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Schlechtes Geschäft?

28. April 2010

Dem russischen Militärexperten Aleksandr Chramtschichin zufolge bräuchte Russland den Stützpunkt im ukrainischen Sewastopol nur, wenn es auch eine Flotte besäße. Für schwimmende Antiquitäten sei er nicht notwendig.

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Bild: dpa/Montage DW

DW-WORLD.DE: Was bringt Russland das Abkommen mit der Ukraine über die Verlängerung der Pacht des Stützpunktes für die russische Schwarzmeer-Flotte auf der Krim um 25 Jahre?

Aleksandr Chramtschichin: Russland zahlt gewaltige Summen, um auf der Krim zu bleiben. Aber aus meiner Sicht kauft es Luft, weil es keine Schiffe für das Schwarze Meer hat. Während bei anderen russischen Flotten nach deren radikaler Verkleinerung fast keine Schiffe und U-Boote mehr geblieben sind, die älter als 25 Jahre sind, so verfügt die Schwarzmeer-Flotte nur über 17 Schiffe, die jünger als 25 Jahre sind und nur über drei, die jünger als 20 Jahre sind. Das heißt, dass die Schwarzmeer-Flotte abstirbt. Überhaupt ist sie eine Ansammlung schwimmender Antiquitäten. Um die Flotte wieder aufzubauen, müsste man die Nordflotte und die Baltische Flotte plündern.

Portrait des russischen Militärexperten Aleksandr Chramtschichin (Foto: DW)
Aleksandr Chramtschichin vom Institut für politische und militärische Analyse in MoskauBild: DW / Vladimir Sergejev

Und was ist mit dem Bau neuer Schiffe oder mit der Modernisierung bestehender?

Wenn ein Schiff in Reparatur geht, dann kommt es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent nicht mehr zurück, es wird ausgemustert. Der Bau neuer Schiffe kompensiert in der Regel nichts, weil dies in einem mikroskopischen Tempo geschieht. Man bräuchte den Stützpunkt in Sewastopol nur, wenn Russland auch eine Flotte hätte. Da es sie nicht gibt, müsste man sie fast von Grund auf neu aufbauen, und dann wäre es besser, mit dem Geld eine Flotte und Stützpunkte aufzubauen, die sich in Russland selbst befinden. Man sollte der Ukraine nicht für Luft zahlen, sondern man könnte mit dem Geld sehr gut einen Stützpunkt in Noworossijsk und Schiffe dazu bauen.

Was war dann die Motivation der russischen Führung? Ist es allein eine Frage des Prestiges?

Es gibt die fixe Idee, die Ukraine nicht in die NATO zu lassen. Erstens denkt man bei uns, warum auch immer, dass dies sehr schrecklich wäre, und zweitens denkt man, dass, wenn es den Stützpunkt in Sewastopol gibt, die Ukraine nicht in die NATO kommt. Beides, um es gelinde auszudrücken, liegt nicht auf der Hand.

Halten Sie dann die NATO für einen Mythos?

Im post-sowjetischen Raum herrscht immer noch die sowjetische Vorstellung von der NATO vor als eine grandiose, disziplinierte Militärkraft, die bereit ist, für bestimmte Interessen und Ideale zu kämpfen. In Russland und Belarus zum Beispiel wird dies negativ gesehen, in Georgien positiv. Aber in Wirklichkeit ist es anders. Die NATO ist heute in erster Linie eine bürokratische Struktur und ihre militärischen Fähigkeiten gehen immer stärker verloren. Vor allem an Afghanistan sieht man, dass diese Struktur einfach gegen niemanden Krieg führen wird, weil eben die Europäer nicht bereit sind, irgendeinen ernsthaften Krieg zu führen. Gerade deshalb ist die NATO ein großer Mythos, und diejenigen, die von ihr Aggression oder Verteidigung erwarten, begreifen nicht, dass es weder das eine noch das andere geben wird.

Die ukrainische Opposition beschuldigt Janukowitsch, nationale Interessen verraten zu haben. Kann man ihm dies vorwerfen?

Worin genau besteht der Verrat? Wenn man die Wirtschaft einfach so, mit nichts, vor dem Kollaps bewahrt, dann weiß ich nicht, wie man dies als Verrat bezeichnen kann. Eine andere Sache ist, dass die Ukraine zweigeteilt ist und eine Seite dies als Verrat ansieht, was aber aus meiner Sicht eine sehr eigenartige Vorstellung von nationalen Interessen ist. Ich denke, es ist eine große Errungenschaft Janukowitschs, dass es ihm gelungen ist, die Luft von Sewastopol für 40 Milliarden zu verkaufen.

Das Gespräch führte Sergej Morosow / Markian Ostaptschuk
Redaktion: Gero Rueter