein - über die Beratung von Regierungsstellen und Nichtregierungsorganisationen. Zu dieser Strategie gehört auch, Medien und Journalisten bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu beraten, damit sie wirtschaftlich unabhängig bleiben - oder werden. Wir unterstützen Presseräte, Berufsverbände und Medienorganisationen, damit sie ihre Interessen im Dialog mit den politischen Entscheidern klarer vertreten und schützen können.

Deshalb arbeitet die DW Akademie heute in allen ihren Projektländern weltweit in mehreren Schwerpunkten. Wir setzen auf unterschiedliche Partner. Und wir wissen: Es ist ein langer Atem nötig, wenn unsere Arbeit messbar und nachhaltig sein soll. Deshalb arbeiten wir an Länderstrategien, die auf drei Jahre angelegt sind und denken weiter als von Workshop zu Workshop.

Unsere Ländermanager kennen diese Zwänge und Erfordernisse. Sie sind Spezialisten für die Medienentwicklung vor Ort, und sie sind gut vernetzt. Denn unser Anspruch ist, nicht nur zu wissen, was unsere Zielgruppen heute bewegt, sondern auch, um welche Themen es in den Ländern, in denen wir arbeiten, zukünftig gehen wird.

Entwicklungsländer auf der digitalen Überholspur

DW Mediendialog South2South in Kapstadt Südafrika November 2014

Trends setzen: Digitale Medienpioniere aus 14 Ländern beim South2South Mediendialog der DW Akademie in Kapstadt

Eines ist sicher: Diese Zukunft ist für Journalisten wie Medien in den meisten unserer Regionen digital - und sie hat in manchen längst begonnen. Ein paar Beispiele: In Lateinamerika gibt es zahlreiche wegweisende Ideen im Netz. Viele dieser alternativen Medienprojekte - wie "Plaza Publica" in Guatemala, mit dem die DW Akademie zusammenarbeitet - setzen auf investigative Recherchen. Sie werden von engagierten Bürgerjournalisten betrieben und haben nicht den Rückhalt eines klassischen Medienunternehmens. Diese Projekte sind mutig: Sie fassen in Recherche und Berichterstattung auch Themen an, die die "klassischen" Medien lieber nicht oder nur tendenziös behandeln, unter anderem die Aufarbeitung der Militärdiktaturen.

Entwicklungsländer auf der Überholspur. Für die DW Akademie ist es wichtig, solche innovativen Akteure und Treiber von Entwicklung miteinander in Austausch zu bringen: Erst vor kurzem trafen sich unter Moderation der DW Akademie digitale Medienpioniere aus verschiedenen Ländern zu der Frage: Wie lassen sich die neuenTechnologien nutzen, um Meinungsfreiheit zu stärken?

Wer in der Medienentwicklung arbeitet, muss auch Trendscout sein. Wir wollen die Zukunft mitdenken: beispielhafte Ideen vor allem im Bereich digitaler Medien unterstützen. Denn sowohl im digitalen Dschihad des Islamischen Staates (IS) wie im von Russland betriebenen hybriden Krieg in der Ukraine werden Medien zur Waffe. Die Kämpfer des IS sind allesamt "Digital residents", im Netz zu Hause.

Russlands Medienstrategie ist ebenfalls hocheffizient und zielgruppengerecht: Unabhängige Inlandsmedien gibt es nicht mehr. Menschenrechte? Im digitalen Dschihad wie beim Krieg um die Köpfe der staatlichen Propaganda-Blogger spielen diese keine Rolle - genauso wenig wie bei Hasspredigten, die per Radio oder TV ihre Nutzer erreichen sollen.

Partner auf eigenem Weg unterstützen

DW Akademie Palästinensische Gebiete PYALARA

Umgang mit Medien vermitteln: Schülerinnen einer neugegründeten Medien-AG in den Palästinensischen Gebieten

Medienentwicklung muss deshalb die Kompetenz im Umgang mit Medieninhalten unterstützen. Das gilt für die Sozialen Medien ebenso wie für die konventionellen, linearen: Wenn im muslimischen Norden Nigerias über Radiosender zu Gewalt aufgerufen wird, auf ukrainischen oder russischen Internetseiten Fehlinformationen und Kriegshetze platziert werden - dann sind die Nutzer, die Hörer, die Zuschauer solcher Quellen gefordert. Sie müssen das Wahre vom Unwahren, die Fakten von Meinung oder Propaganda trennen. Mit Angeboten zur "Media Literacy", zur Medienkompetenz, setzt die DW Akademie bei den Nutzern an, damit "Hate speech", Propaganda, Hetze und Aufrufe zur Gewalt keinen Widerhall finden.

Das Netz schafft Freiräume für Gesellschaft, für Entwicklung, für Medienfreiheit. So gibt es in Ägypten seit 2014 außerhalb des Netzes keine unabhängigen Medien mehr. Nicht nur den Medien wurde ihre Unabhängigkeit im Zuge des Anti-Terrorkampfes genommen, das gleiche gilt für Universitäten, Nichtregierungsorganisationen, die Zivilgesellschaft. Journalismus ist digital und das weltweit, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten; das Internet ist Plattform und Vertriebsweg für alle medialen Gestaltungsformen - mit eingebautem Rückkanal. Das Netz verändert den Journalismus fundamental - von der Recherche über die Dramaturgie bis zur Frage, wie sich die Geschichte multimedial erzählen lässt. Das erfordert neue Kompetenzen und Fähigkeiten.

Unsere Partner überall auf der Welt fragen deshalb bei der DW Akademie vermehrt Angebote zum digitalen Arbeiten ab. Wie sehen partizipative journalistische Angebote im Netz aus? Wie lassen sich journalistische Inhalte online erzählen und gestalten? Die DW Akademie setzt auf Schlüsselthemen der digitalen Entwicklung: wirkungsvolle Social-Media-Strategien für Medienakteure, ethische Fragen beim Umgang mit Sozialen Netzen, Datenjournalismus und Recherche im Netz, Digitale Sicherheit sowie Mobile Reporting.

Dabei geht es uns nicht darum, schöne Entwicklungsideen aus dem globalen Norden in den globalen Süden zu exportieren. Sondern darum, Partner darin zu unterstützen, selbstständig ihren eigenen Weg zu gehen. Das ist eine fordernde und bereichernde Aufgabe zugleich. So werden wir nicht aufhören, beständig gute Antworten zu finden auf die Frage, die uns leitet: Was bleibt, wenn wir wieder gehen?