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Basis unzufrieden

Steffen Leidel 16. März 2008

Im Konflikt mit Kolumbien rasselte Venezuelas Staatschef Chávez mächtig mit dem Säbel. Doch die Polter-Diplomatie kann das Rumoren im eigenen Land nicht mehr lange übertönen. Auch an der Basis regt sich Unmut.

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Ballt gerne mal die Faust: Hugo ChávezBild: AP

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez versteht es, die Weltöffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Das hat er mehrfach bewiesen. Ob er Bush teuflischen Schwefelgeruch nachsagte oder die Chefs des Öl-Multis Exxon "Banditen" schimpfte, Chávez' verbale Keulen schaffen es regelmäßig in die Weltnachrichten, die sich sonst nur wenig um Lateinamerika scheren.

Unüberhörbar war die Droh-Diplomatie des venezolanischen Präsidenten, nachdem kolumbianisches Militär auf ecuadorianischem Territorium den hochrangigen FARC-Rebellen Raul Reyes getötet hatte. Chávez ließ sogar Truppen an der Grenze zu Kolumbien aufmarschieren. Zwar war sein eigenes Territorium nicht betroffen, doch es galt dem Bruder im Geiste, Rafael Correa, beizustehen, dessen Land so wie Nicaragua, Bolivien und Kuba zu Chavéz treuesten Verbündeten gehört.

Kein Krieg droht

Die Welt erschrak, doch plötzlich war alles nur noch Schall und Rauch, schon lag sich Chávez mit dem kolumbianischen Präsidenten Uribe wieder in den Armen. Weitere Unstimmigkeiten sind jedoch nicht auszuschließen. Nächste Gelegenheit bietet sich am Montag (16.03.2008), wenn sich die Außenminister der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington treffen. Venezuela und Ecuador drängen auf eine Verurteilung der kolumbianischen Intervention.

Die Gefahr eines bewaffneten Konfliktes ist gering, wirtschaftlich zu sehr verwoben sind die Länder. Kaum ein Experte hatte je wirklich mit einem Krieg in der Region gerechnet. Der Konflikt mit Kolumbien sei Chávez gerade recht gekommen, um von seinen eigenen innenpolitischen Problemen abzulenken, schrieb kürzlich der peruanische Schriftsteller und Chávez-Feind Mario Vargas Llosa.

Kritik aus eingefleischten Anhänger

Zu Hause steht es nicht gerade zum Besten für den Anführer des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Zwar ist Chávez nach wie vor mächtig, doch selbst bei immer mehr eingefleischten Anhängern, für die Kritik am Präsidenten lange Zeit Tabu war, ist er nicht mehr unumstritten. Venezuela kämpft mit einer galoppierenden Inflation, die Versorgungskrise hält an, für Grundnahrungsmittel müssen sich die Menschen häufig endlos anstehen. Das verdirbt den Spaß an der Revolution.

Venezuela Abgeordneter Luis Tascon in Caracas
Sieht sich als Kämpfer gegen die Korruption: Luis TascónBild: AP

Vor kurzem wagte gar der Vorzeige-Chavist Luis Tascón scharfe Kritik am Präsidenten. "Viele an der Basis sind unzufrieden", sagte der 39-Jährige in einem Interview mit der Zeitung El País. Tascón, der vielen Chávez-Fans ein Vorbild ist, wurde bekannt, weil er 2004 die Namen von vier Millionen Venezolanern veröffentlichte, die sich in einem Referendum für eine Amtsenthebung von Chávez ausgesprochen hatten. Die Opposition beklagt bis heute, dass viele wegen ihrer Unterschrift Repressalien erdulden mussten.

Táscon beschwerte sich über einen Korruptionsfall, in den der Bruder von Diosdado Cabello, Gouverneur des Staates Táchira und enger Vertrauten des Präsidenten, verwickelt sein soll. Chávez reagierte darauf dünnhäutig und forderte Tascóns Ausschluss aus der Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas PSUV.

Sozialprogramme ohne Wirkung?

Die Partei wählte kürzlich ihre Führung. Tascón beklagte sich über den Wahlprozess: "Als Chávez die PSUV gründete, sagte er, sie sei die demokratischste Partei der Welt. Das stimmt nicht." Der Präsident habe Glück gehabt, dass der Konflikt mit Kolumbien die Querelen um die Partei verdrängt habe.

Doch Chávez "außenpolitisches Blendwerk" verliere zunehmend an Wirkung, glaubt der Lateinamerika-Experte Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Seine Akzeptanz hängt künftig vor allem von einer innenpolitisch sauberen Amtsführung ab". Chávez selbst ist von Korruptionsvorwürfen bislang unbeschadet geblieben.

Allerdings spricht längst nicht mehr nur die Opposition von Günstlingswirtschaft und Mittelverschwendung bei Chávez Sozialprogrammen, den "Misiones". Und nachhaltig verbessert hat sich für viele Arme auch nichts. Der frühere Chefökonom der venezolanischen Nationalversammlung, Francisco Rodríguez, kommt in einem Beitrag für die renommierte Zeitschrift Foreign Affairs sogar zu dem vernichtenden Schluss, dass Chávez' Sozialprogramme "kaum Wirkung" gezeigt haben. Für manche Arme habe sich die Situation sogar verschlechtert.