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Politik

Rechtspopulist in Ungarn: Orbáns Plan B

1. Mai 2019

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán würde mit seiner Partei Fidesz lieber EVP-Mitglied bleiben. Für den Fall eines Ausschlusses nach der Europawahl hat Orbán aber schon vorgesorgt.

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Italians Innenminister Matteo Salvini trifft den ungarischen Premierminister Viktor Orban in Mailand
Der ungarische Premierminister Viktor Orban (l.) trifft Italiens Innenminister Matteo Salvini (r.) im August 2018Bild: Reuters/M. Pinca

Eigentlich kommen Ungarns Premier Viktor Orbán und der italienische Innenminister Matteo Salvini aus verschiedenen politischen Lagern. Doch als sie sich im vergangenen Sommer erstmals trafen, wirkten sie wie alte Freunde und Weggefährten. Sie umarmten sich herzlich und lachten ausgiebig miteinander. Orbán nannte Salvini, den Star der europäischen Rechtsaußen-Politik, wohlüberlegt, wie es seine Art ist, "meinen Helden und Schicksalsgenossen, mit dem ich einige Erfahrungen teilen kann".

Das vielbeachtete Treffen vom August 2018 war ein erster großer Auftakt von Orbáns Europa-Vorwahlkampf und zugleich eine demonstrative Geste gegenüber Kritikern des ungarischen Premiers in der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch Orbáns Fidesz gehört.

Salvini erstmals in Budapest

Nun, wenige Wochen, nachdem die EVP die Fidesz-Mitgliedschaft vorläufig suspendiert hat und kurz vor der Europawahl, kommt Salvini, an diesem Donnerstag (2.5.) erstmals nach Budapest. Offiziell eingeladen hat ihn sein ungarischer Amtskollege, der Innenminister Sándor Pintér. Doch von wirklicher Bedeutung ist vor allem das geplante Treffen Salvinis mit Orbán.

Auf Anfrage der Deutschen Welle wollte sich ein ungarischer Regierungssprecher weder zum Ablauf des Treffens noch zu den geplanten Gesprächsthemen äußern. Doch die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet, die Orbán häufig für Verlautbarungen nutzt, schrieb in einer kurzen Mitteilung bereits vor zwei Wochen, Orbán und Salvini wollten über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit im neuen Europaparlament beraten.

Inhaltlich steht Ungarns Premier europäischen Rechtsaußen-Politikern inzwischen weitaus näher als den Christdemokraten, zu denen er sich nominell zählt. Im gegenwärtigen Europawahlkampf beispielsweise verbreitet Orbán Verschwörungstheorien, die von Rechtsextremen stammen und sich auch in Pamphleten von Rechtsterroristen wie Brenton Tarrant und Anders Breivik finden.

Unhaltbare Rethorik

So etwa wirft Orbán der EU-Kommission vor, einen "Bevölkerungsaustausch" anzustreben, in dem Europas christliche Einwohnerschaft durch islamische "Massen einer anderen Kultur aus einer anderen Zivilisation" ersetzt werden soll. Die Europawahl werde über den Fortbestand oder den Untergang der christlichen Zivilisation in Europa entscheiden, betonte Orbán mehrfach in den letzten Wochen. Schon jetzt würden Christen in Europa diskriminiert und zugewanderte Muslime bevorzugt.

Es ist diese Art von Rethorik, die zuletzt in der EVP das Fass zum Überlaufen brachte und zur Suspendierung von Fidesz führte, nachdem sich in den vergangenen Jahren in dem christdemokratischen Parteienbund immer größerer Unmut über Orbáns Politik und die antidemokratische Umgestaltung Ungarns angestaut hatte.

Zwar hat Orbán den Konflikt mit der EVP gezielt provoziert, dennoch würde er mit seiner Partei aber erklärtermaßen lieber in der EVP bleiben und sie nach seinen Vorstellungen umgestalten. Denn sein politischer Einfluss in Europa wäre so weitaus größer als in einem Bündnis mit europäischen Rechtsaußen-Parteien. Mit vielen von ihnen, so auch mit der deutschen AfD, lehnte Fidesz eine direkte Zusammenarbeit bisher ab. Als Matteo Salvini Anfang April in Mailand die Gründung der "Allianz der europäischen Völker und Nationen" ausrief, blieben Orbán und Fidesz trotz Einladung fern.

Orbans neue Verbündete

Für den Fall eines endgültigen Bruchs mit der EVP baut Orbán allerdings seit längerem vor. Zum einen pflegt er eine intensive Beziehung zur polnischen PiS von Jaroslaw Kaczynski, auch wenn er im Unterschied zum verbissenen Ideologen Kaczynski weitaus flexibler ist. Zu seinen neuen Verbündeten zählt auch der starke Mann Rumäniens, Liviu Dragnea, Chef der dortigen nominell sozialdemokratischen Partei PSD, der Orbáns Sprüche und Kampagnen zunehmend kopiert.

Am eheseten allerdings sind Salvini und Co eine Art Plan B des ungarischen Regierungschefs. Mehr noch: Orbán arbeitet gezielt an seinem Image eines Stars und Helden im europäischen Rechtsaußen-Spektrum – mit Erfolg, wie verschiedene Umfragen zu den Beliebtheitswerten europäischer Politiker belegen.

Gute Kontakte ins rechte Spektrum

Ein Rechtsaußen-Politiker zu dem Orbán schon lange eine engere persönliche Beziehung pflegt, ist Geert Wilders. Seine Frau ist Ungarin, daher reist er regelmäßig zu Besuchen nach Ungarn und trifft dabei gelegentlich auch Orbán in privatem Rahmen. Aus ihrem freundschaftlichen Verhältnis machen die beiden Politiker kein Geheimnis. Auch zu Trumps ehemaligem Berater Steve Bannon hat Orbán einen guten Draht – Bannon nennt Orbán den "Trump vor Trump" und sieht in ihm einen der bedeutendsten europäischen Politiker. Selbst vor erklärten Rechtsextremen spürt Orbán offenbar keine Berührungsängste – im vergangenen Sommer posierte er während eines Treffens im siebenbürgischen Bad Tusnad kameradschaftlich mit belgischen Neonazis.

Unterdessen hat sich nach Salvini bereits der nächste Rechtsaußen-Politiker bei Orbán angekündigt: Am Montag reist der österreichische Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Einladung von Orbán zu einem Treffen mit dem ungarischen Premier nach Budapest. Die Wochenzeitung "168 óra" benannte die nun so rasch aufeinander folgenden Treffen ironisch nach einem amerikanischen Filmdrama: "Ball der Monster".

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Keno Verseck Redakteur, Autor, Reporter