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Rolle rückwärts des Atom-Aussteigers Schweden

18. Juni 2010

Schweden galt nach der Volksabstimmung von 1980 als Vorreiter des Atom-Ausstiegs. 30 Jahre später hat die Regierung von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt den Wiedereinstieg durchgesetzt.

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Fredrik Reinfeldt (Foto: dpa)
Schwedens Ministerpräsident Fredrik ReinfeldtBild: picture-alliance/dpa

Schweden hat seinen Ausstieg aus der Atomkraft revidiert: 30 Jahre nach dem weltweit ersten Beschluss eines Landes zum Stopp der Kernkraft hat der Reichstag in Stockholm mit der hauchdünnen Mehrheit von 174 zu 172 Stimmen das Bau-Verbot für Atomreaktoren aufgehoben.

Volvo-Fertigungsstraße in Göteborg (Foto: dpa)
Volvo-Fertigungsstraße in GöteborgBild: picture-alliance/dpa

Vor allem mit Klimazielen begründet der konservative Regierungschef Fredrik Reinfeldt sein Ziel. Aber auch damit, dass der Bedarf der schwedischen Exportindustrie mit ihren Volvo- und Papierfabriken an billiger Energie anders nicht gedeckt werden könne. Kritiker sollen mit verstärkten Investitionen in erneuerbare Energien, schärferen Steuern auf Klimagase und die schnelle Umstellung des schwedischen Autoparks auf Alternativen zu Benzin beruhigt werden.

Volksentscheid wurde nie wirklich umgesetzt

Etwa zur Hälfte kommt schwedischer Strom aus Wasserkraft- und Atomkraftwerken. Daran hat sich seit dem Referendum 1980 wenig geändert, als die Schweden nach dem Unglück im US-Atomreaktor Three Mile Island mehrheitlich für einen Schlussstrich unter die Atomkraft stimmten.

Weder sozialdemokratische noch bürgerliche Regierungen setzten den Volksentscheid danach wirklich in praktische Politik um. Die endgültige Stilllegung des Atomkraftwerkes Barsebäck bis 2005 galt teils als Zugeständnis an die Atomkraftgegner, vor allem aber auch als unausweichliche Korrektur einer katastrophal falschen Platzierung: Die zwei Reaktoren lagen direkt neben der Großstadt Malmö und nur 20 Kilometer entfernt von der dänischen Millionen-Metropole Kopenhagen am Ufer des Öresund.

Deutsche Aufregung über schwedische Mängel

Das Atomkraftwerk Forsmark (Foto: dpa)
Das Atomkraftwerk Forsmark: Symbol für Negativ-ImageBild: picture-alliance/ dpa

Drei Tage vor der Abstimmung konnten 50 Greenpeace-Aktivisten mit Hilfe einer langen Leiter von einem ausgedienten Feuerwehrwagen auf das Gelände des Kernkraftwerkes Forsmark vordringen. Man wolle vor der Abstimmung im Parlament doch noch mal auf die Gefahren der Atomkraft hinweisen, sagte ein Sprecher. Das gelang glänzend, wie auch Umweltminister Andreas Carlgren zugab.

Die vom Vattenfall-Konzern betriebene Forsmark-Anlage an der Ostseeküste ist in den vergangenen Jahren zu einem Symbol für das alles andere als positive Image der schwedischen Atomindustrie geworden. Immer neue Pannen und Eingeständnisse eines "Verfalls der Sicherheitskultur" kamen auch von der Betreiber-Spitze. Allerdings fiel die Aufregung darüber in Deutschland, wo Vattenfall mit Pannenserien seiner Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel zu kämpfen hat, wesentlich größer aus als in Schweden selbst.

Autor: Michael Borgers

Redaktion: Klaudia Prevezanos