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Medien am Gängelband

Alexandra von Nahmen 4. Juni 2008

Während der neue russische Präsident, Dmitrij Medwedew, gegen eine umstrittene Verschärfung des russischen Mediengesetzes eintritt, üben sich russische Fernsehsender in selbst verordneter Zensur.

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Bild: DW

Auf seiner Internetseite hat der neue Chef im Kreml seine Meinung veröffentlicht. Er lehne eine vom Parlament geplante und äußerst umstrittene Änderung des russischen Mediengesetzes ab. Diese Änderung könnte "ein normales Funktionieren von Massenmedien behindern", begründete DmitrjiMedwedew seinen Entschluss.

Story über Putin-Liebelei empört Abgeordnete

Abgeordnete des russischen Unterhauses, der Duma, hatten im April in erster Lesung mit nur einer Gegenstimme dafür gestimmt, das bestehende Gesetz zu verschärfen. Anlass war der Bericht eines Moskauer Boulevardblattes über eine angebliche Liebschaft von Medwedews Vorgänger, Wladimir Putin, mit einer populären Sportlerin.

Als eine Unverschämtheit sollen viele Parlamentarier, allen voran Mitglieder der Kremlpartei "Einiges Russland", diesen Bericht empfunden haben. Schnell war man sich offenbar einig, solche Berichte in Zukunft zu unterbinden. Die Gesetzesänderung sollte es ermöglichen, Zeitungen im Fall wiederholter Verleumdung und Rufschädigung künftig auf Gerichtsbeschluss zu schließen.

Berichterstattung bleibt schwierig - auch ohne neues Gesetz

Medienexperten schlugen daraufhin Alarm. Sie befürchteten, das neue Mediengesetz könnte dazu dienen, unliebsame Publikationen loszuwerden. Sogar der Europarat zeigte sich besorgt. Einen Monat später bezeichnete die Partei "Einiges Russland" die Änderungen als verfrüht. Nun folgte die offizielle Ablehnung des Präsidenten.

Werden diese Stellungnahme und der Verzicht auf eine Verschärfung der Mediengesetzes zu mehr Pressefreiheit in Russland führen? Kurzfristig wohl kaum. Das bestehende Gesetz gilt bereits als ziemlich restriktiv. Es verbietet die Verbreitung terroristischer oder "extremistischer" Propaganda sowie Pornographie. Publikationen, die dagegen verstoßen, können - nach zwei Verwarnungen - geschlossen werden.

Vorauseilender Gehorsam der Journaille

Zudem üben sich russische Medien, allen voran das Fernsehen, in selbst verordneter Zensur. Unlängst beklagte sich Marianna Maksimowskaja, stellvertretende Nachrichtenchefin beim Sender Ren-TV, darüber, dass immer weniger Live-Programme und Live-Berichte gemacht würden, aus Angst, die Kontrolle über das Gesendete zu verlieren.

Auch Wladimir Posner bedauert dies. Der populäre Talkmaster ist mit seiner Sendung "Wremena" ("Zeiten") immerhin im ersten Programm zu sehen. In einem Radiointerview kritisierte er jüngst, dass er zudem nicht frei in der Wahl seiner Studiogäste sei. Es gebe zwar keine offizielle schwarze Liste, aber alle wüssten Bescheid, welche Journalisten, Politikwissenschaftler oder andere Persönlichkeiten im russischen Fernsehen nicht auftreten dürften, weil sie zu kremlkritisch seien.

Die Beine des Kremlkritikers

Wozu das führen kann, zeigt folgendes Beispiel: Der Politologe Michail Deljagin, ein bekannter Kremlkritiker, war im vergangenen Herbst als Studiogast in eine Talksendung des Kanals TVZ eingeladen worden - sehr zu seiner Verwunderung. "Sind Sie sicher, dass Sie mich einladen wollen?", fragte Deljagin die Redakteurin der Sendung, wohl wissend, dass er kein gern gesehener Gast im russischen Fernsehen ist. Die Antwort lautete: "Ja."

Deljagin nahm an der Diskussion teil, äußerte sich – wie erwartet – kritisch über Wladimir Putin und den Kreml. So weit, so gut. Im Nachhinein musste er aber feststellen, dass er aus der fertigen Sendung teilweise herausgeschnitten und aus einigen Bildern sogar heraus retouchiert worden war. Die Retoucheure arbeiteten aber offenbar zu hastig oder zu ungenau: In einigen Einstellungen der Sendung waren noch Deljagins Beine zu sehen.