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Jakartas riesige Staumauer

Thomas Latschan3. November 2014

In der Millionenmetropole Jakarta sackt der Boden ab, während der Meeresspiegel steigt. Jetzt soll ein gigantischer maritimer Schutzwall Indonesiens Hauptstadt vor der Überflutung retten – ein Jahrhundertprojekt.

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Computergrafik des geplanten indonesisch-niederländischen"Great Garuda"-Staudammprojektes vor der Küste Jakartas. Der Staudamm soll in das Stadtbild mit Lagunen und künstlichen Inseln integriert werden. Baubeginn war im Oktober 2014, als Gesamtbauzeit werden bis zu 40 Jahre veranschlagt. (Grafik: NCICD/design KuiperCompagnons)
Bild: 'NCICD/design KuiperCompagnons

Der Garuda ist ein mächtiges Fabelwesen - und das Wappentier der Republik Indonesien. Eigentlich stammt der Garuda aus der indischen Mythologie, in der er – halb Mensch, halb Adler – den Göttern ein Elixier stiehlt, das Unsterblichkeit verleiht. Jetzt soll der mystische Götterbote auch die Millionenmetropole Jakarta vor dem Untergang retten. "Great Garuda" heißt nämlich ein gigantischer, 35 Kilometer langer Schutzwall, der die Form des mächtigen Wappentiers haben soll und einige Kilometer vor der heutigen Küste aus dem Meer aufragen wird, um Indonesiens Hauptstadt vor dem steigenden Meeresspiegel zu schützen.

Sinkende Metropole, steigende Meeresspiegel

Denn die Situation in der Millionenmetropole ist besorgniserregend. Jakarta wurde in einem ehemaligen Sumpfgebiet errichtet. Die Kanalisation stammt zum großen Teil noch aus der niederländischen Kolonialzeit, es gibt so gut wie keine funktionierende Müllentsorgung, zudem ist sauberes Wasser knapp. Auch deswegen wird in der Stadt derzeit so viel Grundwasser abgepumpt, dass sich der Boden jährlich um rund sieben Zentimeter absenkt – in manchen Stadtvierteln werden sogar 14 Zentimeter pro Jahr erreicht. Gleichzeitig sorgt der Klimawandel für einen weltweiten Anstieg der Meeresspiegel. "In dieser Kombination bedeutet das, dass in zehn bis 15 Jahren große Teile Jakartas mehrere Meter unterhalb des Meeresspiegels liegen werden", sagt Victor Coenen, Teamleiter Jakarta der niederländischen Baufirma Witteveen + Bos, die als Hauptvertragspartner mit dem Bau der Mauer beauftragt wurde. Mindestens eine halbe Million Menschen wäre hiervon direkt betroffen.

Der Gottvogel Garuda aus der indischen Mythologie (Foto:CM Dixon / Heritage Images)
Wie die ausgebreiteten Schwingen des Göttervogels Garuda soll der Damm die Küste Jakartas umschließenBild: picture alliance/Heritage Images

In einer gemeinsamen Initiative versuchen nun die indonesische und die niederländische Regierung, Jakarta zu retten – mit einem Masterplan, der die gesamte Küstenlinie der Stadt völlig umkrempeln wird. Hinter dem gigantischen Schutzwall sollen mehrere Lagunen entstehen, die als Auffangbecken für die 13 Flüsse fungieren sollen, die in Jakarta ins Meer fließen und die bislang bei fast jeder Regenzeit Teile der Hauptstadt überfluteten. "Alle diese Flüsse sind so stark verschmutzt, dass wir dieses Problem gleich mit angehen mussten", so Coenen gegenüber der DW. Damit die Lagunen nicht innerhalb kürzester Zeit verdrecken, werden in der gesamten Stadt Klärwerke und Wasseraufbereitungsanlagen gebaut und die Müllentsorgung professionalisiert. Außerdem wird der Schutzdamm mit großen Pumpwerken ausgestattet, die für genügend Wasserzirkulation sorgen sollen. Denn die Lagunen sollen auch als Trinkwasserreservoir genutzt werden können.

Fluss Citarum in Indonesien (Foto:afp)
Der durch Jakarta fließende Citarum gehört zu den schmutzigsten Flüssen der WeltBild: Adek Berry/AFP/Getty Images

Ins Stadtbild integriert

Bei der Umsetzung des Projektes stützen sich beide Regierungen auf die Expertise verschiedener niederländischer Baufirmen, die mit ähnlichen Bauvorhaben an der niederländischen Küste bereits gute Erfahrungen gemacht haben – wenn auch nicht in dieser Größenordnung. "Verschiedene Komponenten dieses Masterplans sind schon an anderen Orten der Welt realisiert worden", so Coenen und verweist etwa auf den 30 Kilometer langen Afsluitdijk, der in seinem Heimatland schon seit den 1930er Jahren das Ijsselmeer von der Nordsee trennt. "Was es bislang allerdings noch nicht gegeben hat", so der Ingenieur weiter, "ist, einen solchen Mammutdamm komplett in ein Stadtbild zu integrieren. Da betreten wir tatsächlich völliges Neuland."

Denn hinter dem Staudamm soll auf mehreren künstlich aufgeschütteten Inseln ein ganz neues Stadtviertel entstehen, inklusive Wohnraum für rund 300.000 und Arbeitsplätze für 600.000 Menschen. Dafür wird die aktuelle Küstenlinie rund sieben Kilometer ins Meer verlagert. "Dieser Wohnraum wird in der schnell wachsenden Metropole dringend benötigt", erzählt Coenen. "Gleichzeitig wird die Schutzmauer komplett in die neue Küstenlinie integriert. Es wird also schwierig werden, durch die Stadt zu laufen und dabei die Mauer überhaupt als solche zu erkennen."

Überschwemmung in Jakarta (Foto: afp)
In Jakarta heißt es immer häufiger "Land unter"Bild: ADEK BERRY/AFP/Getty Images

Ein Mammutprojekt

Der "Great Garuda"-Wall in Jakarta ist ein wahres Mammutprojekt. Bis zu 40 Milliarden US-Dollar soll das gigantische Bauwerk kosten, als Zeit bis zur Fertigstellung werden rund 40 Jahre veranschlagt. "Der Schutzwall wird eine der drei weltweit größten Dämme sein, die je gebaut wurden", sagt Victor Coenen. Und dennoch hält er die rein technische Umsetzung für nicht allzu problematisch. "Viele Baufirmen auf der Welt können etwas in der Art bauen. Das haben sie schon bewiesen."

Schwieriger sei die finanzielle Realisierung – und das Gesamtmanagement, das bei der indonesischen Regierung liegt. "Wenn Sie nur einen Damm bauen, ist das kein Problem. Sie machen einfach einen Vertrag mit einem Bauunternehmer, Sie zahlen, und er liefert", so Coenen. "Aber wenn man quasi eine ganze Stadt neu baut, dann gibt es so viele Vertragsnehmer, dass sie Mühe haben, die ganzen Finanzströme unter Kontrolle zu halten" – besonders in einem Land wie Indonesien, in dem die grassierende Korruption nach wie vor eines der Hauptprobleme darstellt. "Großprojekte bergen immer große Risiken", so Coenen. Doch Jakarta läuft die Zeit davon, und so glaubt der Ingenieur fest an den Erfolg des Projektes, auch wenn er selbst dessen Fertigstellung nicht mehr im Amt erleben wird. Der Staudamm selbst soll zwar im Jahr 2030 stehen, "aber erst Mitte des Jahrhunderts", so Coenen, "soll das Gesamtprojekt abgeschlossen sein." Bis der große Garuda tatsächlich seine schützenden Schwingen um Indonesiens Hauptstadt legt, dürften also noch fast 40 Jahre vergehen.

Hochwasserschutz in den Niederlanden (Foto:dpa)
Hochwasserschutz in den Niederlanden: das Oosterschelde-SturmflutwehrBild: pic