1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Und dann Hartz IV

9. Februar 2010

Fordern und Fördern - das ist der Kern der Arbeitsmarktreform mit dem Namen "Hartz IV". Arbeitslose sollen seit fünf Jahren jeden Job annehmen, der ihnen angeboten wird. Doch oft sind diese Angebote rar. Eine Reportage.

https://p.dw.com/p/H19x
Agentur für Arbeit (FOTO: AP)
Eine Nummer ziehen und warten - Alltag für ArbeitsloseBild: AP

"Naja, ich habe das Haus verloren. Das war natürlich keine schöne Zeit - ganz klar." Sechs Jahre ist es her, dass Heinz Dämendorf arbeitslos wurde. Seitdem hat er keinen Job mehr gefunden. Jetzt steht er einmal mehr vor der Agentur für Arbeit in Bonn. Er hat sich beinahe daran gewöhnt.

Mit 14 Jahren begann er seine Lehre zum Dreher im Maschinenbau. Es folgten Ausbildungen zum Berufskraftfahrer und zum Großkaufmann. So wollte er raus aus den "Kettenverträgen", wie er sagt. "Zeitverträge, immer nur zwei Jahre, dann wieder die Kündigung." Als Großkaufmann hoffte der heute 50-Jährige auf Arbeit in einer Verwaltung. Buchhaltung, die kann man doch auch im fortgeschrittenen Alter noch gut machen, dachte sich Dämendorf.

Erst der Tumor, dann die Arbeitslosigkeit

Auf einem Schild steht: Arbeitslosengeld II 2. Etage Wartezone. Im Hintergrund sitzen einige Wartende (Foto: AP)
Agentur für Arbeit: Die Flure füllen sich wiederBild: AP

"Die Ausbildung habe ich 2003 abgeschlossen. Dann wurde ich krank, bekam einen Tumor, der herausoperiert werden musste." Der Tumor hatte die Milz und auch die Bauchspeicheldrüse angegriffen. "Seitdem kann ich im gewerblichen Bereich nicht mehr arbeiten", sagt Dämendorf mit ruhiger Stimme. So wurde der frischgebackene Großkaufmann arbeitslos.

32 Jahre lang hatte er sich sein Geld selbst verdient, plötzlich war er auf andere angewiesen, auf den Staat. "Man ist über 50 Jahre alt, hat keine kaufmännischen Erfahrungen, dann noch die Krankheit. So bin ich halt in Hartz IV gelandet."

Heinz Dämendorf wirkt frustriert. Zu viele Rückschläge musste er in den letzten Jahren hinnehmen. Zuletzt hatte ihn die Agentur für Arbeit an ein Callcenter-Unternehmen vermittelt, doch da musste er nach zwei Wochen aufgeben. Schichtarbeit ist nach der Tumor-Operation für ihn zu anstrengend. "Ich schaff das einfach nicht mehr", sagt er. Eine Erkenntnis, die ihn selbst schockt. Für ihn noch schlimmer: Die Agentur für Arbeit möchte einen Nachweis für den Job-Abbruch haben. Er muss sich beim Gesundheitsamt durchchecken lassen. Dämendorf fühlt sich schlecht behandelt - wie ein Sozial-Schmarotzer. "Das kann einfach nicht so weitergehen, dass man die Leute bestraft. Es ist ja nicht so, dass man nicht arbeiten will. Man bekommt aber eben einfach nichts."

"Ich habe keine Erwartungen mehr"

Am liebsten würde der Bonner im kaufmännischen Bereich arbeiten, aber darauf wagt er nicht einmal mehr zu hoffen. "Dafür bin ich viel zu lange aus dem Job raus. Da haben sich schon viel zu viele Sachen wieder geändert. Da müsste ich einen neuen Auffrischungskursus machen, aber das wird ja bei Hartz IV alles nicht mehr bezahlt."

Sprüche wie: "Wer wirklich arbeiten will, der findet auch was", kann Dämendorf nicht mehr hören. Zu viel hat er schon versucht. "Wenn die Politiker Arbeit für mich haben, dann sollen sie die mir ruhig geben", lacht er laut auf. "Wenn es gesundheitlich geht, mache ich alles. Ich war immer schon flexibel. Jetzt zwingt mich die Krankheit halt in gewisse Bahnen."

Optimistisch, einen Job zu finden, ist Dämendorf schon lange nicht mehr. Jetzt kommt die Wirtschaftskrise hinzu. Der Arbeitsmarkt wird noch enger. Es wird gekündigt statt eingestellt. "Fürchten Sie, dass es jetzt noch schwieriger wird?" Dämendorf runzelt die Stirn: "Naja, wissen Sie, seit 2003 habe ich fast 1000 Bewerbungen geschrieben. Irgendwann nehmen sie einfach nur noch alles so hin. Von daher kann man auch nicht mehr enttäuscht werden. Ich habe keine Erwartungen mehr, ob da jetzt eine Finanzkrise ist oder nicht."

Autor: Benjamin Wüst
Redaktion: Manfred Götzke