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Ring frei zur letzten Runde in Paris

Barbara Wesel, Paris10. Dezember 2015

Die Europäer wollen ehrgeizigere Ziele, manche Schwellenländer lieber eine schwache Vereinbarung: Kurz vor Ende sind in Paris noch alle Karten auf dem Tisch und alle Teilnehmer im Spiel - soweit ist das ein Erfolg.

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Politiker beim Klimagipfel (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/M. Bureau

Am Tage vor dem offiziellen Ende der Verhandlungen macht sich Müdigkeit breit. Die Gesichter der Verhandlungsführer werden blasser, die Informationen für Journalisten spärlicher, die Augenringe der Beteiligten tiefer. Denn in dieser Phase wird mehr hinter verschlossenen Türen verhandelt und weniger in den Fluren geredet. In den großen Messehallen in Le Bourget kommt eine gewisse Gereiztheit auf. Jetzt geht es nur noch um das Ergebnis, das Unterhaltungsprogramm der vergangenen zehn Tage ist vorbei. Arnold Schwarzenegger hatte der Konferenz Mut zugesprochen, genau wie seine Schauspielerkollegen Alex Baldwin, Robert Redford und Leonardo di Caprio.

Aber nach dem Abzug von Hollywood blieb die glanzlose Arbeit am Textentwurf. Der ist inzwischen von 21 auf 14 Seiten geschrumpft, besteht aber nach wie vor aus einem variablen System von Textbausteinen, die wie bei einem Puzzle so zusammengesetzt werden müssen, dass am Ende alle zustimmen können. Hatte man bisher in Gruppen zu einzelnen Streitpunkten verhandelt, muss am Ende eine Plenarsitzung die letzten Stolpersteine beseitigen. Gleichzeitig arbeiten die Übersetzer, die man eigens aus Genf geholt hat, und die Rechtsexperten der UN-Organisation. Wenn alles geschafft ist, soll eine gemeinsame Feierstunde den Erfolg offiziell krönen. Das werden dann erhebende Fernsehbilder für den französischen Präsidenten Francois Hollande, der einen solchen Auftritt politisch dringend brauchen kann. Aber bis dahin muss noch eine Menge harter Arbeit geleistet werden.

Es reicht bei weitem nicht

Es wurde viel verhandelt und wenig geschlafen, und das Ergebnis sei "na ja", hieß es aus deutschen Kreisen am vorletzten Konferenztag. Da war der der französische Vorsitzende Laurent Fabius längst wieder dabei, die letzte Kompromissbildungs-Runde zu einem neuen Papier zusammenzufassen. Frankreich habe sehr klug gehandelt und sich die Zustimmung aller dafür geholt, einen weiteren Entwurf auf den Tisch zu legen, erklärten Beobachter. Überhaupt gibt es von den Unterhändlern quasi aller Mitgliedsländer nur Lob für die Verhandlungsführung der Franzosen. Selbst UN-Vertreter bestätigen, dass Frankreich enorm viel Zeit und politisches Kapital in die Klimakonferenz investiert habe. Und in den laufenden Gesprächen schafften sie es, alle an Bord zu halten und trotzdem im Zeitplan zu bleiben. Er sei ein sehr erfahrener Diplomat, heißt es über Laurent Fabius. Vor lauter Bewertungen wie "brillant" und "exzellent" müssen ihm die Ohren klingen. Auch NGO-Vertreter wie Regine Günther vom WWF stimmen in das Lob ein. Allerdings sei jetzt die Frage, mit welchen Kompromissen und zu welchem Preis die Franzosen ein Abkommen erreichen wollten.

Und da sind viele Umweltschützer am Tag vor dem offiziellen Abschluss der Beratungen noch skeptisch: "Bis jetzt hat man viel Gestrüpp weggeräumt, jetzt liegen die Kernfragen auf dem Tisch, die bis zur letzten Nacht bleiben werden", sagt die WWF-Vertreterin. Dazu gehört nach wie vor die Frage der Finanzierung: Die Industrieländer möchten, dass sich schrittweise die Schwellenländer an den Kosten der Anpassung für den Klimawandel beteiligen. Länder wie Malaysia oder Indien lehnen das nach wie vor ab, und verweisen auf die historische Verantwortung des Westens. Die USA und Europa wiederum wollen die Basis der Beitragszahler für die Klimakosten erweitern und reicher werdende Länder beteiligen. Nachhaltigen Widerstand leistet wie oft in der Vergangenheit Saudi-Arabien, das unter anderem Formulierungen zur angestrebten Dekarbonisierung, also den Abschied von fossilen Brennstoffen bis zum Ende des Jahrhunderts, unbedingt aus dem Text streichen will.

EU fordert mehr Ehrgeiz

Die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg ist als derzeitige Vorsitzende ihrer EU-Kollegen eine zentrale Figur unter den europäischen Verhandlungsführern. Sie ist knapp 40 Jahre jung, aber in der Tradition ihres kleinen Landes zeigt sie bereits viel Geschick im Umgang mit gegensätzlichen Interessen. Auch der neue polnische Umweltminister beteilige sich konstruktiv in einer der Verhandlungsgruppen, bestätigt sie, und sei an einem globalen Klima-Abkommen interessiert. Wie er allerdings seinen Wunsch nach Ausbau der polnischen Kohlekraftwerke mit dem Begriff "Dekarbonisierung" vereinbart, verrät die Ministerin den Journalisten nicht.

Die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg (Foto: dpa)
Die luxemburgische Umweltministerin Carole DieschbourgBild: picture alliance/W. Dabkowski

Sie will jetzt auf den letzten Metern den Text noch einmal nachbessern: "Er ist nicht ambitioniert genug. Wir können uns nicht ein hohes Ziel setzen, ohne die Werkzeuge zu vereinbaren, damit wir es erreichen können." Im letzten Textentwurf seien rote Linien der EU überschritten worden und Dieschbourg will deswegen, dass einige schärfere Formulierungen wieder in die Vereinbarung aufgenommen werden: "Es geht um die Fünf-Jahres-Zyklen zur Überprüfung und Nachbesserung der individuellen Klimaziele der Länder", sagt die Ministerin. Sie seien in der letzten Textfassung zu sehr abgeschwächt worden. Dieschbourg zeigt sich hier selbst kurz vor Ende noch kampflustig.

Aber kann das funktionieren, Textteile wieder in das Abkommen zurück zu holen, die von anderen Ländern schon raus gekippt wurden, die ein möglichst schwaches Klimaabkommen wollen? Die luxemburgische Ministerin ist zuversichtlich, aber ihre Verhandlungskünste und die ihrer Mitstreiter werden in den nächsten 24 Stunden noch stark gefordert werden.