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Wird Sputnik V in Deutschland produziert?

Uwe Hessler
5. Februar 2021

Eine ostdeutsche Firma ist in Gesprächen, um Russlands Impfstoff Sputnik V zu produzieren. Die Politik will das unterstützen, doch die Firma selbst gibt sich vorsichtig.

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Deutschland IDT Biologika in Dessau-Roßlau
Bild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Die Nachricht am Anfang der Woche, dass sich der russische Corona-Impfstoff Sputnik V in einer wissenschaftlichen Studie als wirksam und sicher erwiesen hat, sorgte in Deutschland für hektische Betriebsamkeit.

Am Mittwoch (03.02.) sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, es würden Gespräche mit Moskau geführt, um Produktionskapazitäten für den Impfstoff in Deutschland auszuloten. Einen Tag später bestätigte die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, dass die russischen Entwickler die Firma IDT Biologika in Dessau kontaktiert haben.

"Es gibt keine ideologischen Vorbehalte gegen Sputnik V. Wir begrüßen alles, was im Kampf gegen Corona helfen kann", sagte ein Sprecher von Ministerpräsident Reiner Haseloff und stellte der Firma Unterstützung in Aussicht. "Wenn IDT Biologica den russischen Impfstoff produzieren will und dieser in der EU zugelassen würde, würden wir als Landesregierung natürlich alles tun, um dem Unternehmen zu helfen."

Die Möglichkeit, bald einen weiteren Impfstoff zu haben, wurde in Deutschland sehr begrüßt, denn hier wächst der Unmut über die im Vergleich zu Ländern wie den USA, Israel und dem ehemaligen EU-Mitglied Großbritannien schleppende Entwicklung bei Impfungen.

Deutschland Spahn besucht Impfstoffhersteller IDT Biologika
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (2. v.r.) hofft auf mehr Impstoffproduktion in DeutschlandBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Besonders laut ist die Kritik, weil es die Bundesregierung versäumt hat, sich einen bevorzugten Zugang zum Impfstoff von Biontech-Pfizer zu sichern, obwohl Biontech in Deutschland beheimatet ist und dessen Impfstoff der erste war, der in einem westlichen Land zugelassen wurde.

Die Zeit drängt

IDT Biologika entwickelt und produziert Impfstoffe und andere Arzneimittel im Auftrag von Pharmafirmen aus der ganzen Welt. Das Unternehmen wurde vor fast genau 100 Jahren gegründet und beschäftigt rund 1.400 Mitarbeiter in den Werken in Dessau-Roßlau und Magdeburg - beide in Ostdeutschland - sowie in Rockville im US-Bundesstaat Maryland. 

Als sich das Coronavirus im letzten Jahr auszubreiten begann, versuchte das Unternehmen zunächst, einen eigenen Impfstoff zu entwickeln. Dabei wurde es von der Regierung mit 114 Millionen Euro für die klinischen Phase-I-Studien unterstützt. Doch der mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) entwickelte Impfstoff MVA-SARS-2-S konnte beim Menschen keine ausreichende Immunreaktion hervorrufen.

Zu Jahresbeginn teilte IDT Biologika dann mit, an der Verbesserung des Impfstoff zu arbeiten, aber zwei Monate hinter dem Zeitplan zu liegen. Als Auftragshersteller für andere Pharmafirmen ist das Unternehmen jedoch stark in das weltweite Impfstoff-Rennen eingebunden. So hat es in seinem 2019 eröffneten Werk in Dessau-Rosslau seit Januar acht Millionen Dosen des Covid-19 Impfstoffs produziert, den AstraZeneca mit der Universität Oxford entwickelt hat.

Der Geschäftsführer von IDT Biologika, Jürgen Betzing, wollte sich bisher nicht zu einer möglichen Herstellung des russischen Sputnik-Impfstoffs äußern. Er teilte nur mit, dass sein Unternehmen in Gesprächen mit verschiedenen Herstellern sei, um "die Herausforderungen einer zuverlässigen Impfstoffversorgung zu diskutieren".

"Unser Know-how ist derzeit sehr gefragt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" vom Donnerstag und betonte, sein Unternehmen gehöre weltweit zu den wichtigsten Akteuren in der Herstellung von Impfstoffen.

Gleichzeitig dämpfte Betzing die Hoffnungen auf eine schnelle Einführung von Sputnik V in Deutschland: Die Vorbereitungen für die Produktionen eines neuen Impfstoffs würden mindestens vier bis fünf Monate dauern. "Das wäre sehr ambitioniert, aber wir trauen uns das zu", so Betzing.

Anfang der Woche hatte IDT-Entwicklungschef Andreas Neubert im Deutschlandfunk vor zu hohen Erwartungen gewarnt. Das Unternehmen habe derzeit keine Kapazitäten, "die wirklich frei sind, aber wir haben Kapazitäten, die wir ausbauen könnten".

Das aber sei keine Frage des Geldes, sondern der Zeit. "Die Zeit ist das, was uns fehlt", so Neubert. "Für jeden Prozess, den ich etabliere, für jede Qualitätskontrolle, für jedes Verfahren, was ich etabliere, muss ich eine entsprechende Zeit einplanen. Wenn ich diese Zeit nicht habe, dann geht das einfach nicht."

Coronavirus | Russischer Impfstoff Sputnik V
Der russische Impfstoff Sputnik V wird bereits in 15 Ländern eingesetztBild: Dmitry Rogulin/ITAR-TASS/imago images

Bald auch EU-weit zugelassen?

Wenn die EU-Behörden grünes Licht geben, wäre Sputnik V der vierte in Europa zugelassene Impfstoff, nach den Vakzinen von Biontech-Pfizer, Moderna und AstraZeneca. Deren Verbreitung wird derzeit aber durch Lieferverzögerungen, Produktionsengpässe und politische Fehlentscheidungen behindert.

Die renommierte medizinische Fachzeitschrift The Lancet hatte am Dienstag berichtet, dass für Sputnik V in einer Phase-III-Studie eine hohe Wirksamkeit von 91,6 Prozent nachgewiesen wurde.

Die russische Führung war im vergangenen Jahr dafür kritisiert worden, den vom staatlichen Gamaleja Forschungszentrum entwickelten Impfstoff massenhaft verabreicht zu haben, bevor alle Studien abgeschlossen und die Ergebnisse analysiert waren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nun die Hilfe der deutschen Regierung angeboten, um die Zulassung von Sputnik V in der Europäischen Union zu beschleunigen. Frankreich und Spanien haben bereits Interesse signalisiert, den Impfstoff einzusetzen.

Nach Angaben des russischen Staatsfonds RDIF, der die Entwicklung des Impfstoffs finanziert hat, wurden bisher mehr als zwei Millionen Menschen in 15 Staaten mit Sputnik V geimpft, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. In der EU wird der Impfstoff bisher nur ein Ungarn eingesetzt, wo er im Januar eine Notfallzulassung erhielt.

 

 

Adaption aus dem Englischen von Andreas Becker.