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Freude bei Russen auf der Krim

Mikhail Bushuev1. März 2014

Die Russen in den größten Städten auf der Krim, Sewastopol und Simferopol, jubeln der Entscheidung aus Moskau zu, zusätzliche russische Truppen auf die ukrainische Halbinsel zu schicken.

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Russen in Sewastopol (Foto: Mikhail Bushuev, DW)
Bild: DW/M. Bushuev

Szenen auf der Krim: Autokorsos mit Fahnen der Russischen Föderation, jubelnde Menschen auf den Straßen in Sewastopol und Simferopol. Diese Menschen freuen sich, dass der Föderationsrat Russlands am Samstag einstimmig der Bitte von Präsident Wladimir Putin entsprochen hat, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden.

Davor hat unter Russen, die etwa 60 Prozent der Krim-Bevölkerung ausmachen, die Nachricht für Begeisterung gesorgt, dass das Referendum über den Status der autonomen Republik vom 25. Mai auf den 30. März vorgezogen wird. Denn das könnte der erste Schritt zu mehr Selbständigkeit der Halbinsel sein. Bis hin zu einer möglichen Abspaltung oder gar einem Anschluss an Russland.

Ein Symbol der Tapferkeit

Am Samstag gab es Massenkundgebungen in beiden großen Krim-Städten. In Sewastopol haben sich schätzungsweise mehr als 5000 Menschen auf dem größten Platz unweit der Stadtverwaltung eingefunden. "Rossija, Rossija", riefen sie. Sehr viele Leute tragen das Sankt-Georgs-Band, ein insbesondere in Russland bekanntes Symbol militärischer Tapferkeit, das als Andenken an den Sieg gegen Nazi-Deutschland gilt. Um den Seehafen in Sewastopol wurde 1941 bis 1942 eine der schwersten Schlachten des Zweiten Weltkrieges geschlagen. Hier ist russische Schwarzmeerflotte stationiert.

Die meisten Demonstranten wünschen sich eine Annährung an Russland. "Es ist unsere Wahl. Warum wird in der Welt nichts darüber berichtet", fragt sich Swetlana Konyschewa, eine Buchhalterin aus Sewastopol. Sie ist verwundert, dass die ukrainischen Medien "über Angst und Panik bei Leuten auf der Krim berichten" würden. Dabei sei doch das Gegenteil der Fall.

Einwohner von Sewastopol (Foto: Mikhail Bushuev, DW)
Russen mit dem Sankt-Georgs-Band, das als Andenken an den Sieg gegen Nazi-Deutschland giltBild: DW/M. Bushuev

Wenig Verständnis für neue Führung in Kiew

Selten war die Stimmung hier so politisch aufgeladen. In Cafés, Lebensmittelläden und auf der Straße wird nur über Politik gesprochen. Dabei war es vor kurzem noch ganz anders. "Wir leben hier sonst ganz, ganz ruhig. Wir sind auch während der Proteste in Kiew ruhig geblieben, bis die neue Führung als Erstes das Sprachgesetz gekippt hat. Das war der letzte Tropfen, dann sind auf einmal 30.000 Menschen auf diesen Platz gegangen", erinnert sich Galina, eine Kleinunternehmerin.

Die meisten in Sewastopol haben wenig Verständnis für die Revolution in Kiew, auch wenn die wenigsten im gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch einen guten Staatschef sahen. Aber die Leute, die in der ukrainischen Hauptstadt an die Macht gekommen sind, machen vielen auf der Krim Angst. "Wir wollen hier keinen Maidan", steht auf einigen Plakaten geschrieben. Die Russen in Sewastopol und Simferopol sorgen sich vor allem um ihr Recht, Russisch als regionale Sprache weiterhin nutzen zu dürfen. Allerdings hat der Interimspräsident Alexander Turtschinow sein Veto zur Entscheidung über das vom Parlament aufgehobene Sprachgesetz eingelegt.

Russische Einwohner erhoffen sich vom Kreml, dass die marode Wirtschaft der Halbinsel einen neuen Impuls bekommt. "Wir leben über 20 Jahren zusammen mit der Ukraine. Und was hat sie für die Krim getan? Wir haben 130 Milliarden Dollar Staatsschulden, die meine Enkelkinder werden begleichen müssen. Und unsere Wirtschaft liegt am Boden", moniert Maler Oleg Tanzüra, der sich "von Energie der Proteste" inspirieren lässt.

Die Sorgen der anderen Seite

Doch bei weitem nicht alle auf der Krim sind froh, dass die Krise in der Ukraine so eine Wendung genommen hat. Darunter sind auch einige Russen auf der Krim. Nicht alle unterstützen das Vorgehen Moskaus. "Ich habe Angst, dass es zu einem Krieg kommen kann", sagte Pawel, Manager aus Simferopol.

Tief besorgt sind die Minderheiten auf der Halbinsel - darunter Krimtataren, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung stellen. Oder die Ukrainer mit etwa 10 Prozent, die auch Ukrainisch sprechen. "Wir sind nur einen halben Schritt entfernt von einem Unglück", sagte der Vorsitzende eines großen krimtatarischen Verbandes, Refat Tschubarow.

Die Krimtataren haben keine guten Erinnerungen an die Kreml-Politik, da sie im Zweiten Weltkrieg von Josef Stalin zwangsweise nach Zentralasien umgesiedelt wurden. Heute wollen sie, dass die territoriale Integrität der Ukraine nicht verletzt wird, sind also gegen eine Abspaltung der Krim. Verbandschef Tschubarow hat die Bürger aufgerufen, nicht in Panik zu verfallen und zusammenzuhalten. "Wir sollten alle jetzt ruhig bleiben", sagte er im Fernsehen.

Für die Ukrainer auf der Halbinsel, die mehrheitlich die Revolution in Kiew unterstützt haben, stürzt nach der Bekanntgabe der russischen Entscheidungen eine Welt zusammen. "Wir sind schockiert", sagte Koordinator der Bewegung "Euromaidan Krim", Andrej Schekun: "Wir haben Angst, zu protestieren. Ich bin heute auf der Straße angegriffen worden."

Der Koordinator der Bewegung „Euromaidan Krim“, Andrej Schekun
Andrej SchekunBild: DW/M. Bushuev