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Regierung zwischen den Fronten

Barbara Wesel14. Juni 2016

Alles Schwierige für die Regierung in Paris und für die Sicherheitskräfte passiert im Moment gleichzeitig: EM-Randale, Polizistenmord, und dann noch Gewerkschaftsproteste. Barbara Wesel berichtet aus Paris.

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Polizisten hinter Rauchbombe (Foto: "Reuters/J. Naegelen)
Bild: Reuters/J. Naegelen

Es war ein Albtraumtag für die Regierung: ein Terroranschlag, die Fußball-EM, und wenn das alles noch nicht reichen würde, noch gewalttätige Ausschreitungen bei den Protesten gegen die Arbeitsgesetze. Die Sicherheitskräfte in Frankreich sind am Rande ihrer Möglichkeiten: Die Regierung kann nicht mehr tun.

Tränengas, splitterndes Glas, fliegende Steine: Die gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande der Gewerkschaftsdemonstration in Paris waren heftig, es gab mehr als 40 Verletzte, die meisten von ihnen Polizisten. Aber das war nur ein Schauplatz von Gewalt in Frankreich. Der andere lag etwa 50 Kilometer außerhalb in der kleinen Stadt Magnanville.

"Frankreich steht unter einer sehr großen terroristischen Bedrohung", sagte Präsident Francois Hollande, nachdem die Einzelheiten des Doppelmordes an zwei Polizisten bekannt geworden waren. Er sprach von einem feigen Akt des Terrors und zog den Bogen bis zu dem Massenmord in Orlando am Sonntag. Der Terror sei international. Was er nicht erwähnte, ist die Bedrohung der Fußball-EM in Frankreich. Die Regierung will die Besucher und die Bürger des Landes nicht mehr beunruhigen als unbedingt nötig.

Polizist legt Blumen ab (Foto: picture-alliance/AP Photo/T. Camus)
Ein Polizist legt Blumen für den ermordeten Kollegen abBild: picture-alliance/AP Photo/T. Camus

Der perfekte Sturm

Tatsächlich findet sich die französische Regierung zwischen mehreren Fronten: Die Mordattacke von Magnanville zeigt, dass die terroristische Bedrohung nach den Attentaten in Paris vom vorigen Jahr weiter besteht. Seitdem gilt im Land der Ausnahmezustand, aber alle Durchsuchungen, Verhöre und Überwachungsmaßnahmen gegen Terror-Sympathisanten konnten jetzt den Mord an zwei Polizeiangehörigen nicht verhindern.

Über 3500 Verdächtige sind inzwischen überprüft worden, sie alle werden in einer Terror-Datei geführt, und Larossi Aballa gehörte dazu. Er wurde sogar elektronisch überwacht, seit er nach einer früheren Haftstrafe wegen Rekrutierung von Dschihadisten für Afghanistan wieder frei war. Er muss das geahnt haben und gab der Polizei keine Hinweise auf seine Pläne. Es waren sogar neue Ermittlungen im Gange, weil Aballa verdächtigt wurde, Syrien-Kämpfer zu rekrutieren. Aber die Beweise reichten nicht - bis er in der Nacht zum Dienstag im Kugelhagel der Sondereinsatzkräfte starb.

Kritik an Sicherheitskräften

Der Fall zeigt, dass es gegen diese Art von Einzeltätern kein Mittel gibt. Hier geht die Strategie des IS auf, der seine Unterstützer dazu aufgerufen hat, Polizisten und Staatsbedienstete in Europa und den USA gezielt zu ermorden. Eine Liste mit weiteren Zielen, darunter Journalisten und Rap-Musiker, wurde bei Larossi Aballa gefunden.

Präsident Hollande wird von der konservativen Opposition wie von der Linken für seine Anti-Terrorstrategie kritisiert: Er tue nicht genug, und er tue das Falsche. Es gebe nicht genug Verhaftungen, und die Aussetzung von Bürgerrechten führe auch nicht zum Erfolg. Tatsächlich ist die Kritik überflüssig: Es zeigt sich in der Türkei, in den USA und weltweit, dass es keine wirkliche Sicherheit gegen "einsame Wölfe" gibt, die weiche Ziele angreifen.

Larossi Abballa (Foto: Reuters)
Der mutmaßliche Attentäter Larossi AbballaBild: Reuters

Die Polizei am Rande des Nervenzusammenbruchs

Polizeigewerkschafter Philippe Capon sagte im Gespräch mit der DW, dass seine Kollegen seit den Anschlägen gegen "Charlie Hebdo" im Januar 2015 am Rande der Belastbarkeit arbeiteten. Immer mehr Einsätze führten zu Übermüdung: "Wir sind ständig in Alarmbereitschaft und stehen wirklich unter Stress." Und darüber hinaus wird die Polizei kritisiert: Sie habe sowohl gegenüber Fußball-Hooligans als auch gegenüber politischen Demonstranten zu hart durchgegriffen, sei zu schnell mit Tränengas und Schlagstock dabei. Vorbei die Solidaritätsbekundungen nach dem Attentat im Bataclan.

Bei der Demonstration am Nachmittag in Paris gegen die Reform der Arbeitsgesetze aber kamen Zweifel auf: Der Trupp vermummter Provokateure, die von der Spitze des Zuges aus Steine und Flaschen auf Polizisten warfen und Scheiben zertrümmerten, hatte sich wohl nicht zufällig gesammelt. Und die linke Gewerkschaft CGT tat nichts, um die Gewalt aus den Reihen des eigenen Zuges zu verhindern.

Regierung ohne Spielraum

Präsident Hollande hat keinen Spielraum, weder politisch, noch bei der Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen. Er hat bereits 100.000 Polizisten, Soldaten und private Kräfte im Einsatz. Mehr kann der Staat nicht aufbieten. Am Abend wurde aus Rennes eine weitere Messerattacke gegen eine Frau gemeldet, angeblich wollte der Täter für den "Ramadan" töten.

Der Streikaufruf an diesem Tag wurde nur von einer winzigen Minderheit befolgt, aber linke Gewerkschaften versuchen weiter, den sozialistischen Präsidenten mit ihren Aktionen in die Knie zu zwingen. Francois Hollande steht unter enormem Druck und mit ihm sein ganzes Land.