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G20 Vorschau

8. November 2010

Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach ihrem ersten Weltfinanzgipfel wollen die G20 in Seoul Bilanz ziehen, was aus dem damals vereinbarten Fahrplan für eine neue Weltfinanzordnung geworden ist.

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Bulle vor der New Yorker Börse
Schwer zu zähmen: Bulle vor der New Yorker BörseBild: AP

Es ist ein mächtiges Forum, diese Gruppe der 20. Zwei Drittel der Weltbevölkerung, 90 Prozent der globalen Wirtschaftskraft und vier Fünftel des Welthandels: Das alles ist G20. Es ist eine Krisengemeinschaft, denn sie erblickte 1999 – noch auf der Ebene der Finanzminister – das Licht der Welt, als Reaktion auf die damaligen Finanzkrisen in Asien, Brasilien und Russland. Im Herbst 2008 dann der Kollaps von Lehman, der eine Weltfinanzkrise auslöste: Die G20 wurden zur Krisen-Feuerwehr, und das war natürlich Chefsache. In Washington, vor fast genau zwei Jahren, wurde ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen. Man war sich einig: Eine solche Krise darf sich nicht wiederholen. Nationale Egoismen wurden für die Rettung der Welt beiseite geschoben.

Elan geht verloren

Für Dominique Strauss-Kahn, den Chef des Internationalen Währungsfonds, war das die wichtigste Erkenntnis aus der Krise: Global geht vor national. "Das war eine neue Qualität der wirtschaftlichen Kooperation auf globaler Ebene, die es so bisher nicht gegeben hat", so der Franzose kürzlich auf der Jahrestagung seiner Organisation. Diesen Willen habe er verspürt in London, Pittsburgh und Toronto. Doch jetzt vor dem Gipfel von Seoul ab Donnerstag (11.11.2010) sieht er diesen Willen schwächer werden: "Das ist eine wirkliche Bedrohung."

Blick auf den Verhandlungstisch beim G20-Gipfel von Pittsburgh (Foto: AP)
20 Chefs, ein runder Tisch: Hier beim Gipfel von Pittsburgh, USABild: AP


Gipfel wird zur Nagelprobe

Das wissen wohl alle Beteiligten, dennoch hat am Ende auch jeder mit den nationalen Eigenheiten zu kämpfen, wenn es darum geht, eine Finanzmarktreform zu Hause durch die Parlamente zu bringen. Darum ist Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht wirklich zufrieden mit dem Erreichten: "Bei der Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise hätte sich die Bundesregierung mehr vorstellen können", ließ Merkel die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wissen, als sie ihre Ziele für den G20-Gipfel formulierte. So hat Deutschland zwar zu Hause eine Bankenabgabe eingeführt. Auf eine internationale Finanzmarktsteuer aber konnten sich die G20 nicht einigen. Dennoch hat Europa auf dem Gipfel von Seoul durchaus einiges vorzuweisen: Die Finanzmarktaufsicht wird deutlich verbessert. Riskante Finanzprodukte können unter Umständen verboten werden. Hedgefonds und Ratingagenturen werden an die kurze Leine genommen. Dennoch blickt auch der Chef der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, besorgt nach Seoul. Für ihn kommt der Gipfel kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. "Er wird ein Testfall sein, ob die G20 die Koordinierung bringen kann, die die Weltwirtschaft braucht." Alle müssten akzeptieren, dass weltweite Ungleichgewichte eine Sorge für alle seien.

Von Einigkeit keine Spur

Der damalige britische Premier Gordon Brown auf den G20-Gipfel von London (Foto: AP)
Meilenstein der Reform: Der G20-Gipfel von LondonBild: AP

Denn trotz aller Versprechen, keinen Protektionismus zuzulassen: von Einigkeit in dieser Frage sind die 20 weit entfernt. Jeder denkt zuerst daran, wie er die eigene Volkswirtschaft stärken kann. Die daraus resultierenden Ungleichgewichte sind der Nährboden für die nächste Krise. In den Handelsbilanzen der Länder – das ist das Verhältnis zwischen Export und Import – schlummert eine Menge Konfliktpotential. So stellt die Kanzlerin zwar die Frage: "Was können wir gemeinsam für ein nachhaltiges, starkes und ausgewogenes Wachstum tun?" Die Antwort darauf aber will sie ganz allein den Kräften des Marktes überlassen, da solche Bilanzen schließlich ein Ausdruck der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften seien.

Keine Lösung in der Währungsfrage

Angela Merkel und der britische Premier Cameron schauen Fußbaallspiel beim Gipfel von Toronto (Foto: AP)
Fußball-WM schauen beim Gipfel in Toronto: Angela Merkel und David CameronBild: AP


Unmittelbar damit ist auch die Frage der Wechselkurse verknüpft – mancher spricht hier schon von einem "Weltkrieg der Währungen". Dabei geht es um künstliche Eingriffe, um die eigenen Währungen abzuwerten. Damit wollen sich Länder, allen voran China und die USA, Handelsvorteile verschaffen. Andere, wie Südkorea, Japan und Brasilien ziehen nach: Ein gefährlicher Wettlauf hat begonnen. Lösen werden die G20 das Problem in Seoul nicht, aber die Bundeskanzlerin liegt hier zumindest richtig mit ihrer Einschätzung, wenn sie sagt, dass Wechselkurse mittelfristig die fundamentalen Daten einer Volkswirtschaft widerspiegeln sollten. "Eine Politik, die auf Wechselkursverzerrungen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit abzielt, muss vermieden werden."

Frankreich, das den G20-Vorsitz von Südkorea übernimmt, will das Wechselkurs-Thema in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft stellen. Das Wichtigste für den Gipfel von Seoul aber ist vor allem eines: Die G20 müssen beweisen, dass sie noch immer an einem Strang ziehen – auch wenn es eine Krise war, die sie an einen Tisch gezwungen hat.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel