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Reformversuch beim Emissionshandel

13. Februar 2017

Der europäische Handel mit Verschmutzungsrechten soll dem Klimaschutz helfen, aber das System funktioniert nicht. Nun soll es wieder einmal reformiert werden. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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RWE Braunkohlekraftwerk Neurath
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Klimaschutz trifft Marktwirtschaft - das klang wie ein Traumpaar. Als der europäische Emissionshandel 2005 an den Start ging, waren die Erwartungen groß - doch sie wurden enttäuscht.

Am Montag debattiert das Europaparlament über eine Reform des Systems, am Mittwoch stimmt es darüber ab. Ziel ist es, den Handel mit Verschmutzungsrechten nun endlich in Schwung bringen und die schädlichen Treibhausgase aus Fabriken und Kraftwerken eindämmen.

Emissionshandel - was ist das überhaupt?

Die Idee ist einfach: Wenn Firmen für die Verschmutzung der Luft bezahlen müssen, wird jeder vernünftige Betriebswirt versuchen, das zu vermeiden. Für jede Tonne ausgestoßenes Kohlendioxid brauchen Energieversorger und Industrie also ein Zertifikat. Die Gesamtmenge dieser  Verschmutzungsrechte wird von Behörden berechnet und zugeteilt. Die meisten Industriebranchen bekommen sie unter bestimmten Bedingungen gratis, während Energieversorger sie auf Auktionen kaufen müssen. Seit 2012 gibt es Emissionshandel auch für den Flugverkehr.

Wozu braucht man das?

Der Emissionshandel - nach dem englischen Namen auch ETS genannt - soll die Klimaziele der Europäischen Union erreichen helfen: eine Minderung der Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 und um 40 Prozent bis 2030, jeweils gemessen am Wert von 1990. Die Branchen, für die der Emissionshandel gilt, haben eigene Vorgaben. Sie müssen 2030 zusammen um 43 Prozent unter ihrem Ausstoß von 2005 liegen.

Das System wirkt zweifach für den Klimaschutz - zumindest in der Theorie: Die CO2-Preise sind Anreiz zum Investieren in saubere Technik, denn wer Verschmutzungszertifikate übrig hat, kann damit handeln. Und jedes Jahr schrumpft die Menge der ausgegebenen Verschmutzungsrechte. Weil ein Deckel drauf ist, heißt das System auch "Cap and Trade" (deutsch: Deckeln & Handeln).

Wieso funktioniert es bisher nicht?

Von Beginn an waren immer zu viele Verschmutzungsrechte auf dem Markt, so dass sie die meiste Zeit spottbillig waren und das System keinen Anreiz zu Investitionen gab. Immer wieder wurde nachjustiert, doch ohne große Wirkung. "Es gibt keinen politischen Willen, Knappheit entstehen zu lassen", sagt Juliette de Grandpré von der Umweltstiftung WWF.

Experten glauben, dass es sich erst ab einem Preis von 20 Euro aufwärts pro Tonne Kohlendioxid lohnt, schnell in grüne Technik zu investieren. Derzeit schwankt der Preis um fünf Euro, wie der Grünen-Europapolitiker Bas Eickhout sagt. Und selbst diese Marke werde nur erreicht, weil Spekulanten darauf setzten, dass die Zertifikate mit der Reform nun doch bald mehr wert werden.

Was soll sich ändern?

Eickhout und seine Mitstreiter im Umweltausschuss des Europaparlaments wollen die Verschmutzungsrechte in der Zeit zwischen 2021 und 2030 verknappen. So soll die Gesamtmenge rascher schrumpfen als bisher, nämlich um jährlich 2,4 Prozent statt zuletzt 1,74 Prozent. Und eine große Branche - die Zementhersteller - soll die Verschmutzungsrechte nicht mehr gratis bekommen, sondern kaufen müssen.

Viel Rauch um nichts - Wie der CO2-Emissionshandel verpufft

Die Begründung für die bisher kostenfreie Zuteilung - Nachteile im internationalen Wettbewerb - gilt aus Sicht der Reformer für diese Branche nicht, beziehungsweise sie lässt sich mit einem anderen Kniff abwenden, einer Steuer für Billigimporte.

Zementhersteller, Stahlwerke und andere kritisieren die Pläne. Aber der SPD-Politiker Jo Leinen ist überzeugt: "Die Funktionsfähigkeit des Emissionshandels wird mit den Vorschlägen des Parlaments wiederhergestellt."

Ist das die Lösung?

Nein, meint die Denkfabrik Agora Energiewende in Berlin. Die Pläne des Umweltausschusses "würden das Problem nicht im Ansatz lösen", sagt ihr Energieexperte Matthias Buck. Es blieben immer noch zu viele Zertifikate im System. Hinzu kommt: Im Parlament gab es bis zuletzt Vorstöße, die Pläne abzuschwächen. Und letzten Endes muss ein Kompromiss mit den Mitgliedstaaten gefunden werden, die eine noch mildere Reform wollen. "Eine echte Reform des ETS bekommen wir wohl erst in fünf Jahren", prognostiziert Buck.

Ist das eigentlich gut oder schlecht für Verbraucher?

Wenn Zementwerke ihre Verschmutzungsrechte kaufen müssten, würde das zum Beispiel den Bau eines Wohnhauses teurer machen - allerdings nach Berechnungen der Grünen nur um 0,2 Prozent. Von höheren Zertifikatepreisen würden dagegen deutsche Stromkunden kaum etwas spüren, erläutert Buck: Der jetzt sehr niedrige Großhandelspreis für Strom würde steigen, es würden so aber auch weniger Subventionen über die sogenannte EEG-Umlage für erneuerbare Energien fällig.


bea/hb (dpa)