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Russland: Wahlen als "historisches Ereignis"

2. August 2007

Der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Russlands, Wladimir Tschurow, berichtet im Interview mit DW-WORLD.DE/Russisch über die bereits laufenden Vorbereitungen zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

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Wladimir Tschurow sieht demokratische EntwicklungBild: Sergey Morozov

DW-WORLD.DE/Russisch: Bis zu den Wahlen zur Staatsduma bleibt nicht mehr viel Zeit. Mit welcher Wahlbeteiligung rechnen Sie?

Wladimir Tschurow: Wir prognostizieren eine Wahlbeteiligung von etwa 60 Prozent. Es geht um die Wahl der Abgeordneten der Staatsduma der 5. Einberufung. Meinungsumfragen zufolge geben derzeit 45 Prozent der Wähler an, zu den Wahllokalen zu gehen. Die Zentrale Wahlkommission bemüht sich auf zwei Wegen, die Beteiligung zu erhöhen: mit Informationen für die Wähler und mit der Schaffung von Bedingungen, die möglichst vielen Wählern die Stimmabgabe ermöglichen. Es handelt sich dabei um Invaliden, um Menschen, die auf Dienstreise sind, oder an schwer zugänglichen Orten leben, wohin man nur mit dem Hubschrauber gelangen kann, aber auch um Bürger, die im Winter in ihren Datschen leben. Die Anzahl solcher Wähler erreicht allein in Moskau 300.000.

Und die Bürger, die sich im Ausland befinden?

Verschiedenen Experteneinschätzungen zufolge halten sich etwa zehn Millionen russische Bürger ständig im Ausland auf. Von ihnen haben sich in den Konsulaten weniger als zwei Millionen gemeldet. Zu den Wahlurnen im Ausland kamen in den Jahren 2003-2004 weniger als 300.000. Ich will betonen, dass jeder Bürger der Russischen Föderation unabhängig davon, ob er im Konsulat gemeldet ist oder nicht, im Ausland abstimmen darf. Gewöhnlich werden etwa 350 Wahllokale in 140 Ländern, meist in den Konsularvertretungen Russlands im Ausland eingerichtet. Leider erlauben uns nicht alle Länder, außerhalb der Konsularvertretungen Wahllokale einzurichten.

Ist die Frage über die dritte Amtszeit von Präsident Wladimir Putin vom Tisch?

Bei der Zentralen Wahlkommission wurde diese Frage nie erörtert. Wir handeln ausschließlich nach der geltenden Gesetzgebung. Wir haben nicht das Recht zur Gesetzesinitiative und streben auch keine Korrektur der Gesetzgebung an. Heutzutage sieht die geltende Gesetzgebung keine dritte Amtszeit vor.

Das heißt, dass es tatsächlich den Präzedenzfall geben wird, wo das Staatsoberhaupt nicht wegen seines Gesundheitszustands oder infolge von Verschwörungen sein Amt verlässt, wie es in der russischen Geschichte häufig war?

Boris Jelzin trat auch auf eigenen Willen ohne Verschwörungen und Revolutionen ab. Ich denke, dass er ausgewogen und bewusst entschieden hatte. Aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes historisches Ereignis lenken: Erstmals wählt Russland eine fünfte Duma. Und erstmals haben alle vorhergehenden vier Dumas ihre volle vom Gesetz vorgesehene Legislaturperiode gearbeitet. Wenn man sich an die vorrevolutionäre Geschichte Russlands erinnert, so wurden die zwei ersten Dumas aufgelöst, sie hatten nur wenige Wochen gearbeitet. Die dritte Duma hatte als einzige vor der Revolution ihre ganze Legislaturperiode Bestand. Und die Existenz der vierten Duma wurde von den revolutionären Ereignissen unterbrochen. Deshalb: erstmals in der Geschichte Russlands haben wir eine Zeit, in der sich die parlamentarische Demokratie so lange und ununterbrochen entwickeln konnte. Das parlamentarische System entwickelte sich in Russland seit 1993 bis 2007 konsequent, was die Überzeugung erlaubt, dass es auch die sechste, siebte, und achte Duma geben wird.

2008 wird ein neuer Präsident gewählt. Angenommen, dieser würde kurz nach den Wahlen vorzeitig abtreten, etwa wegen Krankheit. Könnte dann Wladimir Putin bei vorgezogenen Wahlen erneut kandidieren?

Laut Gesetzgebung dürfte er das, wie jeder Bürger, der älter als 35 Jahre ist.

Das Gespräch führte Sergej Morosow
DW-WORLD.DE/Russisch, 31.7.2007, Fokus Ost-Südost