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Russlands Blick auf die USA

Roman Goncharenko5. November 2012

Russland blickt gespannt auf die US-Präsidentschaftswahl. Auch wenn ein Neustart der Beziehungen zwischen Moskau und Washington unter Obama als misslungen gilt, wäre Romney der schwierigere Partner.

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Blick auf die Kreml-Mauer (Foto: dpa)
Blick auf die Kreml-MauerBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wladimir Putin ist nicht dafür bekannt, die USA zu loben. Viel öfter hört man aus Moskau Kritik. Doch in einem Fernsehinterview im September 2012 wählte der Kremlchef freundliche Worte, als er über seinen Amtskollegen im Weißen Haus, Barack Obama, sprach: "Ich glaube, dass er ein aufrichtiger Mensch ist und wirklich vieles zum Besseren verändern will."

Unter Obama habe sich das russisch-amerikanische Verhältnis positiv verändert, sagte Putin. Er würdigte das 2010 unterzeichnete Abrüstungsabkommen über Nuklearwaffen und die Unterstützung Washingtons beim Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation (WTO) 2012. Auch was die NATO-Raketenabwehr in Europa angehe, die Putin als eines der "Schlüsselprobleme" in den Beziehungen beider Länder bezeichnete, sei Obama ein Partner, der "das Problem ehrlich lösen" wolle. Für den Direktor des Moskauer Carnegie-Zentrums Dmitri Trenin ist klar: Könnte Putin bei der Wahl in den USA am 6. November 2012 abstimmen, "dann würde der Kreml für Obama votieren".

Sympathien für Obama

Noch deutlicher als Putin hatte sich einst dessen Vorgänger Dmitri Medwedew geäußert. Er hege "gewisse Sympathien" für Obama und hoffe, dass dieser seinen Job fortsetzen werde, sagte Medwedew, als er noch Chef im Kreml war.

Ähnlich wie Putin und Medwedew sehen dies wohl auch viele Russen. Das ergab der aktuelle DW-Trend. So glauben 38 Prozent der Befragten, dass der Vertreter der Demokratischen Partei, Obama, als Präsident besser für Russland sei. Nur vier Prozent sagten dies über seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Die Umfrage wurde im Auftrag der Deutschen Welle rund einen Monat vor der US-Wahl in Russland durchgeführt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das Moskauer Meinungsforschungsinstitut WZIOM; danach würden 42 Prozent der Befragten eine zweite Amtszeit Obamas begrüßen.

Neustart versucht und gescheitert

Positiv gewertet wird, dass Obama einen "Neustart" des Verhältnisses zu Russland versucht hatte. Anders als sein Vorgänger George Bush vermied er es, Moskau scharf zu kritisieren. Russland sei Partner, kein Gegner, so Obamas Botschaft. Die von Moskau kritisierten Pläne der Bush-Administration, die Ex-Sowjetrepubliken Ukraine und Georgien schnell in die NATO aufzunehmen, ließ er fallen. Aber auch Moskau ging auf Washington zu. So erlaubte Russland die Nutzung seines Territoriums für die Versorgung der NATO-Truppen in Afghanistan.

Portrait von Barack Obama (Foto: REUTERS)
Barack Obama sieht in Russland einen Partner und keinen GegnerBild: Reuters

Doch der "Neustart" gilt inzwischen nicht nur in Moskauer Fachkreisen als gescheitert. So meinen 40 Prozent der Russen, die russisch-amerikanischen Beziehungen hätten sich unter Obama verschlechtert, so der aktuelle DW-Trend. Nur 23 Prozent sehen eine Verbesserung des Verhältnisses.

Zunehmende bilaterale Spannungen

Vor allem auf internationalem Parkett vertreten Russland und die USA immer öfter konträre Positionen. So kritisierte Moskau den NATO-Einsatz in Libyen und blockierte Syrien-Resolutionen im UN-Sicherheitsrat. Aber auch im bilateralen Verhältnis gibt es Spannungen. Jegliche Kritik aus Washington an den jüngsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wies Moskau als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. Nichtregierungsorganisationen werden laut einem neuen Gesetz als "Agenten" gebrandmarkt, wenn sie Gelder aus dem Ausland annehmen. Die USA sind einer der größten Förderer der Entwicklung einer Zivilgesellschaft in Russland. Aber das Hilfsprogramm USAID musste seine Arbeit in Russland zum 1. Oktober 2012 einstellen. Die russischen Behörden hatten die Zulassung für USAID nicht verlängert.

Für besonders viel Irritation sorgt in Moskau derzeit die so genannte Magnizki-Liste, ein US-Gesetzentwurf, der unter anderem Einreiseverbote für russische Beamte vorsieht. Sie sollen für diejenigen gelten, die Washington für den Tod des russischen Wirtschaftsanwalts Sergej Magnizki in einem Moskauer Gefängnis im Jahr 2009 verantwortlich macht.

Romney eine Katastrophe?

Sollte Obama bei der Präsidentenwahl gewinnen, hofft Moskau doch noch zu einer Einigung in einem zentralen Punkt zu kommen – dem Streit über die geplante NATO-Raketenabwehr in Europa. Bei einem Treffen mit dem damaligen russischen Präsidenten Medwedew sagte Obama, nach der Wahl werde er in dieser Frage "flexibler" sein. Diese Botschaft war jedoch nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Sie wurde zufällig von Kameras festgehalten. Obamas Herausforderer, Mitt Romney, warf seinem Gegner im Wahlkampf vor, eine zu weiche Haltung gegenüber Russland einzunehmen. Mit ihm, so Romney, werde es "keine Flexibilität" in Sachen Raketenabwehr geben. Er bezeichnete Russland als Amerikas "geopolitischen Gegner Nummer eins".

Mitt Romney hält eine Rede (Foto: Justin Sullivan/Getty Images)
Mitt Romney fordert eine härtere Haltung gegenüber RusslandBild: Getty Images

In Russland sind diese Äußerungen nicht unbemerkt geblieben. Romneys Sieg hätte "katastrophale Folgen" für die amerikanisch-russischen Beziehungen, meint Sergej Rogow, einer der führenden USA-Experten in Moskau. Dmitri Trenin vom Carnegie-Zentrum glaubt, Romney könnte für Moskau ein schwierigerer Partner als Obama werden, sein Handeln werde aber nicht so radikal sein, wie es derzeit erscheinen möge. Als Präsident werde Romney gezwungen sein, anders zu handeln, so der Experte. Ein Wandel des Republikaners - zur politischen Mitte hin - sei durchaus möglich.