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Reformfrust in der Truppe

Nina Werkhäuser24. Juni 2013

Der Umbau der Bundeswehr bringt für die Soldaten große Belastungen mit sich. Eine neue Umfrage belegt, dass die Motivation in der Truppe stark gelitten hat.

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Soldaten eines Logistikbataillons, die in Afghanistan im Einsatz waren, bei einem Rückkehrerappell in der Clausewitz-Kaserne in Burg, Kreis Jerichower Land (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Alarmierend" nennt Professor Gerd Strohmeier die Ergebnisse einer Umfrage, die er in der Bundeswehr gemacht hat. Mehr als 2200 militärische und zivile Führungskräfte hat der Politikwissenschaftler von der Universität Chemnitz zu ihrer Berufszufriedenheit befragt. Sein Fazit: Der Umbau der Bundeswehr zu einer kleineren und kostengünstigeren Berufsarmee macht den Soldaten erkennbar zu schaffen.

"Die Motivation der Menschen in der Bundeswehr hat bisweilen dramatisch abgenommen", resümiert Strohmeier. Knapp die Hälfte der befragten Führungskräfte erklärte, dass der Umbau sich "negativ oder sehr negativ" auf ihre eigene Motivation auswirke. Seit einer vergleichbaren Umfrage vor einem Jahr habe sich die Stimmung weiter verschlechtert, bilanziert der Autor der Studie. Inzwischen seien nur noch knapp acht Prozent der Befragten der Ansicht, dass die Bundeswehrreform gut umgesetzt wird. Vor einem Jahr waren es noch doppelt so viele.

Kein attraktiver Arbeitgeber

Die Soldaten beklagen vor allem, dass sie Beruf und Familie schlecht vereinbaren können und keine Planungssicherheit haben. "Der Soldatenberuf an sich ist nicht familienfreundlich", kommentiert Oberst Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes und Auftraggeber der Umfrage. Die Soldaten erwarteten aber, dass die negativen Konsequenzen der häufigen Umzüge und Auslandseinsätze abgefedert werden. "Der Bundeswehr mangelt es an Attraktivität, dem Nachwuchs an Qualität", beschreibt Politikwissenschaftler Strohmeier den Zustand der Armee. Heutzutage würde nur noch jeder sechste Befragte Familienmitgliedern oder Freunden den Dienst in den Streitkräften empfehlen.

Die rasche Verkleinerung der Armee auf 185.000 Soldaten - derzeit sind es noch etwa 190.000 - bedeutet, dass Kasernen geschlossen und Truppenteile zusammengelegt werden. Parallel dazu laufen aufwändige Auslandseinsätze wie der in Afghanistan. Diese 2011 vom Bundesverteidigungsminister beschlossene "Neuausrichtung" führt in einzelnen Bereichen zu Defiziten. So fehlten etwa bei der Marine 800 Mannschaftssoldaten für den Dienst an Bord, beklagt der Bundeswehrverband. Für eine Übergangszeit während der Reform müssten 10.000 Soldaten zusätzlich eingestellt werden, fordert Oberst Kirsch. Viele Soldaten hielten die Bundeswehr jetzt schon für zu klein, um alle Aufgaben zu bewältigen.

Oberst Ulrich Kirsch, Foto: imago
Ulrich Kirsch, Vorsitzender des BundeswehrverbandesBild: Imago

Im Kabinett nur Nebensache

Nicht neu ist, dass die Soldaten sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Gemeint ist hier allerdings weniger das Verteidigungsministerium, als die Bundesregierung insgesamt, von der sich mehr als die Hälfte der Befragten nicht ausreichend unterstützt fühlen.

Es sei zu begrüßen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die Männer und Frauen im Auslandseinsatz besuche, so der Kommentar von Oberst Kirsch. "Ansonsten glaube ich nicht, dass die Bundeswehr oft ein Thema für sie in der täglichen politischen Arbeit ist." Die Bundeswehrreform gehöre aber noch einmal auf den Kabinettstisch, damit bei einzelnen Punkten nachgebessert werden könne. Eine grundlegende "Reform der Reform", so der Appell Kirschs, dürfe es aber nach der Bundestagswahl nicht geben - seit der Wiedervereinigung habe die Bundeswehr bereits sechs Reformen hinter sich gebracht.