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Roms Flirt mit Chinas Seidenstraße

Jo Harper tko
9. März 2019

Italien riskiert, die großen Risse in der EU weiter zu vertiefen. Der Zeitpunkt ist heikel: einen Tag nach dem geplanten Treffen, auf dem sich die EU auf eine gemeinsame Haltung zu Chinas Investitionen einigen will.

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Symbolbild Euro Yuan
Bild: Colourbox/E. Wodicka

Das Projekt hat viele Namen: auf Deutsch wird sie meist Neue Seidenstraße, auf Englisch "One Belt one Road" oder "Belt and Road Initiative" (BRI) genannt. Jetzt steht Berichten zufolge die italienische Regierung kurz davor, sich an der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI), einem der politischen Eckpfeiler von Chinas Präsident Xi Jinping, zu beteiligen.

Michele Geraci, Staatssekretär im italienischen Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, sagte der Financial Times, dass das Abkommen rechtzeitig zum Besuch von Xi in Italien am 22. März abgeschlossen werden könnte, einen Tag nach einem EU-Treffen in Brüssel, auf dem sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Haltung gegenüber chinesischen Investitionen einigen wollten.

Warum gerade Italien?

Italien wäre das erste Mitglied der Gruppe der wichtigsten Industrieländer G7, das Pekings Initiative offiziell unterstützt. Andere kleinere europäische Mitgliedsstaaten wie Griechenland und Portugal haben sich bereits verschiedenen chinesischen Initiativen angeschlossen, ebenso wie der südosteuropäische EU-Anwärter Serbien. Roms streitbare Regierung hat der EU-Kommission bereits gezeigt, wie wenig sie von den Haushaltsregeln der EU hält. Eine offizielle Unterstützung des chinesischen Seidenstraßenprojekts durch das EU-Gründungsmitglied Italien würde zeigen, dass sich auch in den Kernländern der EU die Machtverhältnisse verschieben.

Deutschland wirft Peking seit einiger Zeit vor, sich in die Angelegenheiten der EU, insbesondere in Griechenland und Ungarn, sowie auf dem Westbalkan einzumischen. Und die Europäische Union drängt auf ein europäisches Prüfverfahren für ausländische Investitionen in strategischen Bereichen.

"Es ist schwierig, die sicherheitspolitischen Auswirkungen des Beitritts Italiens zur chinesischen Belt and Road Initiative einzuschätzen, ohne die Bedingungen des Abkommens zu kennen", sagt Nicholas Eftimiades, Dozent an der Pennsylvania State University in Harrisburg , gegenüber der DW.

"Es gibt jedoch schwerwiegende Folgen für Italien und die EU, wenn das Abkommen den Zugang zu kritischen Infrastrukturen oder zum 5G-Telekommunikationsnetz vorsieht. Auf jeden Fall spaltet und schwächt Italien damit die EU politisch und spielt der Strategie Pekings, 'zu teilen und zu erobern', in die Hände", unterstreicht Eftimiades.Italien liebäugelt mit den Pekinger Plänen zu einem Zeitpunkt, da selbst einige BRI-Mitgliedsländer wie Malaysia Zweifel an den Vorteilen des Seidenstraßenprojekts haben. "China sucht seit einiger Zeit nach Anerkennung für seine Seidenstraßen-Initiative durch eine große entwickelte Volkswirtschaft.  Das ist gerade geschehen! Aber es ist vor allem symbolisch", sagt Kerry Brown, Professor für Chinastudien am King's College in London gegenüber der DW. Es gebe nach wie vor viele offene Fragen, wenn es um die Ziele der BRI geht.

Marco Polo
Der Kaufmann und Entdecker Marco Polo steht für die engen historischen Verbindungen zwischen Italien und China Bild: picture-alliance/The Holbarn Archive/Leemage

Die Annäherung Italiens an Peking fällt ausgerechnet in die Zeit, in der Europa über die Rolle des chinesischen Hightech-Konzerns Huawei bei der Einführung der neuen Hochgeschwindigkeits-5G-Netze diskutiert.

Antike Seidenbänder, die verbinden

Italien hat im vergangenen Oktober eine China Task Force gebildet, um die wirtschaftlichen Möglichkeiten in China zu sondieren, einschließlich der Möglichkeit, die BRI zu unterstützen.

"Italien und China waren in der Vergangenheit durch die alte Seidenstraße verbunden. Wir erwarten, dass die Task Force dazu beitragen wird, die Zusammenarbeit der beiden Länder im Rahmen der Belt and Road Initiative zu stärken und zu einer engeren Beziehung zwischen der EU und China beizutragen", zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua Chinas Botschafter in Italien, Li Ruiyi. 

Was ist die BRI?

Das BRI ist ein riesiges Handels- und Infrastrukturprojekt, das China mit Europa, Afrika und Asien durch eine Reihe von durch Peking finanzierte Häfen, Eisenbahnen und Straßen entlang von Land- und Seehandelskorridoren verbinden soll. Der Plan hat die Finanzierung und den Aufbau von Infrastruktur in mehr als 80 Ländern in Eurasien, dem Nahen Osten und Afrika zum Ziel.

Mehrere mittel- und osteuropäische Länder sowie einige Staaten in Asien, im Nahen Osten und in Afrika haben sich darauf geeinigt, bilaterale Memoranden für Handels- und Infrastrukturprojekte zu unterzeichnen. Zhang Yesui, der Sprecher des National Volkskongresses, sagte in dieser Woche, dass im vergangenen Jahr 67 Länder der Seidenstraßeninitiative beigetreten seien, womit sich die Gesamtzahl der beteiligten Länder oder internationalen Organisationen auf 152 erhöht.

Kritische Stimmen

Kritiker behaupten, dass sich Entwicklungsländer durch die Beteiligung an BRI-Projekten verschulden, obwohl sie ihnen kaum einen wirtschaftlichen Nutzen bringen. Einige Kritiker finden die Neue Seidenstraße problematisch, weil sie glauben, dass China das Projekt nutzt, um seinen militärischen und politischen Einflussbereich zu erweitern.

Die USA, Japan und Großbritannien zögern damit, sich zu beteiligen. Auch Indien hat sich zurückhaltend gezeigt, während einige regionale Partner wie Pakistan und bis vor kurzem Malaysia und Dutzende anderer Länder beigetreten sind.

"Wir betrachten die BRI als eine Initiative Chinas für China", meint Garrett Marquis, Sprecher des National Security Council des Weißen Hauses, gegenüber der Financial Times. "Wir sind skeptisch, dass die Zustimmung der italienischen Regierung dem italienischen Volk nachhaltige wirtschaftliche Vorteile bringen wird. Langfristig könnte sie aber dem globalen Ansehen Italiens schaden."

Neue Seidenstraße: Erobert China Europa?

Brüssel in Aufruhr

Auch in der EU sind chinesische Investitionen umstritten. Diplomaten in Brüssel und den westeuropäischen Hauptstädten sorgen sich seit einiger Zeit, dass die 16+1-Gruppe Chinas und der mittel- und osteuropäischen Staaten, darunter 11 EU-Mitglieder, ein trojanisches Pferd ist, das die Europäische Union spalten könnte.

Wenn es um Investitionsvereinbarungen mit Drittstaaten geht, müssten alle Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das mit europäischem Recht vereinbar ist, sagte ein EU-Sprecher. Außerdem sei jeder Mitgliedstaat verpflichtet, "EU-Politik umzusetzen und die Einheit der EU zu respektieren".

Die chinesischen Investitionen in der EU sind 2018 im zweiten Jahr in Folge stark zurückgegangen, wie ein aktueller Bericht des Berliner China-Think Tanks MERICS und des US-Beratungsunternehmens Rhodium Group zeigt.

Chinesische Unternehmen investierten im vergangenen Jahr 17,3 Milliarden Euro (19,6 Milliarden Dollar) in der EU, das waren 40 Prozent weniger als 2017 und weit weniger als die Rekordinvestitionen von 37,2 Milliarden Euro im Jahr 2016.