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Russischer Realismus

Ingo Mannteufel3. Dezember 2004

Präsident Putin ist bis zum 5.12. auf Staatsbesuch in Indien. Seine Visite macht die Ziele der russischen Außenpolitik deutlich: Integration Russlands in die Weltwirtschaft, WTO-Beitritt, Steigerung des Exports.

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In vielem einer Meinung: Putin und SinghBild: AP

Die Beziehungen zwischen Russland und Indien gelten traditionell als gut. Zu Sowjetzeiten - insbesondere in den 60er und 70er Jahren - erwies sich Moskau als wichtiger Partner Indiens und unterstützte es in der Auseinandersetzung mit Pakistan. An dieser grundsätzlichen Haltung Moskaus hat sich auch nichts geändert, auch wenn Indien mit dem Ende des Kalten Krieges sicherheitspolitisch eine Annäherung an die USA begann.

Ideologische Träumereien sind passé

Russische Außenpolitiker räumen Indien in ihrer Rhetorik weiterhin eine wichtige Rolle ein. In offiziellen russischen Verlautbarungen wird Indien als ein wichtiger Partner in der multipolaren Weltordnung bezeichnet. Das ist verständlich, ist Indien doch Heimat von einem rund Fünftel der Erdbevölkerung. Daher nannte Putin vor einigen Wochen ausdrücklich Indien neben den USA, der EU, China, Japan, Südafrika und Brasilien als einen "Pol der Weltzivilisation".

Vorbei sind jedoch die Zeiten, als der russische Außenminister und Ministerpräsident Jewgeni Primakow Ende der 90er Jahre ein gegen die USA gerichtetes russisch-indisch-chinesisches Bündnis propagierte. Im Kreml scheint man eingesehen zu haben, dass Russland für ein derartiges Bündnis nicht über die notwendigen Ressourcen verfügt - auch wenn Russland und Indien ähnliche Interessen besitzen.

Gemeinsame Interessen

Russland und Indien sehen nach eigener Lesart ihre territoriale Integrität durch islamistische Terroristen bedroht: Indien in Kaschmir, Russland in Tschetschenien. Aus dem Grund werden Präsident Putin und seine indischen Gesprächspartner schnell eine gemeinsame politische Sprache finden. Kritik an Tschetschenien oder seinem im Westen so umstrittenen innenpolitischen Kurs hat Putin mit Sicherheit nicht zu erwarten.

Gemeinsame Interessen finden Moskau und Neu-Delhi auch im Bereich der Nuklearkooperation und bei Rüstungsgeschäften. Seit Jahren vervollständigt Indien sein Militärarsenal mit russischen Su-30 Kampfflugzeugen, T-90 Panzern und hochmodernen Atom-U-Booten der Akula-II-Klasse. Anfang 2004 leistete sich Neu-Delhi den Kauf des russischen Flugzeugträgers Admiral Gorschkow. Neben China ist Indien mit fast einem Fünftel aller russischen Waffenexporte einer der Top-Einkäufer russischer Militärtechnik. Ebenso baut Russland in Südindien zwei Atomkraftwerke mit jeweils 1000 Megawatt Leistung. Der erste Reaktor wurde vor wenigen Tagen geliefert.

Schwäche des russisch-indischen Handels

Abgesehen von diesem sicherheitspolitisch relevanten Handelsaustausch sind die russisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen nicht sehr umfangreich: Jährlich beträgt der gesamte Warenaustausch nur rund 1,5 Milliarden US-Dollar. Deshalb gilt Putins Hauptinteresse bei seinem Besuch der Steigerung des russischen Exports nach Indien. Das passt in die allgemeine Linie der russischen Außenpolitik, die von Putin verordnete ökonomische Modernisierung des Landes zu unterstützten. Zentrales Anliegen dabei ist die Integration Russlands in die Weltwirtschaft, namentlich dem Beitritt in die Welthandelsorganisation (WTO). Mit der erwarteten Unterzeichnung von Indiens Zustimmung zum russischen WTO-Beitritt während Putins Besuch in Indien dürften die guten russisch-indischen Beziehungen eine weitere Bestätigung erhalten.