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Job-Speed-Dating

1. Juli 2010

Speed-Dating ist eigentlich etwas für einsame Herzen: In möglichst kurzer Zeit lernt man möglichst viele potenzielle Partner kennen. Doch neuerdings gibt es auch ein Job-Speed-Dating.

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Eine Bewerbungsmappe (Foto: BilderBox)
Auch die schönste schriftliche Bewerbung ersetzt nicht den persönlichen EindruckBild: BilderBox

Um Liebe geht es bei diesem Dating zwar nicht. Aber vielleicht doch um eine Entscheidung fürs Leben? "Im Grunde sucht man hier ja auch einen Partner, einen Arbeitspartner", sagt Jessica. 35 Jahre ist sie alt, seit vier Jahren arbeitslos. Einzelhandelskauffrau hat sie gelernt, und in diesem Beruf würde sie gerne wieder arbeiten. Das Job-Speed-Dating könnte ihre Chance sein.

Vorstellungsgespräche im Schnelldurchlauf

Wie Hunderte andere Langzeitarbeitslose ist Jessica in die historische Stadthalle nach Wuppertal gekommen. Auf der Bühne sorgt ein Pianist am schwarzen Flügel für Hintergrundmusik. An 44 Tischen sitzen Arbeitgeber aus der Region, sie haben 370 freie Stellen mitgebracht. "Es sind vor allem Pflegeberufe und Angebote bei Zeitarbeitsfirmen", sagt Jessica enttäuscht. "Ich hoffe, dass für mich trotzdem etwas dabei ist."

Job-Speed-Dating in Wuppertal, im Hintergrund ist eine große Uhr eingeblendet (Foto: DW/Monika Dittrich)
Die Uhr tickt...Bild: DW

Zehn Minuten hat sie jeweils Zeit, sich den Arbeitgebern vorzustellen, ihnen zu erklären, was sie kann und was sie möchte. Das ist die Regel beim Job-Speed-Dating: Ein Gong ertönt jeweils am Anfang und am Ende der Gesprächsrunde, auf einer Leinwand am Ende des Saals ist zusätzlich eine große Uhr abgebildet.

Der Gong ertönt, dann geht es zur Sache

"Viel Zeit ist das ja nicht", seufzt Jessica skeptisch. Sie hat sich schick gemacht für diesen Tag: schwarzer Hosenanzug, weiße Bluse, die blonden Haare zum Zopf gebunden. Sie will es jetzt mal bei den freundlichen Herren von Lidl versuchen. Der Lebensmittel-Discounter sucht Verkäuferinnen.

Der Gong ertönt, Jessica setzt sich an den Lidl-Tisch, dann geht es los. "Wie stellen Sie sich Ihre Tätigkeit bei Lidl denn vor?", fragt einer der beiden Verkaufsleiter und kommt damit gleich zur Sache. "Naja", sagt Jessica leise, "wahrscheinlich Ware bestellen, kassieren und Kundenberatung."

Der Lidl-Mann: "Wir sind ein Discounter, das ist ehrlich gesagt kein besonders beratungsintensives Geschäft."

Jessica sitzt jetzt ganz aufrecht auf ihrem Stuhl, die Handtasche auf dem Schoß hält sie mit beiden Händen fest. Auf die Frage nach ihren Stärken fällt ihr schon viel mehr ein: "Ich bin ruhig und gelassen, belastbar bin ich auch und kundenorientiert." Der Verkaufsleiter nickt zufrieden. "Und was können Sie nicht so gut?" Jessica überlegt, darüber hat sie sich noch keine Gedanken gemacht. "Ich traue mir alles zu", sagt sie freundlich.

Arbeitgeber lernen viele Bewerber auf einmal kennen

Der Gong ertönt ein weiteres Mal. "Die Zeit ist um, bitte wechseln Sie den Gesprächspartner", sagt die Moderatorin auf der Bühne. Jessica steht auf, der Verkaufsleiter von Lidl begrüßt schon den nächsten Bewerber. Das Gespräch fand sie gar nicht so schlecht, obwohl alles so schnell ging. Den Job hätte sie gern. "Im Einzelhandel kenne ich mich aus", sagt sie.

Porträt von Andreas Kletzander von der ARGE in Wuppertal (Foto: DW/Monika Dittrich)
Andreas Kletzander hat das Job-Speed-Dating organisiertBild: DW

Zu dem Job-Speed-Dating hat die ARGE in Wuppertal eingeladen - so heißen in Deutschland die Jobcenter, die von Kommune und Arbeitsagentur getragen werden und die sich um die Langzeitarbeitslosen kümmern, die sogenannten Hartz-Vier-Empfänger. Das Job-Speed-Dating sei eine unkonventionelle Methode, um Arbeitgeber und Arbeitssuchende zusammenzubringen, sagt Andreas Kletzander von der ARGE in Wuppertal. "Gerade die Langzeitarbeitslosen werden oftmals erst gar nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen, vielleicht weil in ihrem Lebenslauf oder in den Zeugnissen etwas nicht stimmt", so Kletzander. Das Job-Speed-Dating biete ihnen einen riesigen Vorteil: "Hier können sie direkt mit ihrer Persönlichkeit und mit ihrer Tatkraft überzeugen."

100 Einstellungen nach dem Speed-Dating

Auch die Arbeitgeber hätten das Konzept dankbar angenommen. "Gerade kleine Betriebe haben nicht die Zeit für umfangreiche Bewerbungsverfahren." Beim Job-Speed-Dating könnten sie in kurzer Zeit viele Bewerber auf einmal kennen lernen. Gelingt der erste Kontakt, dann soll es weitere, vertiefende Vorstellungsgespräche geben.

Am Ende der Veranstaltung ist Andreas Kletzander zufrieden: Es seien bereits zahlreiche Folgegespräche vereinbart worden. "Ich rechne mit etwa einhundert Einstellungen in Folge des Speed-Datings."

Auch Jessica hat mehrere Gespräche mit Arbeitgebern geführt, einige wollen sie wiedersehen. Vielleicht hat sie heute ja ihren Arbeitspartner fürs Leben gefunden.

Autorin: Monika Dittrich
Redaktion: Rolf Wenkel