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Ruf nach Konsequenzen im Dioxin-Skandal

5. Januar 2011

Wer ist schuld am Dioxin in Eiern und Tierfutter? Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein, die Bundesregierung prüft Konsequenzen. Jetzt schaltet sich auch die EU ein.

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Hühnereier (Foto: AP)
Am Stempelaufdruck können Verbraucher erkennen, wo die Eier herkommenBild: AP

Im Skandal um dioxinverseuchte Eier und Viehfutter prüft die Bundesregierung schärfere Regeln für die Hersteller. "Es stellt sich die Frage, ob es nicht ein zu hohes Risiko darstellt, wenn Betriebe, die Bestandteile für Futtermittel liefern, gleichzeitig technische Produkte vertreiben, die unter keinen Umständen in Lebensmittel oder Futtermittel gelangen dürfen", sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom Mittwoch, 05.01.2011). "Sie wolle verhindern, dass beispielsweise durch das Öffnen eines falschen Ventils legal lagernde, aber hochriskante Stoffe illegal in Futtermittel eingemischt werden könnten. Der Agrarausschuss des Bundestages plant eine Sondersitzung.

Unglaubwürdige Erklärungen

Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (Foto:dpa)
Für Verbraucherschutz zuständig: Ilse AignerBild: picture alliance / dpa

Deutliche Kritik übte die Ministerin an den für die Verseuchung großer Chargen von Eiern sowie Puten- und Schweinefleisch Verantwortlichen. Deren Erklärungsversuche seien "wenig glaubwürdig", sagte Aigner. Sie begrüße es, dass sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe.

Auslöser des Skandals ist Fertigfutter, dem dioxinbelastete Mischfettsäure beigemischt wurde, die nur für technische Zwecke bestimmt war. Ob dies aus Versehen geschah oder mit Absicht, ist noch unklar. Dioxin kann Krebs auslösen oder begünstigen.

Besorgt zeigt sich mittlerweile auch die Europäische Kommission: Die EU-Behörde will von Deutschland wissen, ob belastete Produkte wie Eier oder Fleisch in andere Mitgliedstaaten exportiert wurden.

Hunderte Betriebe gesperrt

Wegen des Funds waren am Montag allein in Niedersachsen rund 1000 Betriebe gesperrt worden, in Nordrhein-Westfalen am Dienstagabend vorsorglich etwa 140 weitere. Betroffen sind Legehennen-, Puten- und Schweinemastbetriebe. Die Behörden ordneten die Tötung Tausender Hühner an.

Der Schriftzug 'Power to the Bauer' auf der Wand eines Silos auf dem Firmengelände des Futterfett-Herstellers Harles und Jentzsch in Uetersen (Foto: dapd)
Dioxinverseuchte Fettsäure war zur Herstellung von Tierfutter verwendet wordenBild: dapd

Gegen die Hersteller-Firma Harles & Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein eröffente die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren. Zuvor war bekannt geworden, dass die Firma technische Mischfettsäure verwendet hatte. Es bestehe der konkrete Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen das Futtermittelrecht, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Die genaue Quelle der Dioxin-Verunreinigung ist aber bislang nicht bekannt. Die in den Skandal Verwickelten wiesen sich gegenseitig die Verantwortung zu. Harles & Jentzsch hatte nach eigener Darstellung jahrelang Reste aus der Biodiesel-Herstellung sowie der Nahrungsmittelindustrie aufgekauft und zu Tierfutter verarbeitet.

Mischfettsäure im Fokus

"Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist", sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert dem "Westfalen-Blatt".

Hamburger mit Spiegeleiern(Foto:DW)
Trotz Entwarnung: Der Appetit auf Hühnereier dürfte fürs erste wieder wieder vergangen seinBild: DW

Aufgrund der Kennzeichnung war aber klar, dass die Säure nur für die technische Industrie, etwa zur Herstellung von Schmiermitteln, geeignet war, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sagte. Harles & Jentzsch habe die von einem niederländischen Unternehmen bezogene Mischfettsäure aber zur Herstellung von Futterfett verwendet.

Entwarnung für Verbraucher

Eine Dioxin-Gefahr für die Verbraucher wegen belasteter Eier besteht nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung derzeit nicht. Die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen seien nicht besorgniserregend. Vieles deute darauf hin, dass keine exorbitant hohen Konzentrationen in den Lebensmitteln gefunden werden, hieß es.

Sorgen machen sich dagegen die Bauern. Der Deutsche Bauernverband befürchtet einen Millionenschaden wegen der gesperrten Höfe, die nichts verkaufen dürfen. "Wir reden über eine Sperrung von vielleicht einer Woche. Das tut weh. Das sind sehr schnell 10.000 oder 20.000 Euro Umsatz weniger in einem landwirtschaftlichen Betrieb", sagte Generalsekretär Helmut Born und forderte Schadenersatz: "Wer den Schaden verursacht, bezahlt ihn auch."

Vorwurf der Profitgier

Porträt Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Foto: dpa)
Graefe zu Baringdorf sieht Kriminelle am WerkBild: Picture-Alliance/dpa

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der vor allem kleinere Höfe angehören, warf den Verursachern kriminelle Energie vor. "Es muss der Eindruck entstehen, dass bei der Futtermittelherstellung bewusst Giftstoffe untergemischt werden, mit dem Ziel, zusätzliche Gewinne zu erzielen, ohne Rücksicht auf die Folgen für Tier und Mensch", sagte der Bundesvorsitzende und Grünen-Politiker Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf.

Er erinnerte dabei an den belgischen Dioxin-Skandal aus dem Jahr 1999, bei dem Transformatorenöl ins Futter gemengt worden war. Auch der Fall von dioxinverseuchtem Schweinefleisch aus Irland vor gut zwei Jahren sei durch falsches Öl im Futter ausgelöst worden.

Autorin: Eleonore Uhlich (dapd, dpa)
Redaktion: Thomas Grimmer