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Rätselhafte Urform des Menschen entdeckt

9. April 2010

Südafrikanische Forscher haben Skelettteile gefunden, die anscheinend von einer bisher unbekannten Urform des Menschen stammen. Die Wissenschaftler hoffen nun, eine wichtige Lücke im menschlichen Stammbaum zu schließen.

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Schädelknochen des Australopithecus sediba (Foto: AP)
Bild: AP

Die bislang unbekannte Art erhielt den Namen Australopithecus sediba. Australopithecus bedeutet übersetzt "südlicher Affe", sediba heißt soviel wie "Quell". Mit dieser Bezeichnung soll die Nähe der Spezies zum Affen betont werden.

Die Teilskelette gehörten nach Aussagen der Wissenschaftler einer ungefähr 30 Jahre alten Frau und einem etwa zehnjährigen Jungen, die möglicherweise sogar Mutter und Sohn waren. Sie sollen vor etwa zwei Millionen Jahren gelebt haben. Entdecker Lee Berger von der Witwatersrand University in Johannesburg glaubt, dass der Fund "ein guter Kandidat für die Übergangsspezies zwischen dem südlichen afrikanischen Affenmenschen und dem Homo habilis ist".

Forscher Lee Berger bei Präsentation des Fossilienfundes, im Hintergrund: Schädelknochen auf Leinwand (Foto: AP)
Lee Berger vermutet, dass der Australopithecus sediba in die Entwicklungskette zum heutigen Menschen gehörtBild: AP

Lange Arme und kräftige Hände

Das weitgehend vollständige Kinderskelett könnte aufschlussreiche Erkenntnisse darüber geben, wie die menschlichen Vorfahren ausgesehen haben, hoffen die Wissenschaftler. Sie schätzen das Gewicht der Frau auf 33 Kilogramm, der Junge soll rund 27 Kilo gewogen haben. Beide seien etwa 1, 27 Meter groß gewesen.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Frau und der Junge bei einem Unfall in eine Erdgrube in der südafrikanischen Region Sterkfontein gestürzt sind. Die Knochen seien danach von einer Flut von Sedimenten überspült worden, wodurch ein Versteinerungsprozess stattfand, der die heutigen Untersuchungsarbeiten erst möglich machte. Der Australopithecus sediba habe sich auf langen Beinen bewegt, sagt Berger und sei bereits aufrecht gegangen. Im Vergleich zum späteren Homo sapiens seien seine Arme jedoch noch sehr lang und die Hände kräftig gewesen. Auch das Gehirn soll drei bis vier Mal kleiner gewesen sein, als das des heutigen Menschen.

Neunjähriger findet zwei Millionen Jahre altes Schlüsselbein

Die Fossilien wurden schon im August 2008 entdeckt. Damals war Lee Berger mit Kollegen und seinem Sohn auf Entdeckungstour gewesen.Während sie das Gebiet erkundeten, erzählt der Paläoanthropologe, habe sein neunjähriger Sohn im hohen Gras nach seinem Hund gesucht. Dabei sei er plötzlich über einen Stein gestolpert und ausgerufen: "Dad, ich habe ein Fossil gefunden!" Dass sich das fossile Schlüsselbein, das sich darunter verbarg, als ein möglicher Schlüssel zu neuen Erkenntnissen über die Entwicklung des Menschen erweisen sollte, ahnte damals noch keiner von ihnen.

Lee und Mathew Berger vor Glasvitrine mit Teilskelett (Foto: AP)
Der neunjährige Mathew Berger stolperte über Millionen Jahre altes SchlüsselbeinBild: AP

Immer mehr Funde in der Region Sterkfontein

In den darauffolgenden Monaten machten auch andere Wissenschaftler zahlreiche Funde in dieser Region, die als "Wiege der Menschheit" gilt. So entdeckte Peter Schmid mit seinem Team von der Universität Zürich bislang über 180 Fragmente, die mindestens vier Individuen zuzuordnen seien. Die erste Annahme, der Australopethicus sediba könnte eine direkte Verbindung zwischen dem affenartigen Vormensch und dem Frühzeitmensch darstellen, sei allerdings überholt. Der amerikanische Wissenschaftler Richard Potts vermutet eher eine Vielzahl an Verzweigungen, die zwischen den einzelnen Arten bestünden.

Neuer Kumpane von Lucy und Hobbit

Trotzdem geben die Funde den Forschern wegen ihrer beeindruckenden Vollständigkeit die Hoffnung, Lücken im menschlichen Stammbaum zu schließen. Denn die südafrikanischen Fossilien sind sehr viel besser erhalten, als die eine Million Jahre jüngere Lucy, die vor 30 Jahren in Äthiopien gefunden wurde.

In der Reihe der bisherigen Fossilienfunde ist der Australopethicus sediba die fünftälteste Spezies. Dem bislang ältesten Mitglied der Menschenfamilie war ein Forscherteam aus Frankreich und dem Tschad im Jahr 2001 in der Sahelzone auf die Spur gekommen. Vor sieben bis sechs Millionen Jahren soll der Sahelanthropus tchadenisis mehrere Landteile bevölkert haben.

Mann hält Schädelknochen in den Händen. (Foto: AP)
Ist eine Million Jahre älter als der Australopithecus sediba: Lucy wurde in Äthiopien gefundenBild: AP

Zu den jüngeren Generationen der menschlichen Urahnen zählt der als Hobbit bekannte, nur ein Meter große indonesische Urmensch, der 2004 auf der Insel Flores gefunden wurde. Als jüngste ausgestorbene Seitenlinie des heutigen Menschen gilt der Homo neanderthalensis. Bereits 1856 gab der Fund des berühmten Neandertalers den Startschuss für die Erforschung der Evolution des Menschen.

Autorin: Sina Schlimmer
Redaktion: Judith Hartl