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Misst Deutschland mit zweierlei Maß?

Katrin Matthaei17. Juli 2015

Burundi und Ruanda: In beiden Ländern streben die Präsidenten verfassungsrechtlich umstrittene Wiederwahlen an. Deutschland aber bewertet die Fälle völlig unterschiedlich - mit gefährlichen Folgen, warnen Kritiker.

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Bujumbura Burundi Protest Gewalt (Foto: rtr)
Soldaten patrouillieren in Burundis Hauptstadt BujumburaBild: Reuters/J. P. Harerimana

Seit Monaten gibt es in Burundi Proteste gegen Staatschef Pierre Nkurunziza. Nach seiner Interpretation lässt die Verfassung eine dritte Amtszeit zu. Deshalb will er sich bei den Präsidentschaftswahlen am 21. Juli wiederwählen lassen. Die Opposition dagegen sieht darin einen Verfassungsbruch und mobilisiert die Massen. Die Lage im Land beunruhigt die internationale Gemeinschaft. Auch Deutschland ruft alle Beteiligten zu einer friedlichen Lösung auf.

Weniger Aufmerksamkeit bekommt dagegen das Nachbarland Ruanda - dabei spielt sich dort derzeit etwas ganz ähnliches ab: Präsident Paul Kagame hat eine dritte Amtszeit ab 2017 fest im Blick, obwohl er laut Verfassung kein weiteres Mal antreten darf. Offiziell äußert er sich dazu nicht, aber seine Regierungspartei RPF will den Weg frei machen. Diese Woche hat sie eine wichtige Hürde genommen: Das Parlament sprach sich für ein Referendum aus. Die Ruander sollen also über die geplante Verfassungsänderung abstimmen.

Präsident von Ruanda Paul Kagame (Foto: AFP)
Ruandas Präsident Paul KagameBild: Getty Images/AFP/Z. Abubeker

Präsident Kagame führt Ruanda mit harter Hand, seit er 1994 mit seiner Rebellengruppe dem Völkermord an den Tutsi und gemäßigten Hutu ein Ende setzte. Ruanda gilt aufgrund seiner Stabilität, seines wirtschaftlichen Erfolges und seiner ehrgeizigen Sozialreformen als afrikanisches Vorzeigeland - auch aus Sicht der deutschen Bundesregierung.

Guter Präsident, schlechter Präsident

Zwei Staaten, zwei Präsidenten - und beide empfinden die Verfassung ihres Landes als Hindernis. Doch während der deutsche Botschafter in Ruanda klare Worte für Burundi findet, sieht das im Fall Ruanda ganz anders aus. Außergewöhnlich deutlich ergreift Peter Fahrenholtz Partei für eine Volksabstimmung, die eine Änderung der Verfassung ermöglichen würde. "Ich bin sicher, wir werden einen völlig transparenten und fairen Prozess zur Verfassungsänderung und zur Wahl haben. Da bin ich mir sicher, absolut sicher", sagte Fahrenholtz kürzlich der regierungsnahen ruandischen Zeitung New Times. Jetzt sei es an den ruandischen Wählern, die "nötigen Entscheidungen" zu treffen.

Im gleichen Interview empfiehlt er dagegen Burundis Präsident Nkurunziza: "Bitte beweisen Sie Weisheit. Das Beste wäre, wenn Sie beiseite träten und das Land nach vorne gingen ließen". Die klare Sprache ist bemerkenswert, weil deutsche Botschafter üblicherweise kaum Interviews geben. Und wenn doch, pflegen sie die diskrete Sprache der Diplomatie.

Botschafter in Ruanda Peter Fahrenholtz (Foto: dpa)
Peter Fahrenholtz, deutscher Botschafter in RuandaBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Verstoß gegen Menschenrechte

Verwundert war auch Stef Vandeginste, als er die Äußerungen des deutschen Botschafters las. Der Professor für Entwicklungspolitik an der Universität Antwerpen in Belgien hat Fahrenholtz sogar einen offenen Brief geschrieben und um Klärung gebeten. Vandeginste fragt sich vor allem, warum Deutschland Burundis Machthaber kritisiert, Ruanda aber weiterhin als Vorzeigestaat behandelt. "Werden in Ruanda Demokratie und Menschenrechte etwa stärker respektiert? Ist die Pressefreiheit dort besser geschützt? Gibt es eine robuste Zivilgesellschaft? Dürfen sich Oppositionsparteien frei äußern?" Nein, sagt Vandeginste. Der Botschafter habe ihm bislang nicht auf seinen Brief geantwortet.

Die Meinungs- und Pressefreiheit würden massiv eingeschränkt und Oppositionelle verfolgt, schreibt etwa die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem jüngsten Bericht über Ruanda. Das musste auch Fred Muvunyi am eigenen Leib erfahren: Der ruandische Journalist floh im Mai aus seiner Heimat in die Niederlande. "Ich musste ins Exil gehen, weil ich in meinem Land als Bürger keine Rechte habe - und das, obwohl bei uns kein Krieg und kein offener Konflikt herrscht", sagt er. Natürlich werde Ruanda von allen Seiten gelobt und Präsident Kagame habe Unglaubliches geleistet. "Aber jetzt wollen wir endlich auch eine politische Öffnung und Demokratie", sagt Muvunyi und ist enttäuscht, dass die internationale Gemeinschaft sein Land nicht dazu anhält.

"Zählt nicht auf uns"

Wie kann es sein, dass die deutsche Bundesregierung Burundi und Ruanda so unterschiedlich bewertet? Muss es in einem Land erst zu Instabilität und Unsicherheit kommen, damit ausländische Partnerstaaten den Machthabern die rote Karte zeigen? Spricht Botschafter Fahrenholtz hier für sich oder für die deutsche Bundesregierung? Zuständig ist das Auswärtige Amt in Berlin. Auf Anfrage der DW teilte eine Sprecherin mit: "Das Auswärtige Amt hat sich in den vergangenen Monaten mehrfach zu den Entwicklungen in Burundi geäußert und die große Sorge der Bundesregierung über die aktuelle Lage im Land zum Ausdruck gebracht". Zum Interview des deutschen Botschafts Fahrenholtz nahm sie keine Stellung.

Burundis Präsident Pierre Nkurunziza (Foto: AFP)
Burundis Präsident Pierre NkurunzizaBild: Getty Images/AFP/F.Guillot

Aussagen wie die von Peter Fahrenholtz seien katastrophal für die Glaubwürdigkeit der Entwicklungspartner, warnt Professor Vandeginste. Der Zivilbevölkerung, die für die Demokratisierung ihres Landes kämpfe, sende man damit die Botschaft: "Zählt nicht auf uns".

Journalist Muvunyi warnt, dass eine Verfassungsänderung fatal für Ruandas Zukunft sein könnte. "Kagame kann ja nicht ewig Präsident sein. Was machen wir, wenn sein Nachfolger ein Versager ist und wir ihn nicht abwählen können?"