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Reichtums-Olympiade

Konstantin Klein20. Juni 2002

Ohne Volkszählung, ohne Statistik wäre der Lieblingssport amerikanischer Lokalpolitiker nicht möglich: die Reichtums-Olympiade. DW-Korrespondent Konstantin Klein berichtet aus gebührender Entfernung.

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Sportsgeist hin oder her, für wirklich Ehrgeizige gibt es nichts Schlimmeres als den zweiten Platz. Die Silbermedaille. Die Position auf dem Siegertreppchen, von der aus man nach oben gucken muß, um dem Nebenmann ins Gesicht zu sehen.

So gesehen, hält sich Fairfax County, der westliche Nachbarlandkreis der US-Hauptstadt Washington, ganz tapfer. Nach der letzten Erhebung des US Census Bureau muß Fairfax nach Jahren ganz oben den Status als reichstes County der USA abgeben - ausgerechnet an Douglas, einer Gegend mitten im bergigen Nirgendwo in Colorado, einer Gegend, die noch 1950 offiziell zum Wilden, weil so gut wie unbesiedelten Westen gehörte.

Doch Robert E. Lang, Chef der Stadtentwicklungsforschung an Virginia Tech, einer technischen Hochschule in Fairfax County - wo auch sonst? - verweist darauf, dass das County seinen Status halten konnte, obwohl doch Einwanderer mit geringem Einkommen die Mehrheit der Zuzügler darstellten.

Und er schluckt dabei nur ganz unmerklich. Der Status des immerhin zweitreichsten Landkreises der reichsten Industrienation der Erde ist zwiespältig. Einerseits hat er durchaus etwas mit der Lebensqualität zu tun - und die ist im Großraum Washington anerkanntermaßen eine der besten im Lande. Er wirkt sich außerdem auf den Immobilienmarkt aus - schlecht für Mieter und Haus-Käufer, gut für die, die schon ein Haus haben.

Andererseits läßt es sich nur schwer erklären, daß auch in Fairfax County öffentliche Schulen ihren Unterricht zum Teil in Containern abhalten müssen, weil das Geld für die Erweiterung des Schulhauses fehlt. Zusammen mit seinen Nachbarlandkreisen sorgt Fairfax dafür, dass der Großraum Washington der viertreichste Ballungsraum der USA ist.

Die morgendliche Fahrt zur Arbeit dauert durchschnittlich 33 Minuten; noch schlimmer - sprich: beeindruckender - ist es nur in New York, wo man im Schnitt 39 Minuten unterwegs ist. Und noch etwas: 18 Prozent der Wohnhäuser im County haben neun Zimmer oder mehr; großzügiger geht es nur in Salt Lake City zu.

Städteforscher Lang verweist darauf, daß im Mormonenstaat trotz der Abschaffung der Vielweiberei im 19. Jahrhundert die Großfamilie dort populärer ist als in der Hauptstadt: "Die haben die Zimmer für die Kinder, wir für unsere Hobbies."

Politisch teilen sich die USA aus der Sicht vieler ihrer Bürger in zwei Teile ein - in alles innerhalb der Washingtoner Ringautobahn und in den großen Rest. Die innerhalb des Beltway - so heißt es oft - haben vom wirklichen Leben keine Ahnung. Und der Beltway führt mitten durch Fairfax County.