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Vo Nguyen Giap ist tot

Rodion Ebbighausen4. Oktober 2013

Der brillante vietnamesische Stratege Vo Nguyen Giap ist im Alter von 102 Jahren gestorben. Mit seinen Siegen über Frankreich und die USA ist der General und ehemalige Verteidigungsminister Vietnams weltberühmt geworden.

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Schwarzweiß-Porträt von General Vo Nguyen Giap (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wie die Regierung von Hanoi mitteilte, ist Vo Nguyen Giap am Freitagabend (04.10.2013) nach langer Krankheit verstorben. Der Nationalheld war neben Ho Chi Minh das bekannteste Gesicht der vietnamesischen Unabhängigkeit. Er galt als scharfsinniger Intellektueller und militärisches Genie. Gefährten berichten von seinem zuweilen aufbrausenden Temperament und seiner Rücksichtslosigkeit. Für die Durchsetzung seiner Ziele schickte er Tausende in den Tod.

Revolutionär von Kindesbeinen an

Vo Nguyen Giap wurde am 25. August 1911 in der zentralvietnamesischen Provinz Quang Binh im Dorf An Xa geboren. Seine Eltern waren konfuzianisch gebildete Bauern. Der Großvater mütterlicherseits hatte gegen die Franzosen gekämpft und in dieser Tradition unterrichteten die Eltern ihre Kinder. Sie erzählten ihnen patriotische Heldengeschichte vom Widerstand, an denen die klassische vietnamesische Literatur reich ist.

Plakat mit Ho Chi Minhs Konterfei. Davor steht ein Soldat (Foto: HOANG DINH NAM/AFP/Getty Images)
Ho Chi Minhs Konterfei ist bis heute überall in Vietnam präsentBild: AFP/Getty Images

Um die Ausbildung zu vervollständigen, schickten die Eltern Giap anschließend in die alte Kaiserstadt Hue. Dort lernte er an der berühmtesten Eliteschule des Landes. Schon Ho Chi Minh und der spätere südvietnamesische Gegenspieler Ngo Dinh Diem waren dort ausgebildet worden.

Giap kam in Hue mit nationalistischen Intellektuellen in Kontakt, die sich in Zeitschriften und Essays für die Unabhängigkeit Vietnams von Frankreich stark machten. Der junge Revolutionär beteiligte sich an einem Streik, um gegen das Verbot einer nationalistischen Zeitung zu demonstrieren. Er wurde umgehend aus der Schule geworfen.

1930 landete er kurzzeitig im Gefängnis, da er sich erneut für die Unabhängigkeit Vietnams engagiert hatte. Zeitgleich gründete Ho Chi Minh die Kommunistische Partei Indochinas (KPI). Nach der Haft ging Giap nach Hanoi, wo er einen Hochschulabschluss in Jura, Ökonomie und Politik machte. Der Bewunderer Robespierres arbeitete als Geschichtslehrer und veröffentlichte sozialistische und kommunistische Essays und Pamphlete.

Der Kampf beginnt

Als 1940 der Krieg in Europa ausbrach, sah Ho Chi Minh die Zeit gekommen, die Unabhängigkeitsbestrebungen Vietnams voranzutreiben. Giap wurde, ohne eine entsprechende Ausbildung zu haben, von Ho Chi Minh beauftragt, eine Guerilla-Armee aufzubauen. Es fehlte nicht nur an Know How, sondern auch an Waffen und Ausrüstung, so dass die ersten Kämpfer mit Sandalen aus Autoreifen, uralten Gewehren und Speeren exerzierten. Dennoch hatte die Guerilla-Armee Zulauf und es gelang den Vietnamesen bald, die nördlichen Provinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs erklärte Ho Chi Minh im September 1945 die Unabhängigkeit Vietnams. Aber Frankreich wollte seine Kolonie nicht so leicht aufgeben. Der Erste Indochinakrieg begann und Giap ging als "Roter Napoleon" daraus hervor, also als ein genialer kommunistischer Feldherr à la Napoleon - nur eben nicht für, sondern gegen Frankreich. Der Journalist und Historiker Stanley Karnow stellt Giap in eine Reihe mit militärischen Führern wie Wellington, Grant, Lee, Rommel und MacArthur.

Dien Bien Phu

Der Ruhm Giaps gründet sich auf die Schlacht von Dien Bien Phu. Da es den Franzosen nicht gelang, einen entscheidenden Sieg gegen die Vietnamesen herbeizuführen, entschied der Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Indochina, General Navarre, 1953 in Dien Bien Phu eine militärische Basis zu installieren. Der Ort liegt im äußersten Nordwesten Vietnams. Von dort aus sollte das französische Expeditionskorps die Nachschublinien der Vietnamesen abschneiden. Die Franzosen waren sich sicher, dass die Festung für die Vietnamesen uneinnehmbar sein würde.

Schwarzweiß-Foto von französischen Kriegsgefangenen nach der Schlacht um Dien Bien Phu 1954 (Foto: AP Photo/Vietnam News Agency)
Französische Kriegsgefangene nach der Schlacht um Dien Bien PhuBild: AP

Sie unterschätzen Giaps strategisches Talent und den Willen der Vietnamesen. Giap gelang nicht nur die schwierige Versorgung seiner Truppen mit Fahrrädern, sondern auch die Installation schwerer Artillerie. Mit Hilfe russischer Flakgeschützen konnten die Vietnamesen außerdem die Versorgung der Festung aus der Luft weitgehend unterbinden. Dien Bien Phu war schon bald eingekesselt und isoliert.

Nach einem 54 Tage dauernden Kampf, der von beiden Seiten als außerordentlich blutig und erbarmungslos beschrieben wird, kapitulierten die Franzosen. Mit dem Sieg zerstörten die Vietnamesen den Glauben an die Unbesiegbarkeit westlicher Armeen und leiteten damit weltweit eine neue Ära des antikolonialistischen Widerstands ein.

Vollendung der Unabhängigkeit

Aber auch in den folgenden Jahrzehnten gestaltete Giap das Schicksal seines Landes. Als 1975 Saigon fiel - die Bilder der Evakuierung der amerikanischen Botschaft sind um die Welt gegangen - war Giap Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Armee. Er hatte damit die letzte große Schlacht geschlagen und seinen Traum von der Unabhängigkeit Vietnams verwirklicht.

Wenige Wochen vor der Kapitulation Südvietnams am 30. April 1975 drängen sich Amerikaner vor der US-Botschaft in Saigon, um für ihre vietnamesischen Ehefrauen ein Einreisevisum in die USA zu erhalten. (Schwarzweiß-Foto: picture-alliance/dpa)
Menschen flüchten vor der nordvietnamesischen Armee in die amerikanische BotschaftBild: picture-alliance/dpa

Bis 1980 blieb er Verteidigungsminister, war bis 1982 Mitglied des Politbüros und bis 1991 Mitglied des Zentralkomitees. Er schrieb eine Reihe von Büchern über militärische Theorie und Strategie. Bis ins hohe Alter mischte er sich in die Politik seines Landes ein.