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Forderung nach neuer Flüchtlingspolitik

4. Oktober 2013

Nach dem Flüchtlingsdrama vor Lampedusa haben Politiker und humanitäre Organisationen ein Umdenken in der EU-Einwanderungspolitik gefordert. Vor der italienischen Insel sind bis zu 300 afrikanische Flüchtlinge ertrunken.

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Leichensäcke in einem Flugzeughangar in Lamdedusa (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Karussell: Nach Schiffsunglück vor Lampedusa

Bundespräsident Joachim Gauck forderte die Europäische Union auf, Flüchtlingen einen besseren Schutz angedeihen zu lassen. "Leben zu schützen und Flüchtlingen Gehör zu gewähren, sind wesentliche Grundlagen unserer Rechts- und Werteordnung", sagte Gauck in Berlin. "Zuflucht Suchende sind Menschen - und die gestrige Tragödie zeigt das - besonders verletzliche Menschen. Sie bedürfen des Schutzes. Wegzuschauen und sie hineinsegeln zu lassen in einen vorhersehbaren Tod, missachtet unsere europäischen Werte", betonte das deutsche Staatsoberhaupt.

Auch die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgieva, forderte einen besseren Zugang für Flüchtlinge in die Europäische Union: "Wir müssen nicht nur unsere Herzen und Geldbeutel offenhalten, sonden auch unsere Grenzen, sagte sie der Tageszeitung "Die Welt". Die EU basiere auf Solidarität. "Das bedeutet, dass wir Menschen willkommen heißen müssen, wenn sie unsere Hilfe brauchen."

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte von Deutschland ein stärkeres Engagement für die Flüchtlinge. Nach Jahren der Abschottungspolitik müsse sich die Bundesregierung nun entschieden mehr für Solidarität in der EU-Flüchtlingspolitik einsetzen, sagte der Direktor des Europabüros von Amnesty, Nicolas Berger, der Deutschen Presseagentur. "Die Bundesregierung darf nicht zusehen, wie weiter Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen sterben und Asylsuchenden ein faires Verfahren verweigert wird."

Vor der italienischen Insel Lampedusa sind bislang mehr als 100 Leichen der Schiffskatastrophe vom Donnerstag geborgen worden. Das in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartete Schiff mit bis zu 500 Flüchtlingen aus afrikanischen Ländern an Bord war wenige hundert Meter vor der Nachbarinsel Lampedusas gekentert.

Die Flüchtlinge hatten nach eigenen Angaben eine Decke in Brand gesteckt, um die Küstenwache auf ihr Schiff aufmerksam zu machen, nachdem der Motor ausgefallen war. Als das Feuer an Bord außer Kontrolle geriet, brach Panik aus, woraufhin das 20 Meter lange Schiff kenterte und viele Insassen in die Tiefe riss. Nur 155 Flüchtlinge konnten gerettet werden. Etwa 200 Menschen gelten als vermisst. Hoffnung, sie lebend zu finden, gibt es kaum noch. Taucher berichteten, sie hätten um das Wrack in 40 Metern Tiefe noch zahlreiche Leichen gesehen.

Die italienische Regierung rief angesichts der Katastrophe eine eintägige Staatstrauer aus. Die Fahnen wurden auf Halbmast gesetzt. Vielerorts gab es Schweigeminuten. Staatspräsident Giorgio Napolitano rief laut Presseberichten zu einer Überarbeitung des Einwanderungsgesetzes auf. Italien müsse rasch überprüfen, "welche Regeln die Aufnahme behindern, die unseres Landes würdig ist und den Grundprinzipien von Menschlichkeit und Solidarität entspricht".

Italiens Präsident Napolitano (Foto: picture-alliance/dpa)
Italiens Präsident NapolitanoBild: picture-alliance/dpa

Innenminister Angelino Alfano forderte bei einem Besuch auf Lampedusa mehr Hilfen der EU-Staaten bei Patrouillen entlang der Seegrenze, um die gefährlichen Überfahrten der Flüchtlinge zu unterbinden. "Dieses Meer ist die Grenze zwischen Afrika und Europa, nicht zwischen Afrika und Sizilien", sagte Alfano. "Dies ist nicht allein ein italienisches Problem." Der Minister kündigte an, in Brüssel mit EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström über das Thema zu sprechen. Die Kommissarin spielte den Ball zurück. "Kann man mehr tun? Ja, aber das ist eine Sache der Mitgliedsstaaten", sagte der Sprecher Malmströms in Brüssel.

Auf Antrag Italiens werden sich die EU-Innenminister bei ihrem Treffen am Dienstag in Luxemburg mit dem tödlichen Schiffsunglück befassen. Konkrete Ergebnisse würden nicht erwartet, erklärten EU-Diplomaten.

wl/se (dpa, afp, epd, rtr)