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Russisches Coupé

Joscha Weber (aus Rio de Janeiro)9. August 2016

Die Teilnahme des russischen Teams an den Spielen in Rio ist umstritten. Die Athleten interessiert die Debatte wenig. Im Fechten machen zwei Russinen Gold unter sich aus und sehen die Dopingaffäre als reines Politikum.

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Brasilien Olympische Spiele in Rio - Fechten Sofia Welikaja vs. Jana Karapetowna Jegorjan
Bild: Getty Images/P. Smith

Jana Jegorjan sackt in sich zusammen. Sie fällt zu Boden als hätte sie ein Blitz getroffen. Dann verharrt sie sekundenlang kniend auf der Planche, beide Hände um den Säbel gefaltet als würde sie beten. Vielleicht tut sie es sogar in diesem Moment des Erfolges. Mit 15:14 hat die Russin gerade im Einzelfinale des Säbelfechtens ihre Landsfrau und Favoritin Sofja Welikaja besiegt und Gold geholt. Welikaja, ihres Zeichens Weltmeisterin und Weltranglistenerste, geht stumm davon und überlässt ihrer neun Jahre jüngeren Teamkollegin den Ort des Triumphes. Dort wird die 22-Jährige nun mit "Rossija, Rossija"-Sprechchören frenetisch gefeiert. Die Carioca-3-Halle steht und mindestens die Hälfte davon trägt Weiß-Blau-Rot.

Jegorjan ohne Angst zu Gold

Zwei Russinnen machen im Finale Gold und Silber unter sich aus. Zwar ist Welikaja gebürtige Kasachin und Jegorjan gebürtige Armenierin, doch beide kämpfen seit langem für Russland und liefern sich ein packendes Duell. Auf der einen Seite die erfahrene Sofja Welikaja, Silbermedaillen-Gewinnerin von London. Es ist beeindruckend zu sehen, wie präzise sie ihr 105 cm langes und 500 Gramm schweres Sportgerät immer wieder ins Ziel führt. Auch in die Defensive gedrängt, kann Welikaja nicht nur den Attacken von Jegorjan ausweichen, sondern landet auch in Rücklage noch Treffer auf dem Oberkörper ihrer Konkurrentin und zieht auf 8:5 davon.

Fechten Sofia Welikaja vs. Jana Karapetowna Jegorjan (Copyright: Getty Images/P. Smith)
Glücklich über Gold und "sehr stolz Russland hier zu vertreten" - Jana Jegorjan ist neue Olympiasiegerin im SäbelfechtenBild: Getty Images/P. Smith

Doch die Leistung ihrer Kontrahentin ist nicht minder außergewöhnlich. Jegorjan gibt nicht auf und kämpft sich immer wieder mit überfallartigen Angriffen zurück. Dank exzellenter Reflexe gelingt es ihr, das Blatt zu wenden: Innerhalb von zwei Minuten steht es plötzlich wieder 8:8. Dann duellieren sich beide lange, ohne dass sich eine von beiden einen Vorteil verschaffen kann. Am Ende vergibt Welikaja ihre Siegchance, weil sie zu zögerlich kämpft. Jegorjan hat keine Angst vor der Niederlage und gewinnt.

"Vermischen Sie nicht Sport mit Politik"

"Ich bin sehr glücklich über diese Goldmedaille", sagt die Siegerin der Youth Games von 2010. "Und ich bin sehr stolz Russland hier zu vertreten." Dass es dazu kommen würde, daran hatte die Russin nie einen Zweifel. Das nachgewiesene Staatsdoping in Russland mit vertuschten Dopingproben, reihenweise Betrug und Verflechtungen bis in die höchsten Etagen der Sportpolitik scheint hier kein Thema, zumindest nicht bei den zahlreichen russischen Journalisten, die Jegorjan umringen. Die versteht die ganze Debatte um einen möglichen Ausschluss ihres Teams bei den Olympischen Spielen in Rio ohnehin nicht wirklich: "Vermischen Sie nicht Sport mit Politik", sagt Jegorjan und zeigt damit auch abseits der Planche ein lupenreines Coupé. Im Fecht-Jargon steht das für das Umgehen der gegnerischen Klingenspitze. Auf die Frage, ob sie denn für glaubwürdigen Sport steht, antwortet die junge Athletin souverän: "Natürlich können Sie mir vertrauen, warum die Frage?"

Ja, warum ist der russische Dopingskandal hier überhaupt ein Thema? Auch ihre Final-Kontrahentin Welikaja versteht das nicht. Sie hat die Doping-Affäre in der Vorbereitung nicht aus dem Konzept gebracht. "Das hat unser Training nicht weiter beeinflusst. Wir sind unserem Plan gefolgt. Und hier sind wir mit offenen Armen empfangen worden", meint die amtierende Weltmeisterin. Fast scheint es, wenn man ihr zuhört, als hätte es die Doping-Enthüllungen in ihrem Land gar nicht gegeben. "Das ist alles nur Politik, das möchte ich nicht kommentieren. Wir sind hier um Sport zu machen, nichts anderes", sagt Welikaja und verschwindet gemeinsam mit ihrer Teamkollegin in den Katakomben der Carioca.

Fechterin Sofia Welikaja (Foto: picture-alliance/dpa/TASS/V. Sharifulin)
"Das ist alles nur Politik, das möchte ich nicht kommentieren", sagt Welikaja.Bild: picture-alliance/dpa/TASS/V. Sharifulin