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Ritual mit besonderem Akzent

Heinz Dylong13. Februar 2002

Am Politischen Aschermittwoch gehört traditionell die größte Aufmerksamkeit der CSU. Das gilt besonders dann, wenn mit Edmund Stoiber der Kanzlerkandidat der Union ans Rednerpult tritt. Ein DW-Kommentar von Heinz Dylong.

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Der politische Aschermittwoch, die von Spitzenkräften der Parteien bestrittenen Kundgebungen an diesem Tag, haben Tradition: Nicht um Differenzierung, um die Darstellung politischer Entwürfe geht es, sondern um die auch grobschlächtige Abrechnung mit dem jeweiligen politischen Gegner. Zur Meisterschaft in dieser Disziplin hat es schon lange die CSU gebracht.

Fest auf ihrer bayerischen Basis stehend, vermochten es ihre Redner an jedem Aschermittwoch seit nunmehr 50 Jahren, ihre Anhängerschaft mit Angriffslust, Ironie und auch Polemik in die rechte Stimmung zur Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu versetzen und sich selbst ins richtige Licht zu rücken.

Und auch wenn SPD, Grüne, FDP und die PDS ebenfalls alljährlich zum politischen Aschermittwoch rufen - die größte Aufmerksamkeit gehört eben der CSU. Das gilt besonders dann, wenn mit Edmund Stoiber ja nicht nur der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident ans Rednerpult tritt, sondern der Kanzlerkandidat der CDU/CSU. Und der tat sich in seiner mehr als zweistündigen Rede schwer, den Spagat zwischen dem erwarteten Angriffsstil und der Seriosität eines Anwärters auf das Kanzleramt hinzubekommen. Die Angriffe auf die Bundesregierung, auf den Kanzler, auf SPD, Grüne und auch auf die PDS waren keine Überraschung. Und dabei griff der CSU-Vorsitzende auch in die Trickkiste, die jeder versierte Redner bei solchen Gelegenheiten im Gepäck hat: Sich mit Entschiedenheit und viel rhetorischer Begleitmusik gegen Forderungen zu wenden, die niemand erhebt. Dies galt in Stoibers Rede etwa für seine scharfe Ablehnung jeder "ungesteuerten Zuwanderung".

Auffallend ausführlich wandte sich der CDU/CSU-Kanzlerkandidat den Problemen Ostdeutschlands zu. Da sprach in der Tat vor allem der Kanzlerkandidat, der auch gleich versicherte, sich im Falle seines Wahlsieges besonders für den Osten einzusetzen. Dass er das inhaltlich nicht sonderlich füllte, muss man Stoiber nicht vorwerfen - der politische Aschermittwoch ist nicht der richtige Zeitpunkt und Ort dafür. Vielmehr ging es dem CSU-Vorsitzenden um das Signal nach Ostdeutschland, in den Teil der Republik also, in dem sich jedenfalls bislang nur wenig Hoffnungen mit einem möglichen Bundeskanzler Stoiber verbinden.

Familienpolitik, Innere Sicherheit und - natürlich - die Wirtschafts- und Finanzpolitik wurden von Stoiber aufgegriffen. Die Aufzählung von Fehlern und Versäumnissen der Bundesregierung in diesem Bereich wird ohne Zweifel eine wiederkehrende Grundmelodie von Stoibers Wahlkampf sein. Und was den Arbeitsmarkt anbelangt, liegt die angreifbare Stelle des Bundeskanzlers offen zu Tage - Gerhard Schröder selbst wollte sich an der Zahl der Arbeitslosen messen lassen. Eine Tatsache, die Stoiber mehrfach erwähnte.

Gänzlich unerwähnt ließ er demgegenüber die FDP. Und was man in früheren Jahren noch als Ausdruck der in der CSU vorhandenen latenten Grundskepsis gegen die Liberalen werten konnte, spricht heute eher für Stoibers Erkenntnis, dass auch er nur mit einem Koalitionspartner den Einzug ins Kanzleramt schaffen kann.

Natürlich wurde Stoiber von seinen Anhängern umjubelt und natürlich wollen sie ihn im nächsten Jahr als Bundeskanzler wiedersehen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wäre der Aschermittwoch 2003 für Stoiber wahrscheinlich nicht so sehr eine Pflichtübung wie die Kundgebung in diesem Jahr.