1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Konsumdenken adé!

21. Februar 2012

Wenn die Menschheit das 21. Jahrhundert meistern will, braucht sie eine neue Definition von Lebensqualität: Nachhaltigkeit statt Konsum und Wirtschaftswachstum.

https://p.dw.com/p/13w1F
Einkaufszentrum MyZeil in Frankfurt ( Foto: Boris Roessler dpa/lhe)
Bild: picture-alliance/dpa

Meldungen über Staats-, Firmen- und Privatpleiten gehören in der heutigen Wirtschaftkrise zum Alltag. Die Medien berichten, die Börsen spekulieren, die Bürger sind verunsichert. Die globale Pleite wird jedoch kaum beachtet. Ökologisch gesehen leben wir schon seit Mitte der Siebzigerjahre auf Pump.

Welterschöpfungstag

Die NGO Footprint Network errechnet jedes Jahr den "Welterschöpfungstag", den Tag an dem wir als Menschheit die natürlichen Ressourcen verbraucht haben, die die Natur in einem Jahr regenerieren kann. 2011 fiel der Tag auf den 27. September, für Deutschland war die Kapazität jedoch bereits am 15. Mai erschöpft.

Umweltaktivisten des WWF (World Wildlife Fund) wiegen am Freitag (30.05.2008) in Bonn am Rande der UN-Naturschutzkonferenz symbolisch die Erdkugel ab. (Foto: dpa)
Ein Planet reicht nicht, wenn alle Menschen nach westlichen Standards leben wollenBild: AP

Denn in Deutschland wie in anderen reichen Industrieländern übersteigt der Konsum bei weitem die eigene Kapazität  – und die Kapazität der Erde insgesamt. Ein Fünftel der Erdbevölkerung verbraucht 80 Prozent der weltweit produzierten Güter und ökologischen Dienstleistungen – nämlich jene 1,4 Milliarden Menschen, die in den reichsten Ländern leben. Hätten alle sieben Milliarden Erdenbürger den gleichen Konsumstandard, bräuchten wir fünf bis sechs Planeten.

Konsum als Entwicklungsmodell

So viele haben wir nicht, doch wir können unseren Lebensstil ändern, wir können unsere Idee von Lebensqualität ändern. "In den reichen Ländern wird Glück und materieller Wohlstand meist gleichgestellt“, sagt Jürgen Meier, Leiter des Forums Umwelt und Entwicklung. Doch Zweit-Auto, Eigenheim und Rekordkonsum machen nicht glücklich, sondern erzeugen nur noch mehr Druck auf den Einzelnen.

Stressbedingte Krankheiten wie Depressionen, Selbstmorde oder Herz-Kreislauf-Leiden sind das Ergebnis des alltäglichen Hamsterrads – mit immensen finanziellen Folgen auch für die Gesundheitssysteme. Um einen vermeintlich glücklich machenden materiellen Lebensstandard zu erreichen, wird immer mehr gearbeitet. Nicht nur auf Kosten der Einzelnen, sondern auch auf Kosten der Umwelt und der Menschen, die in Billiglohnländern für das preiswerte Sonderangebot in den Läden des Nordens schuften müssen

Globale Medienvorbilder

Auch die Medien tragen zu den heutigen Konsummustern bei, so Jürgen Meier. "Das ist ja fast schon Gehirnwäsche, was in TV-Serien und all den Hollywood-Schnulzen gezeigt wird“, beschreibt er die globalen Vorbilder, die durch Film, Fernsehen und Internet bis in das letzte Dorf drängen. Dort wird dann der schnelle Konsum vorgelebt – und als Entwicklungsvorbild propagiert.

Symbolbild zum Thema Schleichwerbung verschiedener Marken in Hollywoodfilmen Montage: Charlotte Jaekel
Hollywood-Filme heizen den Konsum an, sagt Jürgen Meier vom Forum Umwelt und EntwicklungBild: AP/Montage DW

Denn Entwicklung wird bis heute immer noch über Bruttosozialprodukt gemessen. Je höher das Pro-Kopf-Einkommen, je größer der materielle Lebensstandard, umso größer der Entwicklungsstand. Es gibt Ansätze diese Definition von Entwicklung zu ändern. So arbeitet auch die OECD – die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – an einer neuen Entwicklungsdefinition, bei der nicht nur Wirtschaftswachstum sondern auch die soziale Zufriedenheit und die Lebensqualität der Bürger mit berücksichtigt werden soll.

Systemfehler

"Im Grunde genommen geht die heutige Definition von Entwicklung auf den damaligen Weltbank-Präsidenten Robert McNamara zurück“, betont Vandana Shiva, Mitglied im Club of Rome und im Weltzukunftsrat. "Er hat damals zwei Definitionen von Entwicklung geprägt. Zum einen propagierte er den Lebensstil der westlichen Industriegesellschaften als Ziel von Entwicklung, und zum anderen definitiert er Geld als Maßstab für Entwicklung“, sagt die indische Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin. Das habe letztendlich zu dem heutigen Weltwirtschaftssystem geführt, fügt sie hinzu.

vandana shiva - indische Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, MItglied im Club of Rome und im World Future Council. Aufname: Helle Jeppesen für DW, Aufnahmeort: 3. Bonner Entwicklungskonferenz, Bonn, Aufnahmedatum: 31.01.2012
Konsum wird gleich Entwicklung gesetzt, kritisiert die Preisträgerin der alternativen Nobelpreis, Vandana ShivaBild: DW

Ein System, das eindeutig nicht funktioniert. Das zeige auch die jetzige Wirtschaftskrise, pflichtet Mohan Munasinghe bei. Der indische Physiker und Wirtschaftswissenschaftler hat lange bei der Weltbank gearbeitet. "Die jetzige Krise zeigt jedoch, dass die sogenannten reichen Länder überhaupt nicht nachhaltig sind. Weder wirtschaftlich noch ökologisch – und zum Teil auch nicht sozial“, betont der Gründer des nach ihm benannten Munasinghe Institut für Entwicklung. Neue Entwicklungsvorbilder sind erst im Entstehen und es ist wichtig, dass diese vielfältig sind. Es darf, so Munasinghe, kein Einheitsmodell geben: "Die Lösungen für die reichen Länder werden anders sein, als die Lösungen für die armen Länder. Auch die sogenannten Schwellenländer müssen eigene Lösungen finden, um auf den Pfad der Nachhaltigkeit zu kommen“, betont er und fügt hinzu: "In diesem Sinne sind wir alle Entwicklungsländer“.

Autorin: Helle Jeppesen
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning