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Politik

Rätsel um Mord an russischen Journalisten

Ekaterina Venkina | Markian Ostaptschuk
1. August 2018

In der Zentralafrikanischen Republik sterben drei Journalisten aus Russland. Sie sollen einer berüchtigten Söldnertruppe aus ihrem Land auf der Spur gewesen sein. Der Fall ist undurchsichtig und wirft viele Fragen auf.

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Moskau Trauer um getötete Journalisten
Bild: picture-alliance/dpa/S. Savostyanov

In der Zentralafrikanischen Republik sind am Montag die drei russischen Journalisten Kirill Radtschenko, Alexander Rastorgujew und Orchan Dschemal offenbar an einem Checkpoint von bewaffneten Männern getötet worden. Ihre Leichen wurden etwa 20 Kilometer von der Stadt Sibut entfernt gefunden. Die Männer arbeiteten an einer Dokumentation über Söldner der "Gruppe Wagner", einer russischen privaten Sicherheitsfirma. Die Recherchen wurden vom "Centre for Investigation" des früheren russischen Unternehmers und Kreml-Kritikers Michail Chodorkowski unterstützt.

Das offizielle Moskau bestreitet die Existenz der "Gruppe Wagner" und gibt lediglich zu, dass sich Russen privat an Militäroperationen im Ausland beteiligen könnten. Der Truppe gehörten zu verschiedenen Zeiten Schätzungen zufolge zwischen 1350 und 2500 Mann an. Der Name Wagner ist ein Pseudonym des Ex-Geheimdienstoffiziers Dmitrij Utkin, der die Truppe gegründet hat. Erste Beweise für ihre Aktivitäten sammelte nach eigenen Angaben der ukrainische Geheimdienst 2014 im Donbass. Vermutlich waren Angehörige der Gruppe 2016 und 2017 auch an Kämpfen in Syrien beteiligt.

Einsatz in Zentralafrika

Im März 2018 hieß es aus Moskau, Russland werde auf Ersuchen des Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik, Faustin Archange Touadera, dem Land militärische Hilfe leisten. Wie Reuters unter Berufung auf lokale Medien berichtet, soll die "Gruppe Wagner" in Zentralafrika aktiv geworden sein, nachdem der Kreml an die Sicherheitskräfte des Landes Waffen geliefert habe und russische Instrukteure lokale Soldaten ausbildeten. Auch die französische Zeitung "Le Monde" berichtete im April über mögliche russische Söldner in dem zentralafrikanischen Land.

Russland St. Petersburg Treffen Präsident Zentralafrikanische Republik und Vladimir Putin
Die Präsidenten Faustin Archange Touadera und Wladimir Putin bei einem Treffen in St. Petersburg im Mai 2018Bild: Imago/TASS/Russian Presidential Press and Information Office/M. Klimentyev

Anastasia Gorschkowa vom "Centre for Investigation" teilte mit, die drei Journalisten hätten einen Stützpunkt in Berengo besuchen wollen, wo sich laut Medienberichten Söldner der "Gruppe Wagner" aufhalten könnten. Ihnen sei aber der Zugang verwehrt worden, weil sie keine Akkreditierung des zentralafrikanischen Verteidigungsministeriums hatten.

Der Vorsitzende der zentralafrikanischen Menschenrechtsliga, Joseph Bindoumi, sagte der Deutschen Welle, die russischen Kräfte im Lande hätten die Journalisten nicht akkreditiert, auch nicht der zentralafrikanische Staat. Ihm zufolge wurden sie von der MINUSCA, der UN-Friedensmission akkreditiert. "Nur die MINUSCA kann sagen, wie sie diese Menschen ohne Schutz losschicken konnte, um nach möglichen russischen Söldnern zu ermitteln", betonte Bindoumi, der Ex-Verteidigungsminister der Zentralafrikanischen Republik.

Laut dem russischen Außenministerium waren die Männer nicht mit einem Journalistenvisum eingereist, sondern als Touristen. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte der Agentur "TASS" zufolge, sie hätten nur abgelaufene Bescheinigungen russischer Redaktionen mit sich geführt. Offenbar wollten sie verdeckt recherchieren.

Chodorkowski: "Mutige Männer"

Der Reporter Dschemal, der Kameramann Radtschenko und der Regisseur Rastorgujew seien "mutige Männer"; sie hätten nicht einfach Doku-Material sammeln, sondern "es in ihren Händen spüren wollen", heißt es auf Chodorkowskis Webseite. Dort wird daran erinnert, dass Orchan Dschemal für die Zeitungen "Moskowskaja Gaseta", "Nesawissimaja Gaseta" und "Nowaja Gaseta" sowie für den TV-Sender "Doschd" tätig gewesen sei. Bekannt wurde Dschemal vor allem durch seine Berichte über die Konflikte im Nordkaukasus, in Südossetien, im Irak, Libanon und in Syrien. Über den Fünftagekrieg zwischen Russland und Georgien im Jahr 2008 schrieb er ein Buch.

Alexander Rastorgujew arbeitete für den TV-Sender "NTW". Einem größeren Publikum wurde er mit einem Film über den Krieg und Alltag in Tschetschenien bekannt. 2014 wirkte er an einer Dokumentation über die Anführer der Opposition in Russland mit.

Kirill Radtschenko war seit 2016 für die unabhängige abchasische Nachrichtenagentur "ANNA-News" tätig. Auch er war auf Kriegsthemen spezialisiert. 2017 veröffentlichte er auf dem Internetportal Fotoreportagen über Syrien. Eine seiner letzten Serien im russischen sozialen Netzwerk "Vkontakte" zeigen Bilder von der Protestaktion "Er ist nicht unser Zar" gegen Staatschef Wladimir Putin in Moskau Anfang Mai dieses Jahres.

Warum wurden die Journalisten getötet?

Ein Motiv könnte Raub gewesen sein, da die Journalisten eine teure Ausrüstung dabei hatten. Allerdings hält die "Nowaja Gaseta" ein solches Szenario für unwahrscheinlich, da ihr Mitarbeiter Orchan Dschemal über umfangreiche Erfahrung mit Einsätzen in unsicheren Gebieten verfügt habe.

Deutschland Michail Chodorkowski in Berlin
Michail Chodorkowski: Sein "Centre for Investigation" unterstützte die Recherchen der drei OpferBild: picture-alliance/dpa/S. Kembowski

Die zentralafrikanische Nachrichtenagentur CNC berichtet, dass in Damara, 75 Kilometer von der Hauptstadt Bangui entfernt, die Bevölkerung gegen "russische Söldner rebelliert" habe, die sich dort zur Ausbildung von Militärangehörigen der Zentralafrikanischen Republik aufhalten würden. Dabei sei ein Bewohner ums Leben gekommen. Der russische Radiosender "Echo Moskwy" schließt nicht aus, dass der Überfall auf die Journalisten ein Racheakt gewesen sein könnte. Anderen Vermutungen zufolge könnten die Reporter auch von den russischen Söldnern getötet worden sein.

"TASS" dagegen berichtet unter Berufung auf die Behörden der Zentralafrikanischen Republik, dass muslimische Rebellen den Mord verübt haben könnten. In dem Land war 2013 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, in dem sich Milizen der christlichen Mehrheit und der muslimischen Minderheit gegenüberstanden. Die Lage in dem Land hatte sich in Folge einer französischen Militärintervention und später der UN-Friedensmission etwas stabilisiert.