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Obama und Moskau

19. Januar 2010

Bessere Beziehungen zu Russland waren ein erklärtes Ziel von US-Präsident Barack Obama bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr. Doch seine Russlandpolitik basiert auf einem fehlerhaften Gedanken, meint Ingo Mannteufel.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Vieles wollte US-Präsident Barack Obama verbessern - auch das Verhältnis zu Russland. Zwar sind die Zeiten schon lange vorbei, in denen das russisch-amerikanische Verhältnis die Weltpolitik prägte. Die Beziehung zu Moskau gehört mittlerweile noch nicht einmal mehr zu den wichtigsten Aspekten der US-Außenpolitik. Der Kampf gegen den Terrorismus, die Konflikte in Afghanistan und im Irak, die Verhinderung einer iranischen oder nordkoreanischen Atombombe und die Zusammenarbeit mit China und der Europäischen Union zur Lösung der globalen Wirtschaftskrise sind von größerer Bedeutung.

Porträtfoto Ingo Mannteufel (Foto: DW)

Dennoch ist das Verhältnis zum früheren Rivalen im Kalten Krieg nicht bedeutungslos, zumal die USA und Russland immer noch die beiden größten Atommächte sind und gemeinsam mehr als 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen besitzen. Für Obama, der sich für eine atomwaffenfreie Welt stark macht und allein für diesen Vorschlag schon mal den Friedensnobelpreis bekommen hat, sollten daher die Beziehungen zum Kreml wichtig sein.

Zudem spielt Moskau bei den genannten Problemfeldern der US-Außenpolitik eine wichtige funktionale Rolle: Denn Russland ist immer noch stark und einflussreich genug, um die US-Außenpolitik an entscheidenden Stellen zu behindern. Obama wollte daher mit einem einfachen Reset die Beziehungen zu Moskau verbessern.

Kein neuer START-Vertrag

Doch dieser versuchte Neustart hat nach einem Jahr keinen Wandel gebracht. Weder sind wirklich bessere Beziehungen zu erkennen, noch haben sich kleinere amerikanische Zugeständnisse - wie die Abkehr vom Raketenschild in Osteuropa - ausgezahlt, um zu einem neuen START-Abkommen zur Reduzierung des strategischen Atomwaffenarsenals der beiden Länder zu kommen. Der alte START-Vertrag ist stattdessen im vergangenen Dezember ausgelaufen. Und das obwohl die beiden Präsidenten Obama und Medwedew den Nachfolgevertrag mit großen Fanfaren angekündigt hatten.

Die Reset-Politik ist nicht nur misslungen, weil die US-Diplomaten beim ersten Treffen von US-Außenministerin Hilary Clinton mit dem russischen Außenminister Lawrow die falsche russische Übersetzung von "Reset" auf den symbolischen Knopf geschrieben haben. Vielmehr ist der Grundgedanke eines Resets falsch.

Drei Gründe gegen ein einfaches Reset

Erstens, in welches historische Ausgangsstadium sollten denn die russisch-amerikanischen Beziehungen zurückgesetzt werden? Ins Jahr 2000, also in die Zeit vor George W. Bush, als Russland noch durch die Krise der 1990er-Jahre geschwächt war und Wladimir Putin gerade dabei war, sich in seine neue Rolle als Präsident Russlands hineinzufinden? Oder in die 1990er Jahre? Oder noch früher? Russland und die USA nehmen zu Beginn des 21. Jahrhundert völlig neue geopolitische Rollen ein und im Rahmen dieser realen Lage muss ein neues Verhältnis für die Zukunft gefunden werden.

Zweitens, die Reset-Politik erweckte den gefährlichen Eindruck, dass Präsident Obama über die inneren Verhältnisse in Russland, die autoritären Züge im System Putin und die Menschenrechtsverletzungen hinwegsehen könnte, die regelmäßig von US-Seite angeführt werden. Dies hätte aber nicht zu der sonst so von Präsident Obama propagierten wertebasierten Außenpolitik gepasst, so dass auch hier ein einfaches Reset nicht funktionierte.

Und drittens, der Reset-Gedanke ging davon aus, dass auch die Russen nach einem leichten Druck auf den Neustart-Knopf interessiert seien, die Beziehungen gemeinsam neu zu entwickeln - ohne Rückblick auf die Vergangenheit. Dies war sicherlich die folgenschwerste Fehlannahme der US-Strategen. Denn in Moskau ist niemand mehr bereit, den USA große Vorschusslorbeeren zu geben - auch nicht einem Präsidenten Obama.

Drei Jahre bleiben noch

Die russische Reaktion auf die Reset-Politik war zwar nicht abweisend, aber doch eher nüchtern und kühl. Und mehr als eine kleinere Kurskorrektur beim Raketenschild - statt in Polen und Tschechien wollen es die USA nun seegestützt entwickeln - ist aus russischer Sicht auch nicht herausgekommen. Weder im Wirtschaftsbereich hat sich die Reset-Politik für die Russen ausgezahlt, noch bei ihrer geopolitischen Lieblingsidee einer neuen Sicherheitsarchitektur in der Nördlichen Hemisphäre. Die Verhandlungen zu einem neuen START-Abkommen nutzen sie daher auch viel lieber, um ihre atomare Ebenbürtigkeit mit den USA international zu demonstrieren.

Präsident Obama sollte aus seinem ersten Amtsjahr die Lehre ziehen, dass es mit der Verkündung eines Resets im Verhältnis zu Moskau nicht einfach getan ist. Nötig sind klare realistische Ziele und eine dazu passende Strategie in der US-amerikanischen Russlandpolitik. Drei Jahre bleiben Barack Obama noch dafür.

Autor: Ingo Mannteufel

Redaktion: Kay-Alexander Scholz