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Russland vor KGB-Comeback

Roman Goncharenko20. September 2016

Noch vor der Präsidentenwahl 2018 soll es in Russland ein Ministerium für Staatssicherheit geben. Der einst mächtige sowjetische Geheimdienst KGB könnte unter einem Namen aus Stalins Zeiten wiederauferstehen.

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Zentrale des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) in Moskau (Foto: Imago Hansjörg Hörseljau)
Zentrale des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) in MoskauBild: imago/Hansjörg Hörseljau

Ein ungewohnter Autokorso sorgte in Russland im Sommer für Aufsehen. Anfang Juli tauchte im Internet ein Amateurvideo auf, das junge Männer auf rund 30 schwarzen Geländewagen einer deutschen Premiummarke auf Moskaus Straßen zeigte. Es waren Absolventen der Akademie des Inlandsgeheimdienstes FSB, die lautstark ihren Abschluss feierten. Die jungen Männer in weißen Hemden präsentierten sich wie eine Elitetruppe, wie Herrscher über das Land. Ein Skandal, der sich vor allem darum drehte, dass die Geheimdienstler demonstrativ protzig auftraten. Die betroffenen Offiziere und ihre Vorgesetzten wurden in Dienstgraden herabgesetzt, manche entlassen, berichtete später der FSB.

Der Vorfall scheint symbolisch für die Stellung der Geheimdienste im heutigen Russland. Seit dem Machtantritt des Präsidenten Wladimir Putin, der zu Sowjetzeiten selbst Offizier beim Komitee für Staatsicherheit (KGB) war und Ende der 1990er Jahre den KGB-Nachfolger FSB leitete, ist der Einfluss der Behörde stets gewachsen. Seit Jahren werden Schlüsselposten im Land von ehemaligen Geheimdienstlern besetzt.

Aus drei wird eins

Nun steht möglicherweise ein weiterer Schritt in diese Richtung bevor. Die Geheim- und Sicherheitsdienste sollen umfassend reformiert werden, berichtete am Montag die Moskauer Zeitung "Kommersant". Geplant sei ein Ministerium für Staatssicherheit, kurz MGB. Das neue Superministerium soll nach einem Zusammenschluss des FSB mit der Auslandsaufklärung SWR entstehen. Auch Teile des Bundeschutzdienstes FSO, der für die Sicherheit von Spitzenpolitikern und Beamten zuständig ist, sollen dazu gehören.

"Es geht faktisch darum, dass der FSB die Aufgaben des sowjetischen KGB zurückerhalten soll", schreibt "Kommersant". Außerdem sei geplant, dass das neue Ministerium in besonders brisanten Fällen selbst ermitteln oder Ermittlungen anderer Justizorgane überwachen darf. Das neue MGB soll noch vor der Präsidentenwahl 2018 gegründet werden.

Portrait von Wladimir Putin (Foto: picture-alliance/dpa/Y. Kochetkov)
Wladimir Putin baut im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2018 die Sicherheitsorgane des Landes umBild: picture-alliance/dpa/Y. Kochetkov

Die umfassende Reform der Sicherheitskräfte begann bereits im Frühjahr mit der Gründung der Russlandgarde (Rosgwardija). Diese neue Organisation entsteht auf der Basis der sogenannten Internen Truppen, einer armeeähnlichen Einheit des Innenministeriums. Die Russlandgarde ist Putin persönlich unterstellt. An der Spitze steht der frühere Chefleibwächter des Präsidenten, Viktor Solotow. Manche Beobachter vermuten, dass die Russlandgarde vor allem für die Niederschlagung möglicher Bürgerproteste gegründet wurde. Noch sind solche Proteste nicht in Sicht, doch die Wirtschaftslage in Russland verschlechtert sich - vor allem wegen niedriger Ölpreise. Soziale Unruhen sind deshalb denkbar.

Ein Name mit dunkler Vergangenheit

Die offiziellen Behörden in Moskau haben den Bericht von "Kommersant" weder bestätigt noch dementiert. Putins Sprecher Dmitrij Peskow wollte sich am Montag dazu nicht äußern. Unklar ist auch, ob das neue Ministerium tatsächlich den Namen MGB bekommt. Der russische Publizist Oleg Kaschin bezweifelt das. Der Name sei historisch vorbelastet, sagte Kaschin der DW. Der berüchtigte sowjetische Geheimdienst trug den Namen MGB von 1946 bis zu Stalins Tod 1953. "Es waren zwar nur ein paar Nachkriegsjahre, doch genau dann gab es eine furchtbare Welle von Stalins Repressionen", erinnert Kaschin. Der sowjetische MGB ging in dieser Zeit unter anderem besonders hart gegen Andersdenkende und mutmaßliche ausländische Spione im eigenen Land vor.

Rückkehr zur Sowjetunion abgeschlossen?

Sollte der FSB tatsächlich die Kompetenzen und dazu einen alten Namen wie zu Stalins Zeiten erhalten, würde es in das von der russischen Führung vorangetriebene Konzept einer Rückkehr zu sowjetischen Symbolen und Praktiken passen. Dieser Prozess begann bereits im Jahr 2000 mit der Wiedereinführung der Melodie der sowjetischen Hymne. Stalin und seine Herrschaft "mit eiserner Faust" werden seit Jahren von staatlichen Medien glorifiziert. Landesweit werden Stalin-Denkmäler errichtet, seine Bilder sind immer wieder auf Straßenplakaten zu sehen.

In den letzten zwei Jahren, besonders nach der russischen Krim-Annexion, beschleunigte sich dieser Prozess deutlich. Eine Mehrheit der Russen (54 Prozent) schätzt die Rolle Stalins in der Sowjetunion positiv ein, fand im März das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum heraus. Jeder vierte Russe sieht in Stalins Terror "eine Notwendigkeit". Solche Ansichten verbreiten sich immer mehr, so das Lewada-Zentrum. Vor diesem Hintergrund scheinen die Reform und die Umbenennung des FSB in MGB wie ein Schlussstrich.