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Obamas Lehrreise

Peter Philipp22. Juli 2008

Im Nahen Osten lernt Barack Obama die harte Realität kennen: Sein Abzugsplan für Irak ist nicht haltbar. Und: Der Nahostkonflikt lässt sich nicht mit beruhigenden Worten für Israel lösen. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Bild: DW

Bei seiner Reise durch den Nahen und Mittleren Osten dürfte Barack Obama eingeholt werden von den Realitäten dieser Region und es dürfte ihm dabei kaum anders gehen als all jenen, die aus sicherer Entfernung – vom Ort des Geschehens wie von der Verantwortung für die Politik dort – schnell griffige Urteile fällen, um dann festzustellen, dass die Wirklichkeit doch etwas anders ist.

Ablenkungsmanöver Afghanistan

So geschehen mit der Ankündigung Obamas, er werde die amerikanischen Truppen aus dem Irak abziehen. Ein populärer Spruch gegenüber Wählern, die nicht mehr bereit sind zu neuen Einsätzen im Zweistromland. Gleichwohl musste Obama aber wohl schon vor seiner Ankunft in Bagdad feststellen, dass die USA sich nicht einfach aus der Region zurückziehen können, ohne sie in einen noch größeren Scherbenhaufen zu verwandeln und ohne dabei den letzten Rest außenpolitischen Prestiges in der Welt zu verlieren.

Peter Philipp
Peter Philipp

So entstand die Idee, Truppen aus dem heute ruhigeren Irak nach Afghanistan zu verlegen, um dort den "Job zu beenden" – die Taliban und ihre Verbündete von "Al Qaida" zu besiegen, notfalls ohne Rücksicht darauf, dass der Krieg hierbei sogar nach Pakistan hineingetragen werden könnte. Und ohne auch nur die geringste Gewissheit, dass dieser "Job" überhaupt erfolgreich zu Ende geführt werden kann.

Schneller Abzug bleibt umstritten

Und für den Irak wartete Obama mit der Formel auf, die Truppen binnen 16 Monaten abzuziehen: Es ist unbekannt, wer ihm dies als realistische Möglichkeit beschrieben hat. Die US-Militärs, die in Bagdad und anderswo im Irak das Kommando führen, waren das jedenfalls nicht. Sie sind zwar zufrieden damit, dass die "Surge" – die Truppenverstärkung vom letzten Jahr – den erwarteten Erfolg hatte und die Sicherheitslage sich im Irak erheblich gebessert hat. Obwohl sie von "gut" immer noch weit entfernt ist.

Die amerikanischen Kommandeure warnen vor einer Festsetzung von Abzugsterminen. Solches komme einer Einladung zu weiteren Kämpfen und neuer Eskalation gleich und die Supermacht stehe dann vor der misslichen Entscheidung: Zu bleiben und weiter zu kämpfen oder zu gehen und sich den Ruf des Verlierers einzuhandeln. Eine Erfahrung, wie Israel sie im Südlibanon und auch im Gazastreifen hatte machen müssen.

Fristen stacheln zu neuer Gewalt an

Wichtiger aber noch: Selbst die irakische Regierung ist nicht begeistert von der Festsetzung einer Frist. Ministerpräsident al-Maliki möchte seinem Volk zwar die Perspektive auf einen baldigen Abzug der Amerikaner geben – schon allein wegen der später im Jahr anstehenden Wahlen – aber er weiß, dass ein vorschneller Abzug auch das bisschen Normalität zunichte machen dürfte, an das der Irak sich in letzter Zeit zu gewöhnen begonnen hatte.

Kaum anders dürfte das Ergebnis des Besuches von Obama in Israel und bei den Palästinensern ausfallen. Natürlich hat der Senator aus Illinois sich bisher für eine gerechte Lösung des Nahostkonflikts ausgesprochen, ein Rezept hierfür hat er aber ebenso wenig anzubieten gehabt wie der Amtsinhaber im Weißen Haus, George W. Bush. Und natürlich wird Obama in Israel viele "nette Dinge" zu Israels Sicherheitsbelangen sagen und damit zwar so manche jüdische Wählerstimme daheim gewinnen, in Ramallah und Gaza aber Skepsis und Frustration verstärken.

Wenig Hoffnung für die Palästinenser

Befragt nach den Unterschiedenen zwischen zwei israelischen Bewerbern um das Amt des Ministerpräsidenten befand der ehemalige Palästinenserführer Yasser Arafat einmal, dies sei "ein Unterschied wie zwischen Coca-Cola und Pepsi-Cola". Wenn die Palästinenser an die Präsidentschaftswahlen in den USA denken, dann kommen ihnen sicher ähnliche Vergleiche: Kein Kandidat wird bereit sein, eine kritischere Haltung gegenüber Israel einzunehmen, erst recht nicht eine Regelung des Konflikts zu befürworten, die nicht voll und ganz mit Israel abgeklärt wäre. Ist sie das aber, dann kann sie kaum auf die Interessen und Rechte der Palästinenser in einem von diesen erhoffte Masse eingehen.

Schließlich trägt auch der zeitliche Ablauf einer amerikanischen Präsidentschaftswahl zum wachsenden Unbehagen in der Region bei: In den letzten Monaten vor der Wahl und in den ersten danach sind erfahrungsgemäß keine größeren außenpolitischen Schritte aus Washington zu erwarten. Dieser Regel fällt der Vorsatz Bushs aus Annapolis zum Opfer, noch dieses Jahr eine Einigung zwischen Israel und dem Palästinensern herbeizuführen und sie wird nun wohl auch dazu führen, dass Israel weiter unbekümmert Fakten am Boden schafft, die sich mit einer Friedensregelung nicht vereinbaren lassen.

Obama – ein Wackelkandidat?

Israel dürfte dabei kaum Präferenzen haben für den nächsten US-Präsidenten: Beide werden ihm wohl gesonnen sein. Umgekehrt, aber trotzdem ähnlich bei den Arabern: Wer auch immer gewählt wird – keiner wird plötzlich einen pro-arabischen Kurs einschlagen. Und nicht ohne Zynismus meinen manche, McCain wäre vielleicht besser, weil man bei diesem wisse, wofür er steht. Bei Obama hingegen ist das weiterhin mehr als ungewiss. Seine Reise durch den Nahen Osten bestätigt diesen Verdacht.

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