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PolitikEuropa

Russlands Abhängigkeit von China

Miodrag Soric
9. März 2023

Der verbale Angriff von Chinas Staatschefs Xi Jinping gegen die USA dürfte Moskau gefreut haben. Denn Russland ist inzwischen angewiesen auf die "strategische Partnerschaft“ mit China, analysiert Miodrag Soric.

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Wladimir Putin mit Xi Jinping in Samarkand
Keine Partner auf Augenhöhe: Russlands Präsident Wladimir Putin (li.) bei einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi JingpingBild: Sergei Bobylyov/Sputnik/AFP

Der Ton ist neu: Chinas Staatschef Xi Jinping prangert am Rande des Nationalen Volkskongresses die USA an, sein Land unterdrücken zu wollen. Er spricht von "Einkreisung", schwört die kommunistische Parteiführung und sein Volk auf "noch nie dagewesene Herausforderungen" ein. China müsse den "Mut haben zu kämpfen". Sein Außenminister Qin Gang warnt Amerika vor einem Konflikt mit "katastrophalen Folgen".

Chinas Außenminister Qin Gang
Soll Brücken in den Westen bauen: Chinas neuer Außenminister Qin GangBild: Mark Schiefelbein/AP Photo/picture alliance

Diese Drohungen könnten genauso von Russlands Präsident Wladimir Putin stammen. Der Kremlchef rechtfertigt den Einmarsch in die Ukraine mit dem Kampf gegen die NATO, die USA und dem "kollektiven Westen". Eine Verdrehung von Tatsachen, für die China öffentlich Verständnis zeigt, die es sich aber nicht völlig zu eigen macht.

Putin und Xisind mit 70 und 69 Jahren in etwa im gleichen Alter. In den vergangenen zehn Jahren haben sie sich laut Medienangaben fast 40 Mal getroffen. Ihr Führungsstil ist diktatorisch. Sie sind seit vielen Jahren unangefochten an der Macht. Sie wiederholen wie ein Mantra die "Freundschaft" zwischen den beiden Atommächten, die "strategische Partnerschaft". Putin und Xi machen kein Geheimnis daraus, dass sie die bisherige, regelbasierte Weltordnung ablehnen, die angebliche Vormachtstellung des Westens brechen wollen.

Moskaus Blick nach China

Und doch gibt es zwischen beiden Ländern große Unterschiede. China ist - legt man das Bruttoinlandsprodukt zugrunde - nach den USA die zeitgrößte Volkswirtschaft der Welt, eine erfolgreiche Exportnation. Russlands Bruttoinlandsprodukt dagegen umfasst lediglich gut zehn Prozent des chinesischen BIP.

Ungarn Szazhalombatta | Druschba-Pipeline
Russische "Lebensversicherung": Energielieferungen ins AuslandBild: Bernadett Szabo/REUTERS

Moskau lebt seit Jahrzehnten vom Rohstoffexport. Bislang scheiterte die Modernisierung des Landes. Putin hat sich mit seinem Angriff auf die Ukraine offenbar verspekuliert: politisch, militärisch und wirtschaftlich. Die Einigkeit des Westens, dessen Fähigkeit innerhalb kürzester Zeit die Abhängigkeit von russischem Gas, Öl oder Kohle massiv zu reduzieren, zwingt den Kreml, seine Wirtschaft auf asiatische Länder, vor allem auf China, auszurichten. Er hat hier keine anderen Handlungsoptionen.

Wachsende Verflechtung

Ganz anders China, das von Moskaus Abhängigkeit profitiert, etwa indem es russisches Öl und Gas zu Sonderkonditionen bekommt. Je länger diese Abhängigkeit von China dauert, desto besser für Peking. China unterlief bereits 2014 westliche Sanktionen gegen Russland. Zur Erinnerung: Die USA und Europa verhängten sie nach Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim. Gleichzeitig warb China erfolgreich für die Fortsetzung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen.  

Xi ist nicht auf Russland angewiesen. Zwar droht Chinas Staatschef den Amerikanern. Doch besteht für Peking weiterhin die Möglichkeit, sich mit Washington auf einen Kompromiss zu einigen.

Die Null-COVID-Strategie in der Pandemie hat Chinas Wachstum 2022 geschwächt, wie offizielle Statistiken aus China zeigen. Nach deren Ende hat sich Chinas Wirtschaft aber stabilisiert. Xi dürfte kein Interesse an einem Handelskrieg mit den USA und dann - als Folge - auch mit den Europäern haben. Peking versucht, wie zuvor Moskau, einen Keil in das transatlantische Bündnis zu treiben. Bislang ohne Erfolg. Schließlich hat der Ukraine-Krieg die Europäer gelehrt, wie sehr sie auf die amerikanische Führung angewiesen sind. 

Symbolbild I Taiwan Militär
Für China ist der Konflikt mit Taiwan (hier eine Militärübung auf der Insel im Sommer 2022) zentralBild: Ann Wang/REUTERS

Taiwan kann alles verändern

Russland und China - das ist keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Xi ist klug genug, die Russen nicht öffentlich zu demütigen. Es gibt keine Aussage von ihm, in der er sie ihre wirtschaftliche Schwäche und Abhängigkeit spüren lässt.

Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass der Lebensstandard in Russland in den kommenden Jahren weiter fallen wird - auch weil seit dem Angriff auf die Ukraine Hunderttausende IT-Experten ihre Heimat verlassen haben. Putin mag den wirtschaftlichen Niedergang seines Landes hinnehmen. Xi verfolgt weiterhin das Ziel, wirtschaftlich die USA einzuholen und eines Tages vielleicht auch zu überholen.

Eine neue Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erinnert an den USA-Besuch des angehenden Präsidenten Xi im Jahre 2012. Damals sprach er "von einem neuen Typ der Großmachtbeziehungen im 21. Jahrhundert". Amerika und China sollten gleichberechtigte Mächte sein. Russland kam hier nicht vor.

Inzwischen, so heißt es von der Pekinger Führung, sei Russland Chinas "wichtigster strategischer Partner". Beide Länder eine die Sichtweise auf den Gegenspieler USA. Zu Chinas Haltung beim Ukraine-Konflikt wird in der Studie der SWP die Meinung des chinesischen Politikwissenschaftlers Yan Xuetong zitiert. Danach könne China nur dann offensiv an die Seite Russlands gedrängt werden, wenn die USA eine taiwanesische Unabhängigkeitserklärung militärisch unterstützen würden.