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Neo Rauch

19. April 2010

Neo Rauch zählt zu den bedeutendsten und meistdiskutierten Malern der Gegenwart. Und er gilt als wichtiger Vertreter deutscher Kunst im Ausland. Zu seinem 50. Geburtstag feiern ihn nun gleich zwei Ausstellungen.

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Neo Rauch vor 'Morgenrot' (Foto: AP)
Rauch vor seinem Bild "Morgenrot"Bild: AP

Eine bügelnde Hausfrau kann man als Rührstück malen, natürlich. Wenn in dem Bild aber die ganze Dämonie des 20. Jahrhunderts aufscheint, dann handelt es sich mit allergrößter Wahrscheinlichkeit um ein Werk von Neo Rauch.

Virtuos figürlich

Neo Rauch sei ein Streiter in Bild und Wort für die figürliche Malerei und strafe all die Lügen, die wiederkehrend seit den 50er Jahren liturgisch behaupten, die Malerei sei am Ende, sagt Hans-Werner Schmidt, Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig. Seit gut zehn Jahren kennt er Neo Rauch persönlich, mindestens ebenso lange schätzt er dessen Werk. Das Werk des Mannes, der den Namen seiner Heimatstadt Leipzig in allen Kunstszenen dieser Welt bekannt gemacht hat und der als einer der ganz Großen seiner Zunft gilt.

Neo Rauch, Die Fuge, 2007 (Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2010)
Bild: VG Bild-Kunst Bonn, 2010

Seine große Qualität sei es eben, so Hans-Werner Schmidt, "dass er dem Rätselhaften wieder zu seinem Recht verhilft. Aber nicht, indem er verunklärt, sondern indem er dem Rätselhaften eine kommunikative Potenz gibt. Es ist ein großes Mythentheater, mit vielen Segmenten auch von Tagespolitik, das in diesen Bühneninszenierungen collagehaft zusammenwirkt".

Unheimlich, verstörend, chaotisch

Das geschieht auf eine unverwechselbare, einzigartige Weise: Tatsächlich erkennt man Neo Rauchs Bilder nämlich sofort – ihre bedrohlichen Traumsequenzen, die biedermeierlichen Kostüme der weltverlorenen Menschen, die Ungeheuer und zum Leben erwachten Gegenstände in sonderbaren, surreal trüben Landschaften, die altmeisterlichen Anleihen und die Zitate aus dem sozialistischen Realismus, die Comicschnipsel und verdichteten Erzählfetzen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Erklären, sagt Neo Rauch, sollen diese überbordend reichen Bilder nichts, sondern vielmehr "große Momente des Staunens" auslösen.

Neo Rauch, Fluchtversuch, 2008 (Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2010)
Bild: VG Bild-Kunst Bonn, 2010

Ihm sei, sagt der Künstler, freilich der Betrachter am liebsten, "der nicht unbedingt Kopfstand vor meinem Bild macht, aber der es als das annimmt, was es von mir aus in erster Linie sein soll: nämlich als ein dicht gewebtes Komprimat sinnlicher, die Sinne berührender Strukturen. Und wenn man sich dann noch länger damit auseinandersetzt, dann kommt man vielleicht noch einer Erzählung auf die Spur".

Leipziger Schüler

Bernhard Heisig und Werner Tübke zählten zu den ersten, denen das Etikett ‚Leipziger Schule‘ angeheftet wurde. Einer ihrer Nachkommen ist Neo Rauch. Und so wie diese Künstler ging auch er an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst den Weg vom Studenten zum Assistenten zum Professor.

Expressiv-abstrakt hat er zunächst gemalt, Anfang der neunziger Jahre konzentrierte er sich dann auf flächige Kompositionen. Etwa ab 1996 entwickelte Rauch schließlich jene surreal verdichteten Collagen, die ihm Weltruhm bescherten. Anfangs malte er sie noch in Reaktion auf die schrille Buntheit der westlichen Welt in verwaschenen, ausgelaugten Farben, in den letzten Jahren zunehmend in dramatisch düsteren Erdtönen.

Neo Rauch, Ausschüttung, 2009 (Foto: VG Bild-Kunst Bonn, 2010)
Bild: VG Bild-Kunst Bonn, 2010

Die Dinge, die ihn wahrscheinlich genauso wie jeden anderen auch berühren und peinigen, die halte er solange auf Distanz, wie es irgend geht, sagt Neo Rauch. "Das hat zur Folge, dass die Dinge dann, wenn sie ihren ersten Schockimpuls abgestreift haben, eigentlich erst verarbeitbar sind. Wenn sie nicht mehr zittern, dann kann ich mich ihnen zuwenden. Beziehungsweise sie kommen dann, ohne dass ich es geplant hätte, plötzlich auf die Leinwand".

Bilder, viele Bilder

Die Welt, die Rauch dergestalt spiegelt, ist geprägt von tiefer Einsamkeit und allgegenwärtigen Bedrohungen. Sie ist ein einziger, wiederkehrender Alptraum mit vielen konstanten Themen und Motiven. Auch das verdeutlicht die Leipziger Ausstellung. Wer, davon aufgewühlt und verwirrt, den ganzen Rauch sehen möchte, muss sodann nach München reisen, in die neue Pinakothek und zu 60 weiteren zumeist großformatigen Arbeiten, die noble Privatsammler nun vorübergehend öffentlich machen.

Autorin: Silke Bartlick

Redaktion: Conny Paul