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Politik

Oppositionelle in Ruanda verschwinden

Silja Fröhlich
2. August 2019

Verschwunden oder tot - Ruandas Oppositionspartei Forces Democratiques Unifiées "verliert" ihre Mitglieder auf mysteriöse Weise. Das Schicksal der Regierungskritiker ist unbekannt, doch wer ist verantwortlich?

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Symbolbild Kidnapping
Bild: Colourbox

Anselme Mutuyimana - tot, gefunden in einem Waldstück. Boniface Twagirimana, erster Vizepräsident der Forces Democratiques Unifiées (FDU­-Inkingi) in Ruanda - verschwunden. Jean Damascene Habarugira - tot, verstümmelt gefunden in einem Krankenhaus. Illuminee Iragena - seit 2016 verschwunden.

Seit ein paar Jahren erschüttert eine Reihe von mysteriösen Verschwinden die FDU-Inkingi, eine Koalition von Oppositionsparteien gegen Ruandas Präsident Paul Kagame. Der letzte Fall: Eugene Ndereyimana. Zuletzt sah man den 29-Jährigen am 15. Juli in seiner Heimat im südöstlichen Ngoma-Distrikt Ruandas, als er sich in die nordöstliche Stadt Nyagatare zu einem FDU- Treffen aufmachte. Doch der Kontakt zu ihm ging nur fünf Kilometer vom Veranstaltungsort verloren, seitdem fehlt von dem zweifachen Vater jede Spur.

Die FDU habe bereits das Investigationsbüro Ruandas kontaktiert - ohne Ergebnis. "Der Sicherheitsservice in Ruanda ist so perfekt, sie können uns nicht sagen, dass sie nichts wissen. Sie haben die Informationen, aber sie sagen es uns nicht", sagt Victoire Ingabire Umuhoza, Vorsitzende der FDU-Inkingi. Auch die Regierung melde sich nicht, betont der zweite Vizepräsident der FDU, Justin Bahunga im DW-Interview, "aber wenn dies eine vom Staat inszenierte Aktion war, um die Opposition in Ruanda zu stoppen, dann werden wir ihn (Ndereyimana) im schlimmsten Fall nicht wieder sehen."

Ruanda - Afrika-CEO-Forum in Kigali
Präsident Paul Kagame führt Ruanda mit eiserner HandBild: picture-alliance/C. Ndegeya

Schweigen aus Angst

Oppositionelle in Ruanda sehen sich seit langem Einschüchterung, Gewalt, Gefängnis oder der Aussicht auf Verschwinden ausgesetzt, sobald sie sich kritisch gegenüber Präsident Kagame und seiner Regierungspartei, der Ruandischen Patriotischen Front (RPF), äußern. Präsident Paul Kagame regiert das Land seit dem Genozid 1994. Während das Regime den Frieden und das Wirtschaftswachstum gestärkt hat, unterdrückt es gleichzeitig politische Meinungsverschiedenheiten durch umfassende Überwachung. Auf dem Demokratie-Index 2018 des "Economist" belegt Ruanda Platz 128 von 167 - zwischen Äthiopien und China.

"Kaum jemand in Ruanda spricht laut oder offen über die Dinge, die ihn stören, weil er sonst ein Feind des Staates ist", erklärt ein ruandischer Menschenrechtsaktivist, dessen Identität der Redaktion bekannt ist. "Wenn du überleben willst, misch dich nicht ein. Manche Leute schweigen, aber nicht, weil sie nichts zu sagen haben, sondern weil sie Angst vor Problemen haben", so der Aktivist. 

Sarah Jackson, stellvertretende Direktorin von Amnesty International für Ostafrika, bestätigt: "In der politischen Opposition in Ruanda zu sein ist ziemlich gefährlich. Mitglieder sind in den letzten Jahren verschwunden, die Fälle sind ungelöst, und das hat einen abschreckenden Effekt." Amnesty International fordere von der ruandischen Regierung, die Nachforschungen öffentlich und glaubwürdig zu machen. "Es ist unglaublich besorgniserregend, was in Ruanda passiert", so Jackson.

Ungeklärte Schicksale

Die FDU tappt in mehreren Fällen im Dunkeln, ebenso wenig ist bekannt, wer dahinter steckt. Anselme Mutuyimana wurde erwürgt, sein Kollege Boniface Twagirimana verschwand aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Er und acht weitere FDU-Parteimitglieder verbüßten nach einer Verhaftung im Jahr 2017 eine Strafe wegen der Bildung einer bewaffneten Gruppe und des Versuchs, die Regierung zu stürzen, was Twagirimana allerdings bestritt.

Symbolbild Folter Afrika
Das Schicksal vieler verschwundener Kritiker Ruandas bleibt ungewissBild: Getty Images/AFP/F. Buccialrelli

Im Mai 2017 verschwand Jean Damascene Habarugira, nachdem er zu einem Treffen mit einem für die Sicherheit seiner Ortschaft zuständigen Beamten einberufen wurde. Drei Tage später rief man seine Familie, um seinen Leichnam aus einem örtlichen Krankenhaus abzuholen. FDU-Vizepräsident Bahunga erklärt, die Augen seien ausgehöhlt und der Kopf beinahe abgeschnitten worden. Habarugira hätte sich gegen die Agrarpolitik der Gemeinde und die Brutalität der Polizei ausgesprochen. Und seit März 2016 ist auch Oppositionsaktivistin Illuminée Iragena verschollen.

Die Regierung schweigt

"Warum sollten Parteimitglieder zur Zielscheibe werden, wenn es nicht politisch motiviert wäre?", sagt Bahunga, der zu seiner eigenen Sicherheit in Großbritannien lebt, nachdem er von Ruandas Außenminister als "lästig" bezeichnet wurde. Kagames Regierung wolle die Kontrolle im Land behalten, daher müsse jede andere politische Macht im Keim erstickt werden, so Bahunga. Auch FDU-Chefin Umuhoza hält die Regierung für verantwortlich. Aber sie sagt, sie lasse sich nicht den Mund verbieten, "bis es Demokratie im Land gibt".

Die Regierung Ruandas, das als Aushängeschild Afrikas für Fortschritt gilt, hüllt sich gegenüber den Vorwürfen in Schweigen und reagierte nicht auf Nachfragen der DW. Der Pressesprecher des Investigationsbüros war zu einer Stellungnahme "nicht bereit" und der Justizminister war nicht zu erreichen.

Ruanda Entlassung aus Gefängnis | Victoire Ingabire, Opposition FDU-Inkingi
FDU-Chefin Victoire Ingabire verbüßte selbst eine verkürzte Haftstrafe von 8 Jahre, unter anderem wegen "Zusammenarbeit mit einer terroristischen Organisation und Völkermordideologie"Bild: Reuters/J. Bizimana

Die rote Linie überschritten

Kritiker haben es auch über die Grenzen Ruandas hinaus nicht leicht. 2014 wurde Patrick Karegeya, Ruandas ehemaliger Geheimdienstchef und später einer der Gründer des Regime-kritischen Ruanda National Congress, in seinem Hotelzimmer in Südafrika erdrosselt. Er hatte gegenüber der ugandischen Zeitung "The Observer" und der BBC 2010 Kagame als "Diktator" bezeichnet, der die Macht nicht abgeben werde. Er bezichtigte Kagame weiterhin, eine Reihe politischer Morde angeordnet zu haben. Als Kagame nach dem Tod Karegeyas nach einer möglichen Verwicklung der Regierung gefragt wurde, sagte er: "Ruanda hat diese Person nicht getötet. Aber ich wünschte, Ruanda hätte es getan." Kagame schickte noch eine Warnung an die Bevölkerung hinterher: "Jede noch lebende Person, die sich gegen Ruanda verschwört, wer auch immer sie ist, wird den Preis dafür zahlen."

FDU-Vizepräsident Bahunga sagt: "Die Regierung hat Gesetze erlassen, die jeden, der gegen sie spricht und ihrer Meinung nach das Volk aufhetzt, zum Kriminellen und Terroristen macht." Die Opposition in Ruanda müsse um ihr Leben fürchten. "Es gibt eine rote Linie, von der wir nichts wissen. Doch sobald man sie überschreitet, ist man zum Abschuss freigegeben." Doch er sieht eine Chance für einen Wandel: "Ndereyimana ist 29 Jahre alt, Mutuyimana war 30. Die Regierung sieht junge Leute als größte Gefahr. " Genau deshalb hofft Bahunga, dass diese Generation sich nicht weiter unterdrücken lässt.