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Roma und Bildung: Eine Frage des Geldes?

Yordanka Yordanova27. September 2013

In Europa werden immer wieder Projekte zur Integration von Roma entwickelt. Trotzdem bleiben die meisten Roma arm und haben wenig Zugang zu Bildung. Wie lässt sich das ändern?

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Roma-Kinder im Computer-Kurs in einer rumänischen Stadt (Foto: AFP)
Bild: Daniel Mihailescu/AFP/Getty Images

"Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral": Mit diesem Zitat von Bertolt Brecht versucht Joachim Brenner, das Problem der Bildung der Roma zu erörtern. "Wir können nicht über Bildung reden, ohne in Betracht zu ziehen, dass wir es zunehmend mit Leuten zu tun haben, die völlig mittellos sind", so der Geschäftsführer des Fördervereins Roma e.V. in Frankfurt am Main. Bevor man Anforderungen an die pädagogischen Fähigkeiten von Eltern aus der Minderheit der Roma stelle, sollte man zuerst fragen: Wie sind eine vernünftige Unterkunft und eine vernünftige gesundheitliche Versorgung für sie zu erreichen?

Die Probleme der Roma im Bildungssystem und in der Gesellschaft waren das Hauptanliegen der Internationalen Konferenz zur Bildungssystem von Roma in (und aus) Südosteuropa, die in diesen Tagen in Bonner Funkhaus der DW stattfand. Experten aus mehreren europäischen Ländern hatten so die Möglichkeit, sich auszutauschen und über ihre Erfahrungen zu berichten. Organisiert wurde die zweitägige Veranstaltung von der Südosteuropa-Gesellschaft in Kooperation mit der Deutschen Welle.

Vorzeigeprojekt in Bulgarien

Die Integration der Roma steht im Fokus der europäischen Politik, doch es mangelt an nachhaltigen Ergebnissen. Für Ilona Tomova aus Bulgarien gibt es dafür eine logische Erklärung: "Die Integrationsprogramme werden in der bulgarischen Gesellschaft nur sehr schwer akzeptiert, weil viele andere Menschen - nicht nur Roma - keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Gerade junge und ältere Menschen finden auch nur schwer einen Job." Deshalb würde die Mehrheitsgesellschaft alles, was für die Roma als Zielgruppe getan wird, als ein ungerechtes Privileg wahrnehmen, "das von Westeuropa durchgesetzt wird, mit dem Ziel, dass die Roma in Bulgarien bleiben".

Trotzdem stammt ein Vorzeigeprojekt für die Integration von Romakindern ausgerechnet aus Bulgarien. Schon seit 13 Jahren arbeitet die Nichtregierungsorganisation DROM in der bulgarischen Stadt Vidin an einem Projekt, durch das bislang mehr als 3000 Romakinder integrierte Schulen besucht haben. Rund 50 von ihnen haben es bereits an eine Universität geschafft. Über 500 Lehrer wurden für die Arbeit mit den Romakindern ausgebildet. Damit die Organisation weiterhin an dem Projekt arbeiten kann, braucht sie aber finanzielle Unterstützung und eine starke Interessenvertretung in den staatlichen Institutionen.

Das Bildungssystem als Hindernis

Viele der Integrationsprojekte werden vom Roma Education Fund (REF ) unterstützt: der einzigen überregional arbeitenden Organisation zur Bildungsförderung von Roma, in der Roma selbst Verantwortung übernommen haben. Momentan unterstützt die REF 337 Projekte in 14 Ländern.

Nedjo Osman, Roma-Mediator und Journalist, auf der Internationalen Konferenz zur Bildung der Roma in (und aus) Südosteuropa, die im Funkhaus Bonn am 24.9. und 25.9. stattfand (Foto: DW)
Nedjo Osman unterstützt Romakinder in KölnBild: DW

Vorstandsmitglied Nadir Rexhepi begleitet die Integrationsprozesse in Südosteuropa: "Wir haben es nicht erreicht, eine dauerhafte Unterstützung zu bieten. Die Geldgeber ziehen sich aus der Region zurück. Der Staat und die Behörden sind nicht motiviert genug oder nicht daran interessiert, die Bildung der Roma zu fördern", kritisiert er. Schulen und NGOs seien auf die kurzfristigen Probleme fokussiert, statt nachhaltige Lösungen zu finden.

Attraktives Deutschland

Die schwere Situation in den Heimatländern zwingt viele Roma und Sinti zur Auswanderung. Deutschland ist eines der beliebtesten Ziele. "Wenn die Romakinder und Jugendlichen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, über Bildung oder Integration sprechen, erzählen sie von ihrer Erfahrung in den Ländern, aus denen sie kommen. Und meistens ist das die Erfahrung der Ausgrenzung und der Diskriminierung. Sie wissen, was Angst ist“, sagt der Journalist und Theaterregisseur Nedjo Osman. Er arbeitet als Roma-Mediator an einer Förderschule in Köln, wo er Romakinder betreut.

"In Deutschland ist es für die Roma leichter als beispielsweise in Bulgarien und Rumänien“, so Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg. "Wenn wir hier diskriminiert werden, haben wir einen Rechtsstaat. Wir können uns verteidigen. Es gibt auch eine soziale Absicherung, wenn wir eben wirtschaftlich scheitern. Die gibt es in den anderen Ländern nicht."

Porträt von Daniel Strauß Landesvorsitzender Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg (Foto: privat)
Strauß: "In Deutschland ist es für Roma leichter als in Bulgarien oder Rumänien"Bild: privat

Weil viele Roma aus Südosteuropa in die Bundesrepublik ziehen, denken manche deutsche Stadtverwaltungen heute auch mehr über deren Integration nach. In Duisburg besipielsweise hat das kommunale Integrationszentrum Willkommenskurse an Schulen und Kindergärten entwickelt: Sie sollen die Kinder der zugewanderten Roma an die Bildung und das Leben in Duisburg heranführen. Außerdem gibt es jetzt in Duisburg mehrere interkulturelle Berater, die Rumänisch, Bulgarisch und Romanes sprechen.