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Politik

Richter-Nominierung sorgt für Kontroversen

Michael Knigge
29. Juni 2018

Nach dem Rückzug von Anthony Kennedy als Richter beim Obersten Gericht der USA droht politischer Streit. Die Nominierung seines Nachfolgers könnte für größere Verwerfungen zwischen den Parteien sorgen. Eine Analyse.

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US-Präsident Donald Trump (Foto: picture-alliance/MediaPunch/CNP/C. Kleponis)
Bild: picture-alliance/MediaPunch/CNP/C. Kleponis

Warum ist die Benennung der Nachfolge von Anthony Kennedy überhaupt so wichtig?

Die neun Richter des Obersten Gerichtshofs der USA werden auf Lebenszeit ernannt und sind praktisch nicht abberufbar. Dadurch können die Richter die Rechtsprechung und damit auch die Lebenswirklichkeit der Menschen im Lande dauerhaft prägen. Viele Richter wie der nun in den freiwilligen Ruhestand tretende Anthony Kennedy haben durch ihre Auslegung der Gesetze die USA über Jahrzehnte hinweg beeinflusst.

Da sich in dem Gremium derzeit fünf als konservativ geltenden Richtern vier als liberal geltende Richter gegenüberstehen, bietet das Ausscheiden Kennedys Präsident Trump die Möglichkeit, das Gericht durch die Auswahl eines ihm genehmen Kandidaten auf Jahrzehnte zu prägen. Er hat dies bereits einmal mit der Ernennung des konservativen Neil Gorsuch getan. Gorsuch, der für einen Obersten Richter junge 50 Jahre ist, könnte das Land damit, wenn er ähnlich lange amtiert wie Kennedy, noch mehr als 30 Jahre prägen.

"Sogar juristischen Laien ist klar, dass wenn man erst einmal einen Richter am Obersten Gerichtshof installiert hat - besonders, wenn er oder sie jung ist - er dort auf Jahrzehnte bleibt", sagt Dick Howard, Rechtsprofessor an der Universität von Virginia und früherer Assistent eines Obersten Richters. "Deshalb ist die Richterernennung am Obersten Gerichtshof in gewissem Sinne oft das nachhaltigste Vermächtnis eines Präsidenten."

Können die Demokraten Trumps Richter-Nominierung blockieren?

Trump bei der Vorstellung von Neil Gorsuch Ende 2017 (Foto: Reuters/K. Lamarque)
Trump bei der Vorstellung von Neil Gorsuch Ende 2017Bild: Reuters/K. Lamarque

Schwerlich. Denn seit einer Regeländerung im Senat reicht die einfache Stimmenmehrheit um einen Kandidaten zu bestätigen. Und da die Republikaner derzeit über eine Mehrheit von 51 der 100 Sitze im Senat verfügen, könnten sie Trumps Kandidaten allein ins Amt heben. "Die Demokraten haben sehr wenige Möglichkeiten den Bestätigungsprozess im Senat zu beeinflussen oder zu kontrollieren", sagte denn auch Lori Ringhand, Rechtsprofessorin an der Universität von Georgia und Co-Autorin des Buches "Supreme Court Confirmation Hearings and Constitutional Change".

Dennoch gibt es mindestens zwei Ungewissheiten, die den Prozess beeinflussen könnten. Die erste ist die Frage, ob der schwer erkrankte Senator John McCain an einer möglichen Abstimmung teilnehmen kann. Wenn nicht, könnte die Mehrheit der Republikaner auf nur eine Stimme schrumpfen. Die zweite Ungewissheit ist das Abstimmungsverhalten der Demokraten. Denn bei Trumps erster Nominierung gaben gleich drei Demokraten aus Staaten, in denen der Präsident sehr beliebt ist, dem konservativen Gorsuch ihre Stimme. Tun sie dies erneut, ist die Wahl für die Demokraten ohnehin gelaufen. So sind denn auch Howard und Ringhand überzeugt, dass die Republikaner die Bestätigung eines konservativen Richters noch vor den Herbstwahlen erzwingen werden.  

Was bedeutet der Streit für die Zwischenwahlen?

US-Richter Anthony Kennedy (Foto: Getty Images/E. Thayer)
Hat seinen Rückzug angekündigt: Richter KennedyBild: Getty Images/E. Thayer

Er könnte die im Herbst anstehenden Zwischenwahlen entscheidend prägen oder sogar bestimmen. Die Besetzung des Supreme Courts war für demokratische wie republikanische Wähler bereits bei der Präsidentschaftswahl ein wichtiges Thema. Und da Trump im Wahlkampf wiederholt versprochen hatte, konservative Richter zu benennen, damit diese das 1973 vom Obersten Gericht im Fall Roe versus Wade festgesetzte Recht auf Abtreibung rückgängig machen, könnte die künftige Ausrichtung des Gerichts den Wahlkampf bestimmen, betont Rechtsexpertin Ringwand: "Bislang wurden die Midterms als ein Referendum über Trump angesehen. Jetzt könnten sie mehr zu einem Referendum über Roe versus Wade werden. Und ich bin mir wirklich nicht sicher, wem das politisch nützt."     

Zwar bietet der Streit um das Abtreibungsrecht womöglich das größte Motivationspotenzial für die Wähler beider Parteien, doch es steht noch viel mehr auf dem Spiel. Denn die Entscheidungen der Richter betreffen praktisch alle Lebensbereiche der Menschen. Und deswegen, prognostizieren die Experten, werde es trotz der geringen Chancen der Demokraten, eine Ernennung zu verhindern, zu einer verbittert geführten Auseinandersetzung im Senat kommen. "Um jede Maßnahme auf dem Weg zur Bestätigung wird gerungen werden", sagt Howard. Seine Kollegin Ringhand ergänzt: "Wir werden die kontroversesten Anhörungen seit Jahrzehnten erleben. Das aktuelle politische Klima ist schon jetzt sehr, sehr problematisch, und deswegen glaube ich, dass dieses Verfahren eine harte politische Schlacht werden wird."